Marija Sacharowa ist Trägerin der Auszeichnung "Für Transparenz in der Presse" der Moskauer Journalistenunion sowie des "Ordens der Freundschaft".
Eigentlich haben wir es in Deutschland ja ganz gut mit Regierungssprecher Steffen Seibert, der auf Pressekonferenzen zwar mal über den rosa Pulli eines Journalisten lästert oder zunehmend entnervt auf die immer gleichen Fragen des gleichen Journalisten zur fehlenden Ehe-Öffnung reagiert (die der gute Tilo Jung zu Recht stellt und mal wieder stellen könnte).
Nicht nur für Minderheiten, sondern auch für Journalisten wurde die Welt zuletzt ja selbst in Demokratien rauer: Donald Trump und sein Sprecher Sean Spicer haben neue, geradezu volksverhetzende und einschüchternde wie zugleich absurde Tiefpunkte gesetzt. Doch nun macht ihnen ein Auftritt in Russland Konkurrenz, der selbst dort für einige Schockwellen gesorgt hat – und das ausgerechnet zum sensiblen Thema der Verschleppung und Tötung schwuler Männer durch Sicherheitskräfte in Tschetschenien.
Wortwechsel mit finnischem Journalisten
Auftritt Marija Wladimirowna Sacharowa, Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, am Mittwoch in Moskau. Der finnische Journalist Erkka Mikkonen wollte wissen, ob das Ministerium mit der Sicht der tschetschenischen Behörden übereinstimme, dass es in der autonomen Republik keine Schwulen gebe, und wie die Situation die Beziehung zwischen Russland und der EU beeinflusse.
Marija Sacharowa reagierte zunächst mit einer satirischen Einlage, in der sie den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow direkt bat, dem Journalisten eine Reise in sein Land zu organiseren. Das sei schließlich kein Thema für die Sprecherin des Außenministeriums. "Ich denke, ich habe alles getan, was ich konnte." Warum müsse man dieses Thema "politisieren", fragte sie noch allen Ernstes.
Der Wortwechsel zwischen Sacharowa und dem engagierten Journalisten, der für den finnischen Staatssender YLE u.a. Betroffene der Schwulenverfolgung interviewt hatte, ging dann noch einige Minuten so weiter: Sacharowa zeigte ein bewusst provokantes Desinteresse an dem Thema. In sozialen Netzwerken wurde ihr Auftritt auch als drohend bewertet: "Wir werden Sie nach Tschetschenien schicken", sagte sie schließlich, sie meine das ernst. Fehlte eigentlich nur noch die abschließende Frage, ob Mikkonen schon die Koffer gepackt habe.
Am Tag zuvor hatte bereits Außenminister Sergei Lawrow die Berichte zu Tschetschenien als Mutmaßungen zurückgewiesen und betont, er habe bislang "keinen einzigen konkreten Fakt" präsentiert bekommen. Die Stellungnahme überraschte, weil Präsident Putin – auch nach den persönlichen Ansprachen durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron – nach einer anfänglichen Was-hab-ich-damit-zu-tun-Attitüde, wie sie Sacharowa zeigte, inzwischen vorsichtiger agiert. Die russische Staatsanwaltschaft führt zu dem Thema derzeit gründliche Vorermittlungen durch – trotz jahrelanger schwerer Menschenrechtsverletzungen könnte es damit zum ersten Mal dem Kadyrow-Regime an den Kragen gehen (queer.de berichtete).
Kadyrow bietet Journalisten "Einladung" an
Kadyrow hatte sich am Dienstag dennoch frei genug gefühlt, sich über Merkel und Macron lustig zu machen, indem er sie zur "Suche nach Wahrheit" nach Grosny einlud – die Verschleppungswelle stritt er damit weiter ab (queer.de berichtete). Am Donnerstag machte er sich weiter lustig, indem er auch Erkka Mikkonen einlud: Er wundere sich zwar über das Interesse der internationalen Journalisten, es gebe ja auch Themen wie Klimawandel oder den Nahen Osten. Aber in seiner Republik sei jeder Tag ein "Tag der offenen Tür".
Mikkonen und sein Sender haben bereits angekündigt, der "Einladung" nicht nachzukommen: Er werde keine Aufklärung bringen, könne aber die Sicherheit des Journalisten und der Betroffenen vor Ort gefährden. Die Äußerungen Kadyrows und der Pressesprecherin des russischen Außenministeriums sind schließlich auch deswegen so pikant und zynisch, weil aus Grosny vor allem Anfang April klare Drohungen gegen die Journalistinnen der Zeitung "Novaya Gazeta" kamen, die die Verschleppungswelle aufgedeckt hatten: In der Achmat-Kadyrow-Moschee hatten hunderte Vertreter des Staates und der Religion in einer Resolution eine "Vergeltung" für die Berichte gefordert (queer.de berichtete). Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" forderte danach besorgt die russischen Behörden auf, die Sicherheit der Redaktion zu garantieren (queer.de berichtete) – immerhin wurden in den letzten Jahren die früheren Mitarbeiterinnen Anna Politkowskaja und Natalja Estemirowa ermordet.
Wladimir Putin und die gesamte russische Politik und Justiz hatten bislang meistens über Berichte zu Menschenrechtsverletzungen durch seinen "Statthalter" in Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, hinweggesehen. Unter internationalen Druck könnte sich das gerade ändern
Das war in den ersten Tagen der Tschetschenien-Krise, als die Kadyrow-Regierung Meldungen zu den Verschleppungen noch damit dementierte, in der Republik gebe es keine Schwulen – und als die regionale Menschenrechtsbeauftragte Heda Saratow den Gedanken als Drohung ausdrückte: "Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch in Tschetschenien, der Traditionen und sich selbst achtet, alles tun wird, damit wir keine solche Menschen (LGBT) haben."
Inzwischen hat sich Kadyrow über "Hate Speech" besorgt gezeigt: Laut "Meduza" forderte er am Donnerstag ein Gericht in Grosny auf, für Internetsperren für Webseiten zu sorgen, die durch die Weitergabe von Bildern des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" die religiösen Gefühle der Bevölkerung verletzten und damit Volksverhetzung betrieben.
Das Satiremagazin hatte Kadyrow u.a. mit einem Schwanz im Mund gezeigt.
Ein Wort in eigener Sache
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per
Paypal oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken.
Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.
Jetzt queer.de unterstützen!
Alte, leider wiederbelebte russische Tradition.
Vielleicht ist das ja der Grund, dass Stoiber, Gauland und Wagenknecht so gerne mit Pogrom-Putin knutschen.
www.zeit.de/politik/ausland/2017-01/nato-sahra-wagenknecht-d
onald-trump-russland-sicherheitspolitik
www.tagesspiegel.de/politik/wolfgang-gehrcke-und-andrej-hunk
o-in-der-ostukraine-linken-abgeordnete-auf-abenteuertour-im-
kriegsgebiet/11400156.html