
https://queer.de/?29148
Kommentar
Und plötzlich können wir heiraten...
Niemand hat damit gerechnet, dass die Ehe für alle dann doch so schnell kommen wird. Der hektische Showdown ist ein großer Erfolg der LGBTI-Bewegung – und es gibt nur Gewinner, kommentiert Micha Schulze.

Guillaume Paumier / flickr) Dieses Jahr gibt es wohl einen ganz besonderen Grund zum Feiern: schwules Paar auf dem CSD (Bild:
- 27. Juni 2017, 18:41h 2 Min.
Was für eine bewegte Zeit! Der Beschluss der Grünen, ohne Ehe-Öffnung im Bund nicht mitregieren zu wollen, hat immer neue Dominosteine zum Einsturz gebracht – selbst die, die Volker Beck gar nicht aufgestellt hat. Hätte jemand vor ein paar Tagen prophezeit, dass CDU und CSU die Abstimmung im Bundestag freigeben, er wäre wohl für verrückt erklärt worden.
Vermutlich noch in dieser Woche wird also die Ehe für alle in Deutschland beschlossen – ein Vierteljahrhundert nach der "Aktion Standesamt" und vier Jahre nach dem "100% Gleichstellung nur mit uns"-Versprechen der SPD. So überraschend, so absurd und leider auch so scheinheilig hat kein anderes der 22 Länder die Ehe für lesbische und schwule Paare geöffnet.
Lesben und Schwule sind in Deutschland eine Macht
Die sich überschlagenden Ereignisse sind ein großer Erfolg der LGBTI-Bewegung. Ohne den jahrelangen Kampf von Initiativen, Verbänden, Medien und Promis, ohne die Hunderttausenden Menschen, die jedes Jahr an CSD-Demonstrationen teilnehmen, ohne das Nachhaken von SPDqueer und LSU hätten die Regierungsparteien ihre Blockade fortgesetzt. Lesben und Schwule sind in Deutschland eine Macht!
Gewonnen haben jedoch alle: Die Grünen, die die Politlawine ausgelöst haben. Die SPD, die nach vier Jahren in der Großen Koalition unter Martin Schulz endlich ihren Mut zurückgefunden hat. Die Linke und die FDP, die seit Jahren die Ehe für alle fordern. Auch Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die sehr geschickt ein für sie unangenehmes Thema abgeräumt hat.
Gewonnen hat die Demokratie, weil nun frei abgestimmt werden kann. Gewonnen haben die Menschenrechte, weil homo-, bi- und heterosexuelle Bürger bald gleichbehandelt werden. Gewonnen hat die Liebe.
Die großen Verlierer sind die Erzhomophoben in der Union, das sind die AfD und die Demo für alle. Wir stehen vor einem historischen Sieg, den wir ordentlich feiern müssen, auf den wir uns jedoch nicht ausruhen dürfen. Auch in der nächsten Legislaturperiode gibt es noch genug zu tun – angefangen von der überfälligen Reform des Transsexuellenrechts über wirksamere Antidiskriminierungsmaßnahmen bis zu einem Nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie, der diesen Namen verdient.

Mehr zum Thema:
» Ehe für alle: CDU und CSU heben Fraktionszwang auf (27.06.2017)
» Ehe für alle: SPD kündigt Bundestags-Abstimmung noch in dieser Woche an (27.06.2017)
» Ehe für alle: Merkel kann sich plötzlich eine freie Abstimmung vorstellen (26.06.2017)
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken. Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.