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Heute in Schwerin, bald in Berlin?
Meck-Pomm: SPD, CDU und AfD stimmen gegen Antrag zur Ehe-Öffnung
Die Linke forderte einen Einsatz des Landes für gleichgeschlechtliche Paare in der Bundespolitik – Union und AfD sorgen sich weiter um die "Keimzelle" des Volkes.

Teilnehmer des CSD in Schwerin mit dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im Hintergrund. Innendrin wurde es am Freitag nicht so sonnig. (Bild: CSD Schwerin / facebook)
- Von Norbert Blech
19. Mai 2017, 14:05h 5 Min.
Der Schweriner Landtag hat am Freitag einen eher symbolischen Antrag der Linken abgelehnt, sich auf Bundesebene für die in Deutschland weiter fehlende Ehe für alle einzusetzen. "Der Landtag fordert die Landesregierung auf, mit allen verfügbaren Mitteln darauf hinzuwirken, dass das Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts unverzüglich eingeführt wird", heißt es in dem Antrag (PDF), den sowohl die Fraktionen der Großen Koalition als auch die AfD ablehnten.
Der Linkenpolitiker Peter Ritter merkte in der Debatte an, es könne nicht angehen, dass sich der Staat anmaße, eine Gewichtung vorzunehmen: Für Homo-Paare gebe es die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte wie für Hetero-Paare.

Erst am Mittwoch hatte der Bundestag über Gesetzentwürfe von Linken, Grünen und Bundesrat zur Ehe für alle debattiert – allerdings nur darüber, dass diese im Rechtsausschuss von CDU und SPD immer wieder vertagt und so nicht zur Abschlussabstimmung gebracht werden kann (queer.de berichtete). Ritter kritisierte diesen "unhaltbaren Zustand" und merkte an, dass Mecklenburg-Vorpommern durch Enthaltung die Initiative des Bundesrats zur Ehe-Öffnung nicht unterstützt hatte.
Große Koalition im Land hinter großer Koalition im Bund
Die große Koalition im Bund habe sich darauf verständigt, die Ehe für alle nicht umzusetzen, leitete Landesjustizministerin Katy Hoffmeister (CDU) ihre Rede ein. Das sei "nichts Besonderes", da das Thema "noch Zeit" brauche. Eine Stellungnahme ihres Bundeslandes sei dazu "nicht erforderlich".

Letztlich gab Hoffmeister dann aber doch eine Stellungnahme ab: Das Grundgesetz erhalte eine "Wertentscheidung" für eine Ehe aus Mann und Frau, die eine Besserstellung erlaube von Familien mit Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Für eine Ehe-Öffnung sei folglich auch anders als bei den im Bund vorliegenden Gesetzentwürfen eine Grundgesetzänderung notwendig – der Bundestag sei sich dieser "Tragweite der Weichenstellung bewusst".
Die SPD-Abgeordnete Nadine Julitz beklagte in der Debatte einerseits den Antrag der Linken – alle Parteien wüssten, was Koalitionsverträge bedeuteten. Andererseits kritisierte sie die Haltung der Union im Bund, die "keine rationale Begründung" für die Ablehnung der Ehe für alle vorlege. Auch "komische Bauchgefühle" seien nicht rational, so Julitz in Richtung Kanzlerin, diese könnte man "beim Arzt behandeln". Natürlich setze man sich mit allen bestehenden Möglichkeiten für die Ehe für alle ein. "Ein Koalitionsbruch gehört aber nicht dazu", sagte die Sozialdemokratin.
AfD argumentiert völkisch
Die AfD sorgte in der Debatte durch einige Zwischenrufe für Unruhe, die aber in der Video-Übertragung kaum hörbar waren – nur einmal ließ sich vernehmen, dass ein Abgeordneter die Ablehnung der Ehe für alle damit begründete, dass "die Natur es so will".
Der vor zwei Jahren wegen Volksverhetzung verurteilte Holger Arppe betonte in seiner Rede, seine Fraktion stelle unter anderem mit ihm die einzigen offen homosexuellen Abgeordneten des Landtags. Bei der "Geisterdebatte" gehe es den Linken in Wirklichkeit um die "völlige Dekonstruktion" der Gesellschaftsordnung – das Ziel sei nicht Diskriminierungsabbau, sondern Machterhalt und Gelder für Gruppen, die "vermeintliches Unrecht" bekämpfen.
Immer mehr Homosexuelle unterstützten die AfD, so Arppe – diese setze sich, wie auch Jens Spahn von der CDU, gegen muslimische Migration ein, statt für "Absurdes" wie Unisex-Toiletten oder Homo-Ampelmännchen. Vielen Homosexuellen sei egal, ob ihre Verbindung Ehe oder Lebenspartnerschaft heiße, wenn sie in "Ballungsräumen mit hohem Migrantenanteil" Angst vor Überfällen haben müssten oder Muslime religiöse Gesetze über staatliche stellten.
Die klassische Familie und die Ehe dienten dem "Erhalt unseres Volkes", das nur durch Kinder Zukunft habe, so Arppe. Daher sei ein staatlicher Schutz bei homosexuelle Paaren nicht angebracht, die diese Funktion nicht erfüllen könnten. Letztlich sollten auch nur Familien mit Kindern Steuervorteile erhalten: Der Staat brauche "starke Familien" für die "Solidar- und Schicksalsgemeinschaft", deren Infragestellung zum "Niedergang" führe. Der "Kulturrelativismus" müsse ein Ende haben.
CDU: Christliche Ehe-Definition keine Diskriminierung
Nicht ganz so völkisch, aber auch nicht ganz so weit von der AfD entfernt argumentierte danach noch die CDU-Abgeordnete Maika Friemann-Jennert. Sie lobte zunächst, dass die Union für eine "moderne Familien- und Gesellschaftspolitik" stehe: Man erkenne Familienformen an, die anderswo noch kriminalisiert würden. Die Rechte von Homo-Paaren seien immer wieder gestärkt worden, auch durch Mitwirkung der Union.

Wenn es um "Wertenscheidungen" gehe, müsse man aber "Menschen mitnehmen", so Friemann-Jennert. Sie brachte das Kunststück fertig, eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur breiten Unterstützung der Bevölkerung für die Ehe für alle so umzudeuten, dass es "noch Vorbehalte" gebe, auf die man dann auch eingehen müsse – den selbst gestellten Zaunpfahl des Begriffs "Antidiskriminierung" bemerkte sie dabei nicht mal.
Die Abgeordnete zog aus dem von ihr zum Lob für bisheriges politisches Handeln vorgetragenen Fakt, dass die Bevölkerung bereits vom Heiraten spricht, auch nicht den naheliegenden Schluss, dass die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe absurd ist. Vielmehr sei es "richtig, dass die klassische, christliche Ehe aus Mann und Frau besteht", so Friemann-Jennert, und man müsse verstehen, dass die Ehe-Öffnung nicht von allen Menschen befürwortet werde: Es sei "unmöglich", dass diese "sofort in eine homophobe Ecke" gestellt würden.
Als "Fundament der Gesellschaft" und "Ausdruck christlicher Werte" sei die Ehe im Grundgesetz geschützt – die Verfassung müsse daher für die Öffnung der Ehe geändert werden, betonte die CDU-Politikerin – durch die dafür notwendigen Zweidrittelmehrheiten könnte die Union das Vorhaben so freilich noch Jahrzehnte blockieren. Friemann-Jennert beendete ihre Rede mit einem Zitat ausgerechnet aus der Bibel: "Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde." Heute sei nicht die Zeit, dem Antrag der Linken zuzustimmen.















CDU: "... da das Thema noch Zeit brauche ..."
Wann war noch mal genau der Sanktnimmerleinstag?