Martin Schulz am Sonntagmittag während seiner Rede auf dem Parteitag in der Dortmunder Westfalenhalle
Zu Update springen: Ehe für alle in Wahlprogramm nicht Koalitionsbedingung (17:27h)
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat sich am Sonntag beim Bundesparteitag in Dortmund erstmals zur Ehe für alle als Bedingung für eine zukünftige Koalition bekannt. "Familie, die wir stärken wollen, das ist nicht nur Vater, Mutter, Kind", leitete der Parteivorsitzende eine entsprechende Passage in seiner Rede ein.
"Familie, das ist da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Und dazu gehören alle Lebensformen, für die Menschen sich entscheiden. Dazu gehören auch homosexuelle Paare", so Schulz. "Und deshalb eine klare Ansage an alle: Wir werden die Ehe für alle in der nächsten Regierung durchsetzen. Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist", sagte er unter großem Applaus.
Schulz hatte in seinen Reden seit der Ernennung zum Kanzlerkandidaten im Frühjahr das Thema Ehe-Öffnung nicht immer angesprochen und wenn, dann bisher lediglich mit der Stärke der SPD verknüpft: "Mit mir als Kanzler wird es die Ehe für alle geben", sagte er etwa vor zwei Wochen bei einem Landesparteitag (queer.de berichtete).
Der Druck auf die SPD in der Frage hatte zugenommen, weil sie in der bisherigen Koalition mit der Union deren Blockade der Ehe für alle mitträgt, trotz eines Gleichstellungsversprechens vor der letzten Bundestagswahl. Erst am Mittwoch hatte der Rechtsausschuss des Bundestags Gesetzentwürfe von Opposition und Bundesrat zur Ehe für alle mit den Stimmen der Regierungsparteien erneut vertagt (queer.de berichtete).
Am Samstag hatte bereits Bundesjustizminister und SPD-Vorstand Heiko Maas gegenüber der dpa gesagt: "Die SPD wird keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist" (queer.de berichtete). Auch hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in einem Interview betont: "Egal in welcher Koalition: Wenn die SPD in der nächsten Regierung sein wird, setzen wir die Ehe für alle innerhalb der ersten 100 Tage um" (queer.de berichtete).
Versprechen bislang nicht schriftlich
Bei dem Parteitag will die SPD ihr Wahlprogramm beschließen, das 72-seitige Papier mit dem Titel "Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit!" (PDF) enthält u.a. die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes, einen Ausbau der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und eine (bereits im Koalitionsvertrag mit der Union versprochene und nicht umgesetzte) Reform des Transsexuellengesetzes (queer.de berichtete).
Die Jusos-Vorsitzende Johanna Ueckermann beklagte am Sonntag in ihrer direkt vor Martin Schulz platzierten Rede, sie habe es "satt, dass Angela Merkels Bauchgefühl mehr zählt als was eigentlich gerecht ist". Auch ansonsten habe ihre Generation genug von Merkel.
Zur Ehe für alle heißt es: "Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein." Die Forderung ist allerdings schon seit Jahren Beschlusslage der Partei und fand sich bereits vor vier Jahren im Wahlprogramm: "Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften öffnen und diese damit auch im Adoptionsrecht und im Steuerrecht gleichstellen."
Die Arbeitsgemeinschaft SPDqueer hatte daher zum Wahl-Parteitag in diesem Jahr einen zusätzlichen Antrag eingebracht, um die Ehe für alle verbindlich zu machen: "Wir fordern, dass ein zukünftiger Koalitionsvertrag im Falle einer Regierungsbeteiligung der SPD nicht mehr ohne die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und dadurch auch dem gleichberechtigten Volladoptionsrecht abgeschlossen wird", heißt es darin. Die Antragskommission setzte den Antrag allerdings ans Ende des Antragsbuches (PDF) und empfahl Nichtbefassung (queer.de berichtete). Die Abstimmung erfolgt am Nachmittag.
Beck fordert Ehe für alle jetzt
Als erste Partei hatten die Grünen am vergangenen Wochenende beschlossen, sich ohne die Ehe für alle an keiner Bundesregierung zu beteiligen (queer.de berichtete). Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sprach sich am Samstag gegenüber der "WAZ" ebenfalls für eine solche Koalitionsbedingung aus (queer.de berichtete).
"Herr Schulz sollte jetzt handeln statt es mit neuen Versprechen zu versuchen", kommentierte der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck am Sonntag die Rede des SPD-Kanzlerkandidaten. "Wer soll der SPD nach ihrem 2013-er-Versprechen '100 % Gleichstellung – nur mit uns!' ihre neuerlichen Versprechnungen bei der Ehe noch glauben?" Die SPD solle die Ehe noch in der nächsten Woche im Bundestag durchsetzen: "Am Mittwoch ist die letzte Chance dafür im Rechtsausschuss." (nb)
Update 17.28h: Ehe für alle nicht als Koalitionsfrage in Wahlprogramm
Der SPD-Parteitag hat am Sonntagnachmittag das Wahlprogramm zur Bundestagswahl beschlossen, das auch die Forderung nach einer Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare umfasst. Der Antrag von SPDqueer, der die Ehe für alle als klare Bedingung für einen Koalitionsvertrag fordert, wurde hingegen vom Parteitag an den Parteivorstand überwiesen. Die Delegierten folgten damit einer geänderten Empfehlung der Antragskommission, die ursprünglich eine "Nichtbefassung" angeraten hatte.
Damit kann der Parteivorstand über das weitere Schicksal des Antrags und seines Inhalts frei entscheiden. Die SPDqueer wertet den Beschluss als Erfolg: Man sehe den Antrag im Vorstand "in guten Händen", heißt es in einer Pressemitteilung der Bundesvorsitzenden Petra Nowacki. "Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird in eine Reihe von Bedingungen eingearbeitet werden, die für eine Regierungsbeteiligung der SPD unabdingbar sind." Eine solche Bedingung erhalte durch die Vorlage "denselben Status wie ein Parteitagsbeschluss."
Insgesamt zeigte sich die SPDqueer "stolz und glücklich, dass die SPD klare Kante zeigt. Daher freuen wir uns auf einen Wahlkampf mit und für unseren Kanzlerkandidaten Martin Schulz." Nach dessen Rede auch als Parteivorsitzender sei "klar, dass die SPD in keine Koalition eintreten wird, die die Öffnung der Ehe nicht umsetzt (…) Noch einmal wird die SPD hier nicht nachgeben."
Die SPD verwundert mich sowieso schon seit einiger Zeit. Beschweren sich über Dinge, die man entweder selbst auf den Weg gebracht hat (Agenda 2010, Steuersekungen für Reiche), oder die man schon seit Jahren hätte ändern können.