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Interview mit einem Girlfag

"Ich bin eine schwule Frau"

Jennifer von Schuckmann bezeichnet sich selbst als Girlfag – und hat mit "Mimicry" den ersten Spielfilm über das Thema gedreht. Die DVD kann jetzt bestellt werden.


Will Mauern einreißen in der der LGBTI-Community: Jennifer von Schuckmann aus Frankfurt am Main hat mit "Mimicry" einen Film über ein schwules Mädchen gedreht (Bild: privat)

Ein neuer Film beleuchtet eine eher unbekannte Seite im queeren Spektrum: "Mimicry" erzählt die Geschichte der Protagonistin Mimi, die sich als schwules Mädchen oder Girlfag identifiziert.

Hinter diesem ersten Film über eine schwule Frau steckt Jennifer von Schuckmann. Die 29-Jährige aus Frankfurt am Main versteht sich in erster Linie als postgender und genderqueere Regisseurin, die mit "Mimicry" das "soziale Konstrukt der eindeutigen Geschlechteridentitäten thematisch aufheben" möchte. Müsste sie sich in eine der existierenden Schubladen für sexuelle Identität stecken, würde sie selbst die Girlfag-Kategorie wählen.

Wir haben uns mit ihr über ihre Identität, ihre Erfahrungen in der LGBTI-Community und ihren Film unterhalten.

Faghags, sogenannte Schwulenmuttis, kennen wir alle. Was ist der Unterschied zu einem Girlfag?

Faghags sind Frauen, die sich gerne in der schwulen Kultur aufhalten, die etwa Drag-Shows oder aber platonische Verhältnisse zu schwulen Männern suchen. Zwischen Faghags und schwulen Männern besteht kein sexuelles Interesse, und genau diese Form einer Beziehung ist von Interesse: Frau muss sich keine Gedanken machen, sexuell interessant zu werden, und Mann hat eine Verbündete, die sich im besten Fall auch noch für dieselben Dinge interessiert.

Girlfags hingegen definieren sich nicht nur über Kultur oder gemeinsame Interessen mit schwulen Männern. Fragt man einen schwulen Mann, wieso er sich zum Schwulsein entschieden habe, so kränkt man ihn und seine Identität. Schwule Frauen fühlen sich genauso. Ich selbst habe schon immer gespürt, dass in mir eine schwule Person wohnt. Mit elf Jahren hatte ich mein inneres Outing und schrieb in mein Tagebuch: "Ich stehe auf schwule Männer und ich fühle mich auch selbst schwul". Verklebte diese Seite danach wieder, weil es mir peinlich war. Straighte Pornos haben nie etwas in mir erregt außer Scham. Schwulenpornos dagegen heizen mich sexuell an wie sonst nichts.

Girlfags identifizieren sich demnach also als schwule Männer im Körper einer Frau. Sie stehen somit zwischen allen Schubladen, weil sie nach außen hin hetero wirken, sich ein bisschen trans fühlen, aber in ihrer Sexualität eindeutig schwul. Schwule Frauen begehren Männer, nicht unbedingt nur schwule Männer, aber sie begehren Männer wie schwule Männer eben. Begehren besteht aus Liebe, Leidenschaft und Sex.


Szene aus "Mimicry!"

Was ist der Unterschied zwischen einem Girlfag und einem schwulen trans* Mann?

Girlfags sind Menschen, die sich als schwuler Mann im Körper einer Frau identifizieren, ohne dabei geschlechtsangleichende Maßnahmen anzustreben. Sie fühlen, dass ihr biologisches Geschlecht nichts mit der eigenen Geschlechterzuordnung zu tun hat. Die Idee einer genderqueeren Gesellschaft, die sozial konstruierte Rollen ablehnt und mehr Individualität für jeden Menschen darbietet, spielt dabei eine starke Rolle.

Ich verurteile geschlechtsangleichende Maßnahmen nicht, wenn sie Menschen helfen, sich in ihrem Körper Zuhause zu fühlen, für mich würde ein solcher Eingriff in den Körper aber nicht in Frage kommen.

Aber: Gäbe es einen Schalter, den ich einfach umlegen könnte, um auch körperlich ein Mann zu sein und meine Sexualität so richtig ausleben zu können, dann hätte ich den in meinen jungen Jahren sicherlich umgelegt. Erst jetzt habe ich herausgefunden, dass es diesen Schalter gibt und er sich n meinem Kopf, in meinem Denken über Geschlecht befindet.

Viele werden sagen, ein "schwules Mädchen" sei ein Widerspruch in sich…

Geht man von einer heteronormativen Gesellschaft aus, die Menschen in eindeutige Schubladen steckt, aus denen man schwer entfliehen kann, dann ergibt sich für den unaufgeklärten Menschen ein Widerspruch. Schwule Frauen sehen nach außen hin hetero aus und erhalten deshalb selbst aus der LGBT-Community wenig Verständnis, oft wird ihnen auch vorgeworfen, verkappte Lesben zu sein, die sich auf diese Weise vor ihren "wahren" Homosexualität drücken.

Mein genderqueeres Bild von Sexualität und Identität lässt aber dagegen zu, dass man keine eindeutige Klassifikation vornehmen muss, vielmehr erlaube ich jedem Menschen sogar eine gewisse Gleichzeitigkeit zu fühlen bzw. im Leben stetig Veränderungen zu durchlaufen. Somit ist der Widerspruch direkt ad acta geführt. Sich zum Beispiel gleichzeitig "männlich" und "weiblich" zu fühlen ist für mich kein Widerspruch.

Ein persönliches Beispiel: Ich habe vor einiger Zeit aufgehört, mich täglich zu schminken. Der Wahnsinn, dem sich Frauen unterziehen, sich selbst täglich zu belügen und ihre Makel zu vertuschen, geht mir zu weit. Schminke ich mich dagegen – und wenn ich es tue, dann intensiv, schrill und pompös -, fühle ich mich nicht weiblicher, sondern schwuler. Wie eine Drag Queen.

Sind Schwule denn wirklich schwul, wenn sie sich mit einem Girlfag einlassen?

Prinzipiell sage ich einfach mal ja, aber die Suche nach einem schwulen Mann, der die Frau, die ich äußerlich abbilde, ignorieren kann und meinen inneren schwulen Mann liebt, habe ich schon lange aufgegeben, weil sie mir doch nur Kummer gebracht hat. Ich musste akzeptieren, dass die meisten Menschen nicht so denken wie ich. Auch der Sex mit Frauen hat mir zwar gefallen, aber gleichzeitig spüren lassen, dass die sexuelle Erregung dort nicht so groß ist.

Ich bleibe jedoch immer offen, schaue nicht nur nach links, sondern auch mal nach rechts, weil am Ende der Mensch zählt. Hätte eine Frau mein Herz erobert, dann würde ich mich an ihren Körper sicherlich gewöhnen, der wahren Liebe zuliebe. An Körperlichkeit, an Sex generell muss sich jeder gewöhnen, das vergessen die Leute immer. Ich behaupte fast, es ist auch Gewöhnungssache. Und ja, ich hatte schon Intimitäten mit schwulen Männern, die jetzt definitiv immer noch schwul sind. Oft hörte ich in der Vergangenheit von schwulen Freunden: "Wenn mit einer Frau, dann mit dir!"

Doch seit 2016 habe ich meinen Partner gefunden. Bin ich mit meinem Partner zusammen, fühle ich mich wohl, und der schwule Mann in mir begehrt ihn und seinen Körper. Er dagegen darf mich als Frau wahrnehmen. Ich würde meine Sexualität dennoch von der einer auto-normalen Hetero-Frau unterscheiden. Ohne zu sehr aus dem Nähkästchen zu plaudern, kann man sich vorstellen, dass unser Sex kinky ist.

Der Film hat viel mit dir selbst zu tun…

Die Beschäftigung mit dem Thema schwule Frauen und vor allem mit meiner eigenen Sexualität erregte in mir den dringenden Wunsch, einen Film über ein solches Individuum zu drehen und damit totales Chaos in das Weltbild vieler Menschen zu bringen. Auch jener, die schon mit den Themen Gender, Homo- sowie Transsexualität vertraut sind.

"Mimicry" möchte Grenzen sprengen, Mauern einreißen und aufzeigen, dass weitaus mehr existiert als durch gängige Begrifflichkeiten bereits bekannt. Darüber hinaus soll ein offener Umgang mit Sexualität und Körpern gezeigt werden. Die Sexualität im Film entwickelt sich von einer anfangs realitätsgetreuen Darstellung hin zu einer spirituellen Selbstentdeckung, die über die Bildsprache visualisiert wird. In der Kuschelorgie, mit der der Film endet, erkennen wir in dem Gewimmel von nackten Menschen nicht mehr genau, was wir sehen, und genau diese letzte Einstellung ist wichtig: Am Ende sind Körper nur eine Mischung aus Haut und Fleisch, die dazu einladen geküsst, geleckt und geliebt zu werden.


Eine Kuschelorgie ist die Schlussszene des Films

Deine Botschaft in einem Satz?

"Mimicry" will die Idee einer Auflösung bzw. Fusion aller sozial konstruierten Geschlechterrollen aufzeigen, oder um es ganz einfach zu beschreiben: Beschäftige dich mit dir selbst, lerne dich kennen, auch die dunkelsten Ecken deiner Identität. Lerne die Dinge über dich kennen, die du sonst nicht erforschen würdest, und dann liebe den Menschen, den du in dir gefunden hast. Erst wenn du mit dir selbst Frieden geschlossen hast, kannst du auch mit der Menschheit Frieden schließen.

Wer steckt hinter dem Film und wie wurde er finanziert?

Mein Team besteht aus sehr engagierten Menschen aus Frankfurt und Mainz, aus verschiedenen Bereichen der Kunst. Jeder engagierte sich ehrenamtlich für das Projekt und opferte Zeit und Energie, um bei diesem ungewöhnlich aufwendigen Film mitzuwirken. Ich habe mit diesem Film meinen Bachelor of Arts an der Hochschule Mainz abgeschlossen, aber die Produktion ging doch sehr schnell über die Grenzen eines normalen Studenten-Films hinaus: Die Produktionsfirma Spektrumfilm nahm sich aus Liebe zu meiner Idee den Produktionskosten an, die mit 15 intensiven Drehtagen plus Postproduktion nun auf einen fünfstelligen Betrag hinauslaufen wird. Darüber hinaus habe ich noch die Medienförderung Rheinland-Pfalz mit 3.000 Euro bekommen.

Wann können wir mit "Mimicry" im Kino sehen?

Im Filmgeschäft, gerade bei aufstrebenden Jung-Regisseuren, beschäftigt man sich nach Fertigstellung eines Projekts erst mal Jahre lang mit der Einreichung auf Film-Festivals. Wir rechnen mit hohen Chancen, auf internationalen Festivals gezeigt zu werden. Aufgrund des außergewöhnlichen und aktuellen Themas glauben wir sogar daran, dass unser Film auch auf den großen Leinwänden dieser Welt Anklang findet.

Da diese Festivals einen Film aber nur spielen, wenn dieser noch nicht veröffentlicht wurde, muss man auf eine Veröffentlichung im Kino noch mindestens ein Jahr warten. Die DVD für neun Euro (Inhalt: Film, Directors Cut, Trailer und acht Making-of-Clips) gibt es aber jetzt im Vorverkauf zu erwerben. Einfach eine Mail schreiben an pizzakatze@gmx.de, und ich sende ich die Instruktionen zurück. Die DVD kommt dann im September oder Oktober. Das eingenommene Geld dient der Produktion von eben diesen DVDs, Festival-Bewerbungen etc. und wird keineswegs privat einkassiert.

Direktlink | Offizieller Trailer zu "Mimicry"
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#1 AramisEhemaliges Profil
#2 queergay
#3 olfwobAnonym
  • 24.08.2017, 11:09h
  • Versteeh ich das jetzt richtig, für schwule Mädchen ist es also ok Kerle "mal eben so" zu knutschen um zu sehen "ob ja vielleicht doch was geht"? Da wäre bei jedem Macho, der das bei einer Frau versucht aber die Hölle los.
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