Symbolbild: Noch immer kann ein öffentlicher Kuss eines schwulen Paares auch im Nachtleben zu Diskriminierung oder Gewalt führen (Bild: davitydave / flickr)
Ein Wirt einer Gaststätte in der Osnabrücker Johannisstraße soll kürzlich vier Schwule aus seinem Lokal geworfen haben, nachdem sich zwei von ihnen küssten. Das berichtet die "Neue Osnabrücker Zeitung".
Entsprechende Vorwürfe machten die Männer, die anonym bleiben wollten, demnach zunächst in einer geschlossenen Facebook-Gruppe zu lokalen Themen und dann auf Nachfrage gegenüber der Zeitung. Der Vorfall habe sich in der Nacht zum Samstag, den 20. Mai, gegen 3.30 Uhr ereignet. Vor der Tür habe man sich dann noch gegenseitig beleidigt, dabei sei auf Seiten der Gäste auch Alkohol im Spiel gewesen.
Der NOZ habe der Wirt bestätigt, die Männer nach dem Kuss rausgeworfen zu haben. "Was die in ihrem Leben machen, ist mir scheißegal, aber nicht in meinem Laden", zitiert ihn die Zeitung aus einem Gespräch mit ihm. Der rausgeworfene Gast sei als Schwuler "kein normaler Mensch" und mit Schwulen wolle der Wirt nichts zu tun haben. Sie dürften zwar zu ihn kommen, so der Kneipier, der sich auf sein Hausrecht beruft, weiter. "Aber dann sollen sie sich benehmen und nicht knutschen".
Offene Fragen ohne Klärung
Während sich auf Facebook am Mittwoch erste Empörung über den Vorfall erregte, gibt es aber auch offene Fragen zu der Meldung. So behauptete einer der schwulen Männer gegenüber der NOZ, der Wirt habe sie vor der Tür auch beleidigt und mit einem Schlagstock angegriffen. Eine Anzeige bei der Polizei wurde allerdings nicht gestellt, womit es wohl keine Aufklärung des Falls geben wird. Und der Wirt streitet diesen Angriff ab.
Eine lokale Internetzeitung, Hasepost, stellt den Vorgang insgesamt anders dar: Demnach habe der Wirt die Männer rausgeworfen, "weil einer aus der Gruppe alkoholbedingte Ausfallerscheinungen an den Tag legte". Die Männer zogen zu einer anderen Kneipe mit einem schwulen Besitzer, der wiederum den Vorfall erst jetzt in der geschlossenen Facebook-Gruppe publik machte – eine Gruppe mit rund 3.200 Mitgliedern, die er selbst betreibt und in der er – und nicht die Betroffenen – damit gedroht haben soll, die Lokalzeitung zu informieren.
Die Internet-Zeitung nutzt das, um zu spekulieren, ob dieser Wirt "einen Mitbewerber diskreditieren wollte", und beklagt, aus einer Mücke werde ein Elefant gemacht. Die Zeitung spekuliert und kommentiert allerdings recht viel, redet dabei mögliche Homophobie klein und landet fast selbst in der Falle, als sie über die möglichen Diskriminierungsopfer und den Betreiber der Facebook-Gruppe schreibt: "Da einige Mitglieder dieser Gruppe die gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung mit [dem] Gastwirt teilen, fühlte dieser sich wohl aufgerufen, Partei zu ergreifen". Wäre das nur legitim, wenn der zweite Wirt heterosexuell wäre? Sollte niemand Partei ergreifen dürfen?
Die NOZ jedenfalls steht zu ihrer Meldung und den Zitaten des rauswerfenden Wirtes. Den Namen der betroffenen Kneipe veröffentlichten beide Medien bislang nicht. Der schwule Gast, mit dem die NOZ sprach, betonte, man habe den Fall mit dem Wirt geklärt: Man gehe sich künftig aus dem Weg und lasse sich in Ruhe.
Lüders: Rauswurf aus Homophobie ist Gesetzesverstoß
Während Beleidungen und Angriffe mit Schlagstöcken ein Straftatbestand sind, ist es der Rauswurf zunächst nicht. Nach Auffassung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes handelt es sich aber um einen klaren Fall von gesetzeswidriger Diskriminierung, der zivilrechtlich geandet werden könne.
"Wer Menschen ausgrenzt und benachteiligt, nur weil sie schwul oder lesbisch sind, der verstößt gegen das Gesetz", sagte die Leiterin der Stelle, Christine Lüders, der NOZ. "Niemand in unserem Land darf aus der Kneipe oder aus der Disco geworfen werden, nur weil er einen anderen Menschen geküsst hat. Betroffene sollten dagegen vorgehen." Die Stelle, die den Bericht der Zeitung inzwischen als Beispiel für Diskriminierung auf Facebook postete, biete zu solchen Klagen auf Entschädigung eine kostenlose juristische Beratung.

Der Fall aus Osnabrück weckt Erinnerungen an die Proteste gegen die Eisdiele "Dolce Freddo" im Jahr 2009 in Berlin: Nachdem der Betreiber des mitten im Nollendorfkiezes gelegenen Betriebs mehrfach schwule und lesbische Gäste nach Küssen beleidigt haben soll, demonstrierten über 2.000 Menschen vor dem Laden (queer.de berichtete). (cw)
Dieser Rauswurf erfüllt m.E. den Tatbestand der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz AGG, denn einem Heteropaar wäre das gewiß nicht passiert. Hinzu kommt, dass sich der Gastwirt mit seiner öffentlichen Äußerung, ein Schwuler sei «kein normaler Mensch» eindeutig als homophob zu erkennen gegeben hat.
Ich würde jedenfalls das Angebot einer rechtlichen Beratung durch die ADS in Anspruch nehmen, die sicherlich auch versierte Anwälte zur Hand hat. Eine Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld bei gleichzeitiger Information der Öffentlichkeit wäre in jedem Falle sinnvoll, schon aus Gründen der 'Generalprävention' (wer nicht hören will, soll zahlen).