Bundesjustizminister Heiko Maas sieht wegen der Veränderung der Familienstrukturen in Deutschland gesetzlichen Handlungsbedarf (Bild: Deutscher Anwaltsverein)
Die elf Experten des Arbeitskreises Abstammungsrecht haben am Dienstag in Berlin nach zweijähriger Beratung einen 133-seitigen Abschlussbericht (PDF) an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) übergeben. Darin wird unter anderem die Einführung einer "Mit-Mutterschaft" gefordert, um die Benachteiligung von lesbischen Eltern und deren Kinder abzubauen.
Der Arbeitskreis unter dem Vorsitz der ehemaligen Familienrichterin Meo-Micaela Hahne schlägt konkret vor, dass die eingetragenen Partnerinnen von lesbischen Frauen, die mithilfe einer Samenspende ein Kind zur Welt bringen, automatisch zur Zweitmutter werden. Bislang müssen sie den bürokratischen und langwierigen Weg der Stiefkindadoption gehen. Auch in dem am vergangenen Freitag vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben, der den Paaren ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht bringt, ist für diesen Fall keine automatische Adoption vorgesehen (queer.de berichtete).
In dem Papier wird der Begriff "intendierte Elternteile" verwendet, wenn es um Kinder geht, die "abweichend vom natürlichen Zeugungsvorgang" zur Welt kommen – auch Begriffe wie "Wunscheltern" sind in diesem Zusammenhang gebräuchlich. Diese Elternteile müssten mit genetischen Eltern gleichgestellt werden, um die "Statussicherheit des Kindes" und seine Stabilität der Lebensverhältnisse zu gewährleisten, fordert der Arbeitskreis. Dabei sei es gleichgültig, ob die Partner in verschieden- oder gleichgeschlechtlicher, ehelicher oder nichtehelicher Gemeinschaft lebten. Als zweiter Elternteil könne also sowohl ein Mann (Vater) als auch eine Frau (Mit-Mutter) in Frage kommen.
Maas will "intensive Debatte" führen
"Die soziale Wirklichkeit der Familienmodelle verändert sich, und unser Recht muss mit diesem Veränderungsprozess Schritt halten, wenn seine Gestaltungskraft nicht leiden soll", erklärte Heiko Maas am Dienstag bei der Vorstellung des Berichtes. "Ein Prozess des Umdenkens setzt in einer lebendigen Demokratie immer eine intensive Debatte voraus – und der Abschlussbericht liefert einen wichtigen Beitrag zu dieser Debatte."
Maas hatte den Arbeitskreis Abstammungsrecht im Februar 2015 eingesetzt, um auf die zunehmende Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und die Entwicklungen der Reproduktionsmedizin zu reagieren. Noch ist unklar, wann die Empfehlungen umgesetzt werden sollen.
Keine Einigkeit bei Leihmutterschaften
Die ganz heißen Themen – etwa die Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland – packte der Arbeitskreis allerdings nicht an. Auch die Entscheidungsfindung darüber, wie mit Kindern aus Leihmutterschaften umgegangen werden soll, die legal von Deutschen im Ausland durchgeführt wurden, erwies sich als schwierig. Mehrheitlich war der Arbeitskreis der Auffassung, "dass dem Kind der ihm nach ausländischem Recht zugeordnete Elternteil erhalten bleiben" solle. Weitere Diskussionen führten jedoch zu keiner "abschließenden Meinungsbildung". Die Anerkennung von ausländischen Leihmutterschaften, die insbesondere unter schwulen Paaren populär sind, beschäftigt immer wieder deutsche Gerichte (queer.de berichtete).
Michael Kauch, der Bundeschef der Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL), begrüßte die Ergebnisse als "ersten Schritt zu einem modernen Familienrecht". "Insbesondere ist die Stärkung der Ehegattin der Mutter zu begrüßen, wenn das Kind mit Hilfe der Reproduktionsmedizin gezeugt wird." Gleichzeitig kritisierte der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete, dass wichtige Punkte für Regenbogenfamilien fehlten: "Eizellspenden und nichtkommerzielle Leihmutterschaft sollten auch in Deutschland unter Auflagen erlaubt werden. Es macht keinen Sinn, die Leihmutterschaft zu Hause zu tabuisieren, wenn die USA und große Teile der EU entsprechende Möglichkeiten bieten und die entstehenden Kinder natürlich anerkannt werden."
Michael Kauch war von 2003 bis 2013 Mitglied des Bundestages (Bild: FDP)
Unverständlich sei auch die Ablehnung der Mehrelternschaft durch den Arbeitskreis, so Kauch: "Wir haben heute schon Mehreltern-Familien und sie sollten daher auch hinsichtlich der Verwandtschaftsbeziehungen abgebildet werden. Dies wäre im Interesse der Kinder." LiSL hatte 2014 bei ihrer Bundesmitgliederversammlung die Anerkennung von Mehrelternschaften gefordert (queer.de berichtete). (dk)
Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn Herr Maas Bundeskanzler wäre. Geht wahrscheinlich als Bundesjustizminister nicht, aber es wäre für uns positiv.