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Parteitagsbeschluss
Berlin: SPD fordert kostenlose PrEP
Männer mit häufig wechselnden Sexualpartnern sollten von Krankenkassen Pillen zum Schutz vor HIV erhalten, so die Forderung der Sozialdemokraten. Auf diese Art könne HIV endlich besiegt werden.
- 22. Mai 2017, 10:24h 3 Min.
Die Berliner SPD hat auf ihrem Landesparteitag am Samstag als erste Partei beschlossen, dass Krankenkassen künftig die Präexpositions-Prophylaxe (PrEP) kostenlos an schwule und bisexuelle Männer mit wechselnden Sexualpartnern abgeben sollten. "Die Kosten einer PrEP müssen zumindest für die Risikogruppen, analog zu den Leitlinien von UNAIDS und der WHO (bspw. Männer, die häufig wechselnde männliche Sexualpartner haben), in Deutschland übernommen werden", heißt es in dem Beschluss.
"Der Antrag ist das Ergebnis von Gesprächen mit der Community und unterstützt Berlins Engagement als Fast Track City. Nun muss auch die Bundesebene aktiv werden", erklärte Markus Pauzenberger, der Berliner Chef von der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer, die den Antrag zur PrEP-Finanzierung auf dem Parteitag gestellt hatte.
Berlin war vergangenes Jahr der Initiative "Fast Track Cities Initiative to End Aids" beigetreten, einem weltweiten Zusammenschluss von Städten zum lösungsorientierten Umgang mit Aids. Ziel ist es, die Aids-Epidemie bis 2030 zu beenden.
PrEP seit letztem Jahr in Deutschland zugelassen
Aids-Aktivisten werben bereits seit längerem für die Einführung von Medikamenten wie Truvada als vorbeugenden Schutz für HIV-Negative. Erst im vergangenen Jahr hatte die Europäischen Kommission die PrEP zugelassen (queer.de berichtete). Täglich korrekt eingenommen, kann die Pille eine HIV-Infektion Studien zufolge mit fast 100-prozentiger Sicherheit verhindern. Sie wird deshalb als Ergänzung zu bestehenden Präventionsstrategien, etwa Kondomen, empfohlen.
Gleichzeitig ist die PrEP ein Politikum, weil eine Anwendung derzeit rund 800 Euro pro Monat kostet – einige Politiker beklagen die Kosten für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten, Aktivisten kritisieren zugleich, dass Safer Sex nicht nur etwas für Reiche sein dürfe. Der Patentschutz für Truvada läuft allerdings vermutlich im Sommer ab, was zu günstigeren Generika und einfacheren Entscheidungen führen kann. Im Berliner Antrag werden die Hersteller von PrEP-Medikamenten aufgefordert, "die Preise den Herstellungskosten anzugleichen, die nur einen Bruchteil des aktuellen Verkaufspreises betragen".
In den USA ist Truvada bereits seit 2012 als PrEP zugelassen – und gilt dort als Erfolgsgeschichte. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC sprach 2015 die Empfehlung aus, dass rund ein Viertel der sexuell aktiven schwulen und bisexuellen Männer, die HIV-negativ sind, die Pille einnehmen sollte (queer.de berichtete). Seit der Einführung sind die Neudiagnosen in den USA kontinuierlich gesunken.
Zuletzt hatten Norwegen und Belgien angekündigt, PrEP kostenlos an Menschen abzugeben, die ein hohes Risiko einer Infektion haben. In Großbritannien, das seit Jahrzehnten ein chronisch unterfinanziertes und ineffektives Gesundheitssystem betreibt, löste die Finanzierungsfrage allerdings einen Streit aus, der homophobe Reflexe in der Öffentlichkeit bediente: So drohte der staatliche Gesundheitsdienst (NHS) damit, bei einer PrEP-Zulassung andere Medikamente oder Behandlungen nicht mehr zu bezahlen; dazu gehörten Medikamente für Kinder mit Mukoviszidose oder die Behandlung seltener Arten von Krebs (queer.de berichtete). Die Drohung führte in Boulevardmedien zu einer Kampagne gegen PrEP. Die konservative "Daily Mail" nannte die Pille etwa ein "Lifestyle-Medikament" oder eine "Pille für häufigen Partnerwechsel". (dk)
Links zum Thema:
» PrEP-Antrag
















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