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Nächster Schritt

Bundesrat macht Weg frei für Ehe-Öffnung

In der Länderkammer gab es gegen die Ehe für alle keinen Widerstand mehr – nur die bayerische Regierung betreibt Rückzugsgefechte.


Vor dem Bundesratsgebäude bedankten sich Aktivisten des LSVD für die Initiative der Länderkammer zur Ehe für alle (Bild: Jörg Steinert)

Das Gesetz zur Ehe für alle hat eine weitere Hürde genommen: Genau eine Woche, nachdem der Bundestag mit breiter Mehrheit die Gleichstellung beschlossen hat, ist der Gesetzentwurf am Freitagvormittag auch durch den Bundesrat durchgenickt worden – und zwar ohne Abstimmung. Der Bundesrat hatte den Entwurf einst im September 2015 eingebracht und damit den Bundestag in Zugzwang gebracht. Nun fehlt nur noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Da es sich bei der Ehe für alle um ein Einspruchsgesetz handelt, hätte der Bundesrat nur mit einer Mehrheit der Ja-Stimmen das Gesetz in die Ausschüsse verweisen können – was zum Ende der Legislaturperiode praktisch der vorläufige Todesstoß gewesen wäre, da der Gesetzgebungsprozess nach der Bundestagswahl ganz neu beginnen müsste. Allerdings: Enthaltungen von Koalitionsregierungen werden praktisch als Nein-Stimmen gewertet. Und da Bayern das einzige Land mit einer alleinigen Unionsregierung ist, wäre es wohl das einzige Land gewesen, das den Antrag ablehnt – daher verzichtete die Staatsregierung darauf, die Überweisung zu beantragen. Der Freistaat ersparte so vielen Koalitionsregierungen mit CDU-Beteiligung Auseinandersetzungen, etwa Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Insgesamt acht Redner, davon drei Ministerpräsidenten, nahmen zu dem Gesetzentwurf in einer gut einstündigen Debatte Stellung. Sieben sprachen sich für die Gleichstellung aus, als einziger Redner dagegen trat ein bayerischer Minister ans Mikrofon. Die Befürworter argumentierten einhellig, dass der Staat auf die Veränderung des Ehe-Begriffs und einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung reagieren müsse und es daher seine Pflicht sei, die Gesetze entsprechend anzupassen.

"Verfassungsjuristen sind keine Archäologen"

Als erster Redner stellte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) klar, dass die Ehe-Öffnung auch ohne Grundgesetzänderung möglich sei. Diese wird von Gleichstellungsgegnern oft gefordert – sie argumentieren, dass der besondere Schutz der Ehe in Artikel 6 des Grundgesetzes ein verstecktes Ehe-Verbot für Schwule und Lesben enthalte. Das hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes so beabsichtigt.


Dem widersprach der grüne Politiker vehement: "Entscheidend ist nicht, was die Verfasser damals unter dem Begriff der Ehe verstanden haben, sondern: Was bedeutet die Ehe heute im Jahr 2017." Die Änderung der Rechtsprechung aus "grundlegendem Wandel des Eheverständnisses" sei möglich und dies sei auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. "Verfassungsjuristen sind keine Archäologen", so Kretschmann, weil die Gesellschaft andernfalls "ewig auf Vorstellungen von 1949 verharren" würde. Dabei verwies er auf das nach heutiger Sicht skandalöse Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Paragrafen 175 aus dem Jahr 1957, in die Richter die Verfolgung von Homosexuellen aufgrund deren sexueller Orientierung ausdrücklich erlaubten.

Der überzeugte Katholik erklärte auch, er habe "Respekt" gegenüber "nachdenklichen Stimmen" aus Kirchen. Allerdings sei die "säkulare bürgerlich-rechtliche Ehe" etwas völlig anderes als die kirchliche Ehe. "Es geht nicht um die Ehe vor dem Altar, sondern die Ehe vor dem Standesamt", so Kretschmann.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) würdigte anschließend, dass die Ehe für alle einen "Fortschritt für unser Zusammenleben insgesamt" bedeute. Die gesamte Gesellschaft profitiere, wenn mehr Menschen Verantwortung für sich und Kinder übernähmen und wenn Gleichberechtigung verwirklicht werde.


Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz ist bis Herbst auch Bundesratspräsidentin

Auch die 56-Jährige zeigte sich überzeugt, dass die deutsche Verfassung "offen für Entwicklung" sei und daher nicht geändert werden müsse. Die SPD-Politikerin erinnerte daran, wie Frauen in den Anfangsjahren der Bundesrepublik diskriminiert worden seien und es hier auch zu einem gesellschaftlichen Wandel gekommen sei. So hätten Frauen bis in die Siebzigerjahre nur einen Job annehmen können, wenn der Ehemann zustimmt. Und bis in die Neunziger sei Vergewaltigung in der Ehe nicht als Verbrechen angesehen worden. Heute wäre beides "unvorstellbar".

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"Diese Entscheidung ist ein Meilenstein auf dem Weg zur echten Gleichstellung"

Schleswig-Holsteins neuer Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) profilierte sich in seiner ersten Rede im Bundesrat als Konservativer neuen Schlages, der mit dem Wandel des Ehe-Begriffs kein Problem hat. "Der Anlass ist ein guter", so begann er seine Rede, die nicht direkt auf die Debatte um die Verfassungsmäßigkeit einging. Die Vielfalt von Lebensformen gehöre zu einer freien Gesellschaft, so Günther. Auch bei ihm persönlich habe es in den letzten Jahren einen Bewusstseinswandel bei diesem Thema gegeben. "Diese Entscheidung ist ein Meilenstein auf dem Weg zur echten Gleichstellung", sagte der 43-Jährige.


Im Anschluss erinnerte die niedersächsische Familienministerin Cornelia Rundt (SPD) an die "Aktion Standesamt" des LSVD vor 25 Jahren, mit der erstmals öffentlichkeitswirksam die Gleichstellung im Ehe-Recht gefordert wurde. Durch die Ehe-Öffnung gehe ein "wichtiger gesellschaftlicher Prozess" dem Ende entgegen. Das sei auch gut für den etwas in die Jahre gekommenen Begriff "Ehe", der sich auf diese Weise modernisiere.

Als einziger Gegner der Gleichbehandlung ergriff danach der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) das Wort und führte Rückzugsgefechte durch. Am meisten nannte der Jurist das Wort "Respekt", das die bayerische Regierung seiner Meinung nach gegenüber Schwulen und Lesben habe und den er gleichzeitig für diejenigen einforderte, die Homo-Paare weiter diskriminieren wollen.

Die Ehe-Öffnung bezeichnete er als eine "historische Neukonzeption der Ehe" und warnte vor "weitreichenden Folgen für Betroffene und Gesellschaft" – ohne diese aber zu benennen. Stattdessen griff der 51-Jährige auf die alten Römer zurück und zitierte eine Rede von Marcus Tullius Cicero, in der sich der 43 vor Christus verstorbene Philosoph lobend über ein verheiratetes heterosexuelles Paar geäußert hatte.


Neben der Argumentation, dass die Ehe für alle gegen die Verfassung verstoße, beschwerte sich der 51-Jährige auch darüber, dass es angeblich keine "ausreichende Zeit und Tiefe" in der Diskussion zur Ehe-Öffnung gegeben habe – einer Diskussion, die freilich schon seit Jahrzehnten geführt wird. "Es ist bedauerlich und diesem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema nicht angemessen", attestierte Bausback. Das Thema Ehe "hätte mehr Respekt verdient".

Gleichzeitig warnte der Rechts-Professor der Uni Wuppertal Homo-Paare indirekt vor der Schließung von Ehen, da wegen den verfassungsrechtlichen Fragen jedes Eheversprechen von Schwulen und Lesben "auf tönernen Füßen" stehe. Der Hintergrund: Bayern überlegt derzeit, die Gleichbehandlung durch eine Klage in Karlsruhe doch noch zu verhindern (queer.de berichtete).

Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) ließ sich von Bausback jedoch nicht die Stimmung verderben – und erklärte freudig, dass für ihn und seinen Lebenspartner heute ein ganz besonderer Tag sei. "Wir Lesben und Schwule wollen keine Sondergesetze mehr", rief er in den Saal.

Für den 43-Jährigen ist eine Gesellschaft nur so fortschrittlich, wie sie Minderheiten behandle – und hier hole Deutschland auf. Nun müsse aber bereits an die nächsten Schritte gedacht werden, an eine Reform des Transsexuellengesetzes und Verbesserungen für Intersexuelle, an die Gleichbehandlung von Regenbogenfamilien und den Kampf gegen Homo- und Transphobie sowie an den "Abbau von Ehe-Privilegien."


Senator Klaus Lederer freut sich mit seinem Lebenspartner auf die Ehe-Öffnung

Als nächster Redner lobte der neue NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) die Ehe für alle als "Meilenstein" und "gute Entscheidung". In Richtung Lederer sagte er: "Mich freut es, dass Sie mit Ihrem Mann die Ehe so leben können, wie ich es mit meiner Frau tun kann." Aber: Das angeblich "hastige Verfahren" bei der Umsetzung sei nicht in Ordnung gewesen.

Auch Stamp sagte, dass die Ehe für alle nicht alle Probleme für LGBTI löse, sondern man noch "einen weiten Weg zu gehen" habe, solange bei Jugendlichen das Wort "schwul" noch immer als Schimpfwort benutzt werde. Er versprach die Mithilfe der Bundesländer im Kampf gegen Homo- und Transphobie.

Als letzter Redner bedankte sich Bundesjustizstaatssekretär Christian Lange (SPD) bei der Länderkammer dafür, dass sie das Gesetz eingebracht habe. An Bausback gerichtet erinnerte er an die langwierige Debatte zum Thema allein in dieser Legislaturperiode, als das Thema Dutzende Male im Rechtsausschuss des Bundestags behandelt wurde.

Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit bereite ihm kein Kopfzerbrechen, erklärte Lange. Zudem werde Heterosexuellen durch die Gleichstellung "nichts weggenommen", das Gesetz beseitige nur "noch bestehende Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren". Abschließend entschuldigte er sich beinahe für die lange Zeit bis zur Ehe-Öffnung: "Manches Mal braucht eben die Politik etwas länger, bis sie die gesellschaftliche Entwicklung erkennt und die entscheidenden Schritte unternimmt."

Anschließend verkündete Bundesratspräsidentin Malu Dreyer, dass keine Abstimmung über die Überweisung des Gesetzes in den Vermittlungsausschuss beantragt worden sei – und freute sich darüber, dass der Gesetzentwurf der Länderkammer nun bald in Kraft traten kann: "Es ist selten, dass eine Initiative aus dem Bundesrat auch Gesetz wird."

Wöchentliche Umfrage

» Die Ehe für alle kommt. Wirst du jetzt heiraten?
    Ergebnis der Umfrage vom 03.07.2017 bis 10.07.2017

#1 Markusbln11Anonym
  • 07.07.2017, 12:15h
  • Hipp hipp hurrah! Glückwunsch an alle. Und danke an Volker Beck. Er hat die Ehe für Alle über die Jahre mehrheitsfähig gemacht.

    Nur noch Bayerns CSU mosert. Das erinnert mich an die Zeit als sich der bayerrische rundfunk aus dem bundesprogramm der ard ausklinkte.

    Das ist heute in der form auch vergangenheit. Genauso wird es mit dem genörgel an der Ehe für Alle sein.

    In Bayern gehen die uhren eben eine stunde nach. Also auch dort ist man irgenwann auf bundeszeit.

    Je schneller, deste besser. Gebt euch einen ruck. Es tut nicht weh. Oder anders gesagt. Auch ein ruck muss durch bayern gehen. Durch den bund ging er.
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#2 EisenhowerProfil
  • 07.07.2017, 12:16hMarseille
  • Danke an Daniel Günther für seinen engagierten Auftritt!

    Wann geht es weiter mit der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten? Dann ist das Gesetz endlich unter Dach und Fach.

    Und was genau hat Winfried Bausback denn von Cicero zitiert? Es wäre doch interessant, das mal nachschlagen zu können.

    Es gibt davon ganz schön viel:

    de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Tullius_Cicero#Werke

    Selbst wenn es aus De re publica gewesen sein sollte, wäre es doch besser, das zu sagen.
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#3 TimonAnonym
  • 07.07.2017, 12:22h
  • Jetzt hoffe ich auf schnelle Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten , damit es spätestens im Herbst die ersten gleichgeschlechtlichen Hochzeiten geben kann.

    Da das Gesetz ja schon seit Jahren vorliegt, die Debatte über die Eheöffnung noch viel länger geführt wurde, das Gesetz Bundestag und Bundesrat mit deutlicheren Mehrheiten passiert hat und über 80% des Volkssouveräns dafür sind, dürfte es ja nicht zu viel Prüfungsbedarf geben...
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