Gegner der Ehe-Öffnung für schwule und lesbische Paare sowie von LGBTI-Rechten allgemein haben am Dienstag zunächst überrascht bis resigniert auf die Entwicklungen der letzten 24 Stunden reagiert, die ein Ja-Wort des Bundestags zur Ehe für alle noch in dieser Woche wahrscheinlich werden lassen. Nur die AfD spürt Auftrieb für den Wahlkampf. Die folgende Zusammenstellung spart aktuelle CDU-Politiker aus, die Gegenstand der regulären Berichterstattung sind und werden, und ist sicher nicht das letzte Wort in der Sache.
Die im Januar aus der CDU ausgetretene Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, die nun voraussichtlich in ihrer letzten Sitzung im Parlament die Ehe-Öffnung erleben muss, sprach auf Facebook am Dienstag zunächst von "diktatorischen Alleingängen" der Bundeskanzlerin, um dann auf das Parteiprogramm der CDU zu verweisen, dass die Ehe für alle noch ablehnt.

Gegenüber der "Jungen Freiheit" sagte Steinbach am Abend, sie werde gegen die Ehe-Öffnung stimmen. Merkel sei von "Prinzipienlosigkeit" geprägt.
Die bereits im letzten Dezember aus der CDU ausgetretene Organisatorin der "Demo für alle", Hedwig von Beverfoerde, fasste ihr Entsetzen über Merkels "Brigitte"-Auftritt auf Facebook kurz zusammen:

Die Facebook-Seite der "Demo für alle" verlinkte hingegen eine Karikatur, wonach die Ehe für alle u.a. auch zur muslimischen Vielehe oder zur Heirat einer Frau mit ihrem Kanarienvogel führen würde, und verwies auf eine zwei Jahre alte Petition der Bewegung "Ehe bleibt Ehe!": "Das Wesen der Ehe als Lebensbund zwischen Mann und Frau ist nicht von menschlichen Gesetzgebern erfunden, sondern vorstaatlich und kann weder von Parlamenten noch vom Zeitgeist verändert werden", heißt es darin. Die Petition ist irgendwann bei rund 45.000 Unterschriften stehen geblieben.

Die Karikatur stammt von der Kampagne "Gender mich nicht" der rechten "Jungen Freiheit". Die kommentierte auf Facebook zu Merkels Äußerung vom Montag: "Einer 'Homo-Groko' steht nichts im Wege. Die für unser Buntland zentrale Frage jeglicher Koalitionsgespräche ist damit schon vor der Wahl geklärt. An alle, die immer noch mit CDU, CSU und FDP liebäugeln: Vergessen Sie's!"
Die Karikatur von DfA/JF enthielt auch ein Zitat von Birgit Kelle, derzeit noch Mitglied der CDU: "Wer einmal glaubt, Ehe umdefinieren zu können, der wird es auch ein zweites und ein drittes und ein viertes Mal tun." Die fundamentalistische Autorin twitterte am Dienstag zudem: "Wenn der Brigitte-Talk mit Kanzlerin Parteitagsbeschlüsse der @CDU sticht. Demnächst dann Grundgesetzänderung bei der Möbelhaus-Eröffnung."

Von der Autorin von "Gender-Gaga" wird man sicher noch mehr zum Thema hören. Ihr Ehemann Klaus kritisierte in seinem Blog "Denken erwünscht": "Es ist nach Doppelpass und Homoehe eindeutig, dass Frau Merkel sich keinen Deut darum schert, was ihre Partei denkt. Und noch viel weniger, was ihre Wähler wünschen." Auch zitierte er aus einer "anonymen Zuschrift": "Diese Frau zerstört eine funktionierende Gesellschaft und die sie tragenden Familien." Focus Online hat den Kommentar eingekürzt übernommen.
Mathias von Gersdorff von der Deutschen Vereinigung für eine christliche Kultur und der Aktion "Kinder in Gefahr", ein Bündnispartner der "Demo für alle", schrieb in seinem Blog, die Ehe für alle entspreche "nicht dem christlichen Menschenbild, sondern folgt einer neomarxistischen, dekonstruktivistischen und poststrukturalistischen Pseudo-Moral die sowohl Individuum und Staat vergöttert und dazwischen liegende Institutionen, wie eben die natürliche, traditionelle Familie, missachtet." Es sei "verblüffend, dass sich C-Politiker an einer solchen antichristlichen Weltanschauung orientieren."
Feldtag für die AfD
Die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch zeigte sich wenig überrascht von Merkels "Handstreich": "Es ist die Lebensleistung der Frau Merkel, daß sie den rechten Flügel der ehemals konservativen CDU fast widerstandslos ausradiert hat", sagte sie der "Jungen Freiheit".
Die AfD betrieb am Dienstag natürlich auch die größte Stimmungsmache in sozialen Netzwerken (mit entsprechenden Hetzkommentaren). Frauke Petry betonte, mit der AfD gebe es nach dem "Handstreich" Merkels "sehr wohl noch eine Partei, die die Werte traditioneller Familien und damit der Ehe hochhält. Wir halten es mit dem Alten Fritz: 'Jeder soll nach seiner Façon selig werden' – das unter anderem macht das Wesen einer freien Gesellschaft aus. Aber die Ehe ist eine grundgesetzlich geschützte Institution, an der wir aus sehr guten Gründen nicht rütteln wollen und werden." Merkel überlasse der AfD so "ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft. Sie wird damit einen weiteren Teil ihrer Unions-Wählerschaft und auch der CDU/CSU Mitglieder heimatlos machen. Diesen Menschen unterbreitet die AfD mit ihrem klaren Familienbild im Bundestagswahlprogramm ein Angebot. Wir sind nicht offen für die 'Ehe für alle' aber offen für alle konservativ-bürgerlichen Wähler. Herzlich willkommen."

Der Bundesvorstand der AfD teilte auf Facebook zudem ein Posting der lesbischen Spitzenkandidatin Alice Weidel: "Als ob es das derzeit drängendste Problem Deutschlands wäre, peitscht die Groko nun die 'Ehe für alle' durch, während die Massenmigration der vergangenen zwei Jahre gerade die ins Land spülte, für die Homosexualität ein Verbrechen darstellt. Homosexuelle Muslime müssen, aufgrund der Gesetze ihrer Religion, um ihre Freiheit und nicht zuletzt um ihr Leben fürchten."
Als Beispiel nannte sie die Niederschlagung des Gay Pride in Istanbul. "Wenn die politische Elite nicht endlich begreift, welcher Gefahr sie unsere Gesellschaft mit ihrer Einwanderungspolitik aussetzt, kippt Deutschland endgültig. Über die 'Ehe für alle' zu debattieren, während Millionen von Muslimen illegal ins Land einwandern, ist ein Witz. Erdogans Islamstaat verdeutlicht, was uns in Zukunft bevorsteht."
Dabei erinnert das Vorgehen in der Türkei, in der Homosexualität anders als in Nazi- und Nachkriegs-Deutschland nie unter Strafe stand, vor allem an CSD-Niederschlagungen in Russland, zu der man von ihrer Partei nie etwas hörte.
Bischöfe und "Theologen"
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch, der auch "Familienbischof" der Bischofskonferenz ist, betonte in deren Namen wie schon am Wochenende, dass es keine Diskriminierung sei, wenn zwischen den Ehen heterosexueller Paare und den Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher Paare unterschieden werde. Dies sei nicht etwa "homophob motiviert", sondern trage nur "der Unterschiedlichkeit der Lebensformen adäquat Rechnung". Das Portal "katholisch.de" der Bischofskonferenz bemühte sich um einen sachlichen Ton, kommentierte aber, die im Grundgesetz enthaltene Ehe aus Mann und Frau sei eine "säkulare Adaption des christlichen Ehebildes":

Den Vogel ab schoss am Dienstag der schwule Theologe und ehemalige kreuz.net-Bekämpfer David Berger, der auf seinem Blog "philosophia perennis" inzwischen Werbung für die AfD, die "Demo für alle" und gar die "Identitäre Bewegung" macht und in neurechten Kreisen dadurch einige Achtung erzielt. In guter kreuz.net-Manier zu CSD-Bildern veröffentlichte er einen Gastbeitrag des Theologen Michael van Laack: "Je schwächer der Widerstand der Christen, desto größer die Gefahr der Installierung einer Diktatur", beklagte er zur anstehenden Ehe-Öffnung. Es reiche nicht aus, "Sodom und Gomorrha zu rufen und den Verfall der Moral zu beklagen". Denn: "Die Ehe für alle ist Gift für den Fortbestand jeder Gesellschaft; jegliches 'Minderheiten auf Augenhöhe stellen' ist der Tod der Majoritäten". Daher müsse man sich "wider" die "Feinde des Volkes" stellen.
Generell ist es aber sehr amüsant, wenn Menschen allen Ernstes behaupten die Ehe wäre für Mann und Frau gemacht, obwohl es gleichgeschlechtliche Ehen schon tausende von Jahren vor ihrer Geburt gab. Oder wenn die CDU nun als unchristlich bezeichnet wird, als ob Homophobie ein ehrenhafter Grundpfeiler des Christentums wäre.