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Jubiläum
25 Jahre "Aktion Standesamt"
Bereits ein Vierteljahrhundert ist es her, seit der damalige Schwulenverband die "Aktion Standesamt" gestartet hat. Jetzt nutzt der LSVD das Jubiläum, um auf eine schnelle und korrekte Umsetzung der Ehe für alle zu pochen.
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18. August 2017, 13:59h 4 Min.

Die Aktion Standesamt brachte das Thema Ehe-Öffnung ins Rollen – 25 Jahre später scheint das Ziel erreicht zu sein
Am Samstag vor 25 Jahren haben die Organisation der Schwulen Juristen und der damalige Schwulenverband in Deutschland, der 1999 in Lesben- und Schwulenverband umbenannt wurde, gemeinsam die "Aktion Standesamt" abgehalten: 250 lesbische und schwule Paare stürmten am 19. August 1992 in rund 100 Gemeinden die Standesämter, um den Bund fürs Leben einzugehen – darunter auch TV-Moderatorin Hella von Sinnen mit ihrer damaligen Freundin, der Präsidententochter Cornelia Scheel.
Als die Beamten die Eheschließung verweigerten, beschritten etwa 100 Paare den Rechtsweg und beantragten vor Gericht, den Standesbeamten entsprechende Anweisungen zu erteilen. Meist unterlagen die Paare – lediglich ein Amtsgericht in Frankfurt kam zu dem Ergebnis, dass es keine gesetzliche Definition des Begriffs Ehe gebe. Allerdings hoben bereits damals mehrere Gerichte die sich aus dem Eheverbot ergebenden Benachteiligungen und die Notwendigkeit entsprechender gesetzlicher Regelungen ausdrücklich hervor.
Im Jahr 1993 landete die Frage schließlich nach Karlsruhe – damals erklärte das Bundesverfassungsgericht, gleichgeschlechtliche Paare hätten keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine Zulassung zur Ehe, da "die Geschlechtsverschiedenheit zu den prägenden Merkmalen der Ehe" gehöre. Das Gericht, das einst 1957 die Verfolgung von Homosexuellen durch den Paragrafen 175 gut geheißen hatte, stellte jedoch auch ausdrücklich fest, dass ein Wandel im gesellschaftlichen Bild der Ehe eintreten könne – der Wandel kam dann wirklich.
Die Grünen brachten bereits 1995 einen "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" (PDF) in den Bundestag ein – und wurden dafür damals noch belächelt. Nach dem Sieg von Rot-Grün 1998 machte sich die neue Bundesregierung schließlich dran, Homo-Paare anzuerkennen. Ehe-Rechte wollte man Schwulen und Lesben mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz aus dem Jahr 2001 aber noch nicht zubilligen, was besonders am Widerstand aus der Union, aber auch aus Teilen von SPD und FDP lag.
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Später gab es weitere Kampagnen für die Gleichbehandlung von Hetero- und Homosexuellen: 2005 startete der LSVD die "Aktion Eins zu Eins" ("Gleiche Rechte, gleiche Pflichten – nur das ist fair!"). Viele Prominente wie Günter Grass, Jürgen von der Lippe oder auch FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unterstützen die Aktion.
Zudem öffneten mehr und mehr Nachbarländer die Ehe – zum Schluss hatten alle westlichen Nachbarn Deutschlands die Gleichstellung im Ehe-Recht beschlossen, während Unionspolitiker gemeinsam mit der erstarkenden AfD noch immer das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben verteidigten. Schließlich wurde das Ziel am 30. Juni 2017 doch erreicht, als der Bundestag mit 393 zu 226 für die Ehe für alle stimmte (queer.de berichtete).
Probleme bei Umsetzung der Ehe für alle
Anlässlich des Jubiläums warnt der LSVD heute, nicht locker zu lassen, obgleich das Ziel der Ehe-Öffnung am 1. Oktober immer näher rückt: Es dürfe nicht passieren, dass die Umsetzung "durch eine willkürliche Blockadehaltung innerhalb der Verwaltung" verschleppt werde, betonten das LSVD-Vorstandsmitglied Gabriela Lünsmann und Dirk Siegfried von den Schwulen Juristen am Freitag. "Wir fordern den Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die Innenministerien der Länder sowie die Standesämter nachdrücklich auf, die tatsächliche Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Eheschließung mit Inkrafttreten der Ehe-Öffnung am 1. Oktober auch wirklich überall in Deutschland sicherzustellen. Die Gesetzesänderungen sind unabhängig von der parteipolitischen Einstellung innerhalb einzelner Verwaltungen korrekt und termingerecht umzusetzen."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gehörte beim Thema Gleichstellung zu den Blockierern – nach dem Beschluss des Bundestages, die Ehe zu öffnen, soll er sicherstellen, dass überall geheiratet werden kann
Gegenwärtig erreichten den LSVD und die Schwulen Juristen zahlreiche Berichte von heiratswilligen, gleichgeschlechtlichen Paaren, die von den für sie zuständigen Standesämtern bei Terminanfragen vertröstet werden. Unter Verweis auf angeblich fehlende Anweisungen wird in einigen Standesämtern darauf beharrt, erst ab dem 1. Oktober Anmeldungen entgegennehmen zu dürfen. "Diese Behauptung ist grob falsch. Denn in anderen Standesämtern funktioniert die Terminvergabe durchaus reibungslos. Ob gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen oder nicht, darf indes nicht von ihrem Wohnort abhängig sein", wie Lünsmann und Siegfried betonten.
Auch nach der Ehe-Öffnung glaubt der LSVD nicht, überflüssig zu werden. So gebe es noch viele Baustellen wie etwa Lücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das den Kirchen ausdrücklich Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität erlaubt. Der LSVD Berlin-Brandenburg kündigte zudem am Freitag an, sich verstärkt dafür einzusetzen, dass die schwul-lesbische Emanzipationsgeschichte Teil des Schulunterrichts wird.















Vom Aufgebot bis zur Hochzeit dauert es in Deutschland also länger als ein Vierteljahrhundert!