Die Grünen warben am Tag gegen Homo- und Transphobie für gleiche Rechte (Bild: gruene.at)
Die Homosexuelle Initiative Wien hat am Mittwoch die Grünen für einen Vorstoß im Nationalrat zur Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben als "dilettantisch" kritisiert. "Wir sind zutiefst schockiert und enttäuscht, dass die Grünen mit ihrem parteitaktischen Schnellschuss eine zweckdienliche strategische Vorgangsweise bei der Abstimmung über die 'Homo-Ehe' im Parlament torpediert haben", erklärte Kurt Krickler, der Generalsekretär der HOSI Wien.
Was war geschehen? Am Dienstag hatten die Grünen den Antrag im Nationalrat eingebracht, dass man noch vor den Wahlen im Herbst über das Thema Ehe-Öffnung abstimmen sollte. Vertreter der Partei erklärten, sie hofften auf Zustimmung der sozialdemokratischen SPÖ, die sich für die Ehe für alle einsetzt, aber derzeit in einer Großen Koalition mit der ÖVP regiert – die Volkspartei hält wie CDU/CSU derzeit noch wenig von der Ehe für alle.
Da die SPÖ/ÖVP-Koalition zerrüttet ist, haben sich die Parteien auf Neuwahlen am 15. Oktober geeinigt, regieren aber bis zum Urnengang gemeinsam weiter. Allerdings hat SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern bereits im ORF angekündigt, bei der Frage der Ehe-Öffnung möglicherweise bis zur Wahl andere Mehrheiten zu finden.
Hier setzten die Grünen an: Sie wollten erreichen, dass die Sozialdemokraten ihrem Antrag zustimmen und so den vorzeitigen Koalitionsbruch riskieren. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim erklärte zwar, man unterstütze die Ehe-Öffnung zu 100 Prozent, werde sich aber bis zur Wahl an den Koalitionsvertrag halten. Da die ÖVP sich nicht bewegen wollte, stimmte damit auch die SPÖ-Fraktion gegen den grünen Antrag. Dafür votierten neben den Grünen nur die kleine linksliberale Partei NEOS.
Grünen griffen SPÖ scharf an
Die Niederlage führte zu einer aggressiven Reaktion der Grünen. Die Fraktion kritisierte in einer Pressemitteilung, die SPÖ habe "mit aller Brutalität verhindert, dass der Antrag auf Öffnung der Ehe überhaupt zu einer Abstimmung im Parlament kommen darf".
Ähnliche Versuche der Opposition gibt es auch in Deutschland, wie eine Debatte am Mittwoch zeigte. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: In Deutschland hätten die Fraktionen, die die Ehe-Öffnung befürworten, im Parlament eine Mehrheit, in Österreich aber nicht. In Wien sprechen sich neben der ÖVP auch die beiden im Nationalrat vertretenen rechtspopulistischen Parteien FPÖ und "Team Stronach" gegen die Gleichbehandlung aus.
Kurt Krickler von der HOSI Wien kritisierte deshalb scharf, dass die Grünen die Ehe für alle für einen Angriff auf die SPÖ missbrauchten: Deren "dilettantische Vorgangsweise" werde "nur noch übertroffen durch die Chuzpe zu unterstellen, die SPÖ hätte die Annahme des Fristsetzungsantrags und in der Folge womöglich die Verabschiedung der 'Homo-Ehe' verhindert", so Krickler. Dabei wüssten natürlich auch die Grünen ganz genau, dass sie mit SPÖ und NEOS keine Mehrheit hätten. "Um eine solche Abstimmung gewinnen zu können, müssen mindestens acht Abgeordnete des konservativen bzw. rechten Lagers gewonnen werden! Und das setzt natürlich entsprechende Überzeugungsarbeit im Vorfeld voraus." Auf diese hätte die Ökofraktion aber verzichtet.
Krickler: "Nicht Freund und Feind verwechseln"
Krickler appellierte deshalb an die Grünen, "nicht Freund und Feind zu verwechseln und lieber die wahren Gegner 'vorzuführen', als auf die Verbündeten einzuprügeln." Mit ihrer Aktion seien sie nur "nützliche IdiotInnen" der Homo-Gegner, so Krickler.
Bei Umfragen zur Nationalratswahl, die genau drei Wochen nach der Bundestagswahl stattfinden wird, deutet sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ an. Alle drei Parteien könnten derzeit ungefähr je ein Viertel der Stimmen auf sich vereinigen. Dazu kommen die Grünen, die laut Umfragen mit acht bis zwölf Prozent rechnen können, sowie die NEOS, die Meinungsforscher zwischen vier und sieben Prozent sehen – sie würden damit voraussichtlich die Vier-Prozent-Hürde überspringen. Das "Team Stronach" spielt keine Rolle mehr. (dk)