Man muss kein Fan der Linkspartei sein, um zu sagen, dass sein Einzug in den Düsseldorfer Landtag eine Bereicherung dargestellt hätte. Jasper Prigge, dem beim Linken-Ergebnis von 4,9 Prozent auch der "sichere" Listenplatz nichts nutzte, hat die Queer-Politik in NRW in den vergangenen Jahren aus der außerparlamentarischen Opposition maßgeblich mitbestimmt.
Vor allem hat der 28-jährige Rechtsanwalt aus Essen Rot-Grün immer wieder vor sich hergetrieben – ob bei der Speicherung von HIV-Infektionen in der Polizeidatenbank oder bei der Aufarbeitung der Homosexuellenverfolgung. Auch wenn er in seiner Kritik manchmal über das Ziel hinausschoss, gab er linker Queerpolitik eine Stimme, die auch bundesweit eine Lücke füllte.
Zwischen zwei Terminen stand uns Jasper Prigge am Tag nach der Wahl für ein kurzes Interview zur Verfügung.
Wie fühlt man sich, wenn nach der ersten Hochrechnung der Einzug in den Landtag eher sicher schien und er dann doch ganz knapp verpasst wurde?
Bei der ersten Hochrechnung waren wir mit 5,0 Prozent auf der Kippe. Es war klar, dass es eine lange Nacht werden würde, weil es während der Auszählung immer Bewegungen nach oben oder unten gibt. In Hessen lagen wir bei der letzten Landtagswahl bis zum vorläufigen amtlichen Endergebnis bei 4,9 Prozent und haben es dann doch noch mit 5,2 Prozent geschafft. Es war also ein Wechselbad der Gefühle, weil es bei jeder neuen Hochrechnung anders aussehen konnte.
Warum, glaubst du, hat die Linke den Sprung über die Fünfprozenthürde nicht geschafft? In manchen Umfragen lag sie bei acht Prozent.
Das werden wir nun anhand der Zahlen auswerten. Aber man kann schon jetzt sagen, dass zum Beispiel Daniel Schwerd, der im Landtag in Zusammenarbeit mit mir und unserer Landesarbeitsgemeinschaft Die Linke.queer mehrere Kleine Anfragen auch zu queerpolitischen Themen gestellt hat, in Köln mit 12,1 Prozent das landesweit beste Ergebnis geholt hat. Das finde ich positiv.
Klar ist, dass es in NRW eine deutliche Verschiebung nach rechts gegeben hat. Dass nun eine rechte Partei im Landtag ist, es eine konservative Regierung geben wird und eine starke FDP, die nur ihr Image gewechselt hat, aber weiterhin durchweg wirtschaftsliberal ist, lässt mich Schlimmes für die Menschen in NRW befürchten. Mehr Rassismus und Homophobie, mehr Überwachung und eine Vertiefung der Spaltung zwischen Arm und Reich, das werden wir noch zu spüren bekommen. Wir werden weiter mit voller Kraft außerparlamentarisch dagegen aktiv sein.
Was mich freut ist, dass wir viele neue Mitglieder gewinnen konnten, viele von ihnen unter 30 Jahren. Einige von ihnen sind nach der Wahl eingetreten und sagen mit uns: Jetzt erst recht!
Was befürchtest du unter einem Ministerpräsidenten Armin Laschet konkret für LGBTI in NRW?
Es wird mit Sicherheit nicht einfacher, die Interessen von LGBTI gegenüber dem Land durchzusetzen. Mit einer CDU-Regierung dürfte es keine Verbesserungen für die Community geben, eher Verschlechterungen. Das eine ziemliche Katastrophe. Das Signal für die SPD im Bundestag muss sein, dass sie die vorhandene Mehrheit mit Linken und Grünen nutzen muss, wenn sie nicht riskieren will, dass die Ehe für alle erst nach 2021 kommt.
Heißt das, Rot-Grün in NRW war doch gar nicht so schlecht, wie du immer wieder kritisiert hast?
Es macht natürlich einen Unterschied, ob die CDU regiert oder nicht. Konkret gilt es jetzt zu verhindern, dass den Verbänden die Förderung gekürzt wird, was unter der früheren Landesregierung undenkbar gewesen wäre. Das ändert aber nichts daran, dass es auch in der Regierungszeit von SPD und Grünen dringenden Handlungsbedarf gab, den wir als Linke aufgezeigt haben. Als linke Opposition ist es unsere Aufgabe, auf Missstände aufmerksam zu machen und Veränderungen einzufordern. Man kann doch nicht damit zufrieden sein, wenn eine Koalition die Möglichkeiten, die sie hat, nicht ausschöpft. Egal wie die neue Regierung aussehen wird, nun wird es eher darum gehen zu verhindern, dass es Rückschritte gibt.
Was sind deine Schwerpunkte für die Queerpolitik in den nächsten fünf Jahren?
Wir werden weiter gegen den erstarkenden Rechtspopulismus aktiv sein, werden Diskriminierungen benennen und sehr genau beobachten, was die Landesregierung tut oder unterlässt. In den vergangenen Monaten haben wir, glaube ich, ganz gut gezeigt, dass wir auch außerhalb des Parlaments unbequem sein können.
Darüber hinaus finde ich, dass wir in Zukunft stärker darüber nachdenken müssen, wie wir gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Gruppen für das gemeinsame Ziel einer Gesellschaft ohne Diskriminierung und Ausgrenzung eintreten können. Egal ob die Hautfarbe, die sexuelle Orientierung, das Geschlecht oder Behinderungen geht, wir müssen uns vernetzen. Eine Möglichkeit bietet unsere Landesarbeitsgemeinschaft Die Linke.queer, in der man auch ohne Mitgliedschaft aktiv sein kann.
Du hast es erwähnt: In der vergangenen Legislaturperiode hast du gemeinsam mit dem ehemaligen Piraten Daniel Schwerd auch parlamentarische Anfragen initiiert. Hast du vor, in der Queer-Politik nun mit Politikern anderer Parteien zusammenarbeiten?
Ich bezweifle, dass eine der im Landtag vertretenen Parteien dazu bereit sein wird.
Wirst du in fünf Jahren erneut kandidieren?
Das werden wir in fünf Jahren sehen. Ich konzentriere mich jetzt erstmal auf die Aufgaben, die nun anstehen.
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m-maenner.de/2017/05/57785/
(Maenner.de: FDP beschließt viel Gutes für LGBTI)
[...]"Das neue Wahlprogramm der Liberalen liest sich wie ein Wunschzettel von LGBTI-AktivistInnen" [...]
Paul Schulz von Maenner.de hat es schon sehr richtig formuliert und treffend erkannt.
Das aktuelle Wahlprogramm der Liberalen liest sich wie der Wunschzettel von LGBTI-AktivistInnen und ich habe es mir selbst auch durchgelesen und stimme Paul Schulz zu.
Insbesondere beim Thema "Zulassung der Leihmutterschaft" würde ich die FDP im Jahre 2017 als LGBT-politisch führend bewerten, denn dazu findet sich bei der Linkspartei und den Grünen kaum etwas/nichts.
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Jasper ist sicherlich ein fähiger Kopf und persönlich macht er auf mich einen sympathischen Eindruck, aber er ist sicherlich in der falschen Partei.
Mich freut es, das die Bürgerrechtspartei FDP so stark gewonnen hat und in NRW ein HISTORISCHEN WAHLSIEG erreichen konnte: soviele Wählerstimmen hat die FDP seit 1949 noch nie in NRW erreicht und da haben sichrlich gestern viele FDP-Politiker und Wähler sich sehr gefreut ("mich inbegriffen").
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Was Herr Jasper einfach nicht begriffen hat, das derzeit Themen wie Sicherheit ("jeder dritte Wohnungseinbruch geschieht in NRW und die Aufklärungsquote ist sehr deprimierend"), Bildung (dreigliedriges Schulsystem; Stärkung der Gymnasien) sowie die jahrzehntelange Verschuldungspolitik der Sozialdemokraten sowie letztlich die zunehmende Islamisierung in den Brennpunkten der NRW-Großstädte die Wähler in NRW vorwiegend beschäftigt.
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Es gibt nur einen Punkt, der mich an dem Wahlergebnis in NRW bestürzt zusehen läßt und das ist die traurige Tatsache, dass die AfD nunmehr in den 13. Landtag eingezogen ist. UND die AfD gewinnt übrigens genau dort, wo die SPD Ihre Hochburgen in NRW hat (Wahlkreis Gelsenkirchen II, Duisburg II). Und mit Sven Tritschler kommt ein weiterer offen homosexueller Abgeordneter der AfD in einen Landtag (Alexander Tassis, Thomas de Jesus Fernandes, Holger Arrpe, Frank-Christian Hansel und demnächst Alice Weidel im Bundestag). Es muss ernsthaft diskutiert werden, WIE und WARUM kann es sein, dass relativ gesehen, so viele LGBT-Spitzenpolitiker für die AfD in den Landtagen und im Bundestag dann sitzen....