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"Diskriminierungen sind beseitigt worden"
Bauchgefühl auf Österreichisch: Kurz gegen Ehe für alle
Der ÖVP-Kanzlerkandidat behauptet, das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben sei keine Diskriminierung.

Kanzlerkandidat Sebastian Kurz will daran festhalten, dass nur heterosexuelle Paare heiraten dürfen (Bild: Screenshot ORF)
8. Juni 2017, 11:21h 3 Min. Von
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, der Kanzlerkandidat der christsozialen Volkspartei (ÖVP), hat sich im ORF-Nachrichtenmagazin ZIB2 am Mittwochabend gegen die Ehe für alle ausgesprochen. Mit der eingetragenen Partnerschaft seien Diskriminierungen beseitigt, so Kurz. Er nannte allerdings keinen Grund, der gegen eine Gleichbehandlung spricht.
"Wir haben immer gesagt, wir wollen das derzeitige Regierungsprogramm abarbeiten. Da ist dieser Vorschlag nicht enthalten. In den letzten Jahren hat sich bei dem Thema Gott sei Dank sehr viel getan", so der 30-Jährige auf eine Frage von Moderator Armin Wolf zum Anliegen des Koalitionspartners SPÖ, die Ehe noch vor der Nationalratswahl im Oktober öffnen zu wollen.
"Es gibt mittlerweile die Möglichkeit zur Verpartnerung. Es gibt die Möglichkeit für homosexuelle Paare, Kinder zu adoptieren. Also, Diskriminierungen sind beseitigt worden", behauptete Kurz. "Das halte ich persönlich für richtig und gut. Und ich stehe auch zu all diesen Schritten, die gesetzt wurden. Aber ich glaube, dass die derzeitige Regelung eine ist, die durchaus solide ist."
Die Große Koalition regiert in Österreich seit 2007 unter Führung der SPÖ. In den letzten Monaten haben sich die Partner allerdings vollkommen zerstritten, so dass Neuwahlen für den 15. Oktober ausgerufen wurden.
SPÖ-Politiker haben bereits angekündigt, die Ehe öffnen zu wollen, allerdings gibt es dafür derzeit im Nationalrat keine Mehrheit. Für die Gleichbehandlung sprechen sich SPÖ, Grüne und die kleine linksliberale Partei NEOS aus, mehrheitlich dagegen sind ÖVP sowie die Rechtspopulisten von FPÖ und "Team Stronach". Die Grünen hatten vor wenigen Wochen einen Anlauf gestartet, um über die Ehe für alle im Nationalrat abzustimmen. Das führte aber zu Kritik der LGBTI-Organisation Homosexuelle Initiative Wien, die den Grünen eine "dilletantische" Vorgehensweise vorwarf und erklärte, dass vor einer Abstimmung mindestens acht Abgeordnete des konservativen oder rechten Lagers überzeugt werden müssten (queer.de berichtete).

Dass Kurz gegen die Ehe für alle ist, ist dem ORF-Früchstücksfernsehen eine Topmeldung wert – noch vor der Wahl in Großbritannien und Raketentests im Nordkorea (Bild: Screenshot ORF)
In Interviews setzten sich Politiker der LGBTI-freundlichen Parteien zuletzt vermehrt für die Ehe-Öffnung ein. So erklärte SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern vergangene Woche im "Standard", dass er sich bei der Ehe-Öffnung vorstellen könne, gemeinsam mit der Opposition gegen den Koalitionspartner zu stimmen. "Diese Maßnahme kostet nichts, das bringt sogar Gebühren am Standesamt", so Kern.
"Auch Jesus hätte mit Ja gestimmt"
NEOS-Chef Matthias Strolz bemüht im tiefkatholischen Land sogar den Gottessohn in der Debatte um die Ehe für alle: "Ich bin überzeugt: Auch Jesus hätte mit Ja gestimmt. Das sage ich aus einer christlichen Grundhaltung heraus", so Strolz gegenüber der "Tiroler Tageszeitung".
Die eingetragene Partnerschaft hat in Österreich einen ähnlichen Weg wie in Deutschland genommen: Eingeführt am 1. Januar 2010, also achteinhalb Jahre nach Deutschland, enthielt sie zunächst alle Pflichten einer heterosexuellen Ehe, aber nur begrenzte Rechte. Dies wandelte sich über die Jahre – wie in Deutschland war dabei der Verfassungsgerichtshof die treibende Kraft.
So stellte das Gericht verpartnerte Paare sogar beim Adoptionsrecht gleich, das in Deutschland noch eingeschränkt ist (queer.de berichtete). Zuletzt beendete die Große Koalition vergangenes Jahr auf Druck der SPÖ die letzte große Ungleichbehandlung im Vergleich zur Ehe und öffnete das Standesamt für verpartnerungswillige Paare (queer.de berichtete). Davor hatten Schwule und Lesben ihr Ja-Wort in Bezirksverwaltungsbehörden geben müssen, die normalerweise damit beschäftigt sind, Gewerbebewilligungen zu erteilen oder Führerscheine auszugeben.
Umfragen zufolge liefern sich ÖVP, SPÖ und FPÖ ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach der Ausrufung des in der Bevölkerung populären Sebastian Kurz als Kanzlerkandidat konnte sich die Volkspartei ein wenig absetzen. Einer neuen Regierung könnte auch die rechtspopulistische FPÖ angehören, die extrem LGBTI-feindlich eingestellt ist. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verklagte erst letztes Jahr erfolglos den ORF, weil er in einer Satire als schwul bezeichnet wurde (queer.de berichtete). Der Rechtsaußen hatte in der Vergangenheit Homosexualität als "Krankheit" bezeichnet (queer.de berichtete).
"Diskriminierungen sind beseitigt worden." – ÖVP-Chef Kurz spricht sich gegen die Ehe für Homosexuelle aus. Die Mö…
Posted by Zeit im Bild on Donnerstag, 8. Juni 2017
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