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LGBTI-Aktivisten enttäuscht
Oberstes Gericht Israels: Ehe für alle nicht einklagbar
Eine zivilrechtliche Ehe könne nur das Parlament einführen, entschied das Gericht am Donnerstag.

Die Ehe ist in Israel traditionell eine Frage der einzelnen Religionsgemeinschaften, eine zivilrechtliche Ehe auf dem Standesamt gibt es nicht (Bild: Andrew Ratto / flickr)
- 31. August 2017, 17:35h 3 Min.
Das Oberste Gericht Israels hat am Donnerstag eine Klage abgewiesen, mit der die LGBTI-Organisation AGUDA die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen erreichen wollte. Die Richter wiesen die Argumentation zurück, die Forderung ergebe sich aus den Menschenrechtsbestimmungen des israelischen Grundrechts.
Die Richter argumentieren hingegen, dass nach bisherigem israelischen Recht nur Religionsgemeinschaften und deren Instanzen wie Rabbinatsgerichte über Fragen der Ehe entscheiden können, und ein ziviles Gericht der falsche Adressat der Klage sei. Eine Änderung dieses Status quo müsse das Parlament veranlassen.
Das Gericht mit Sitz in Jerusalem verwies auf ähnliche Entscheidungen in der Vergangenheit. Das Gericht erkannte in dem Urteil an, dass immer mehr Länder die Ehe für alle eingeführt und als Recht der Paare anerkannt haben, was in der Regel aber durch das Parlament und nicht durch Gerichte entschieden worden sei.
Warten auf Politik
AGUDA-Sprecherin Chen Arieli bezeichnete das Urteil als "enttäuschend": Es sei schade, dass das Gericht die rechtliche Frage wieder zu einer politischen mache, bei der es wenig Fortkommen gebe: "Die Geschichte des Kampfes von LGBTI in Israel ist bestimmt von (juristischen) Präzedenzfällen." Zwischen den Zeilen lasse das Gericht immerhin erkennen, dass es die derzeitige Situation als diskriminierend und ungerecht einschätze.
Die Organisation hatte die Klage bereits 2015 eingereicht. 2006 hatte das Oberste Gericht entschieden, dass im Ausland geschlossene Ehen gleichgeschlechtlicher Paare in ein offiziell der Statistik dienendem Register eingetragen werden müssen – was wie ähnliche Möglichkeiten für heterosexuelle Paare, die nicht religiös heiraten wollen oder können, keine offizielle Anerkennung sei. 2012 hatte ein Familiengericht erstmals entschieden, dass eine solche Ehe staatlich "geschieden" werden kann.
Einer Umfrage aus dem Sommer 2016 zufolge unterstützen 76 Prozent der israelischen Juden die Ehe-Öffnung, bei konservativen Juden liegt die Zustimmung allerdings bei 46 Prozent und unter ultra-orthodoxen bei 16 Prozent, während sie bei säkularen bei 90 Prozent liegt. In diesem Sommer lag die insgesamte Zustimmung gar bei 79 Prozent, bei einer ersten Umfrage des gleichen Institutes waren es 2009 noch 53 Prozent gewesen.
In der Knesset waren Anläufe zur Schaffung einer zivilrechtlichen Ehe für homo- und heterosexuelle Paare in den letzten Jahren mehrfach gescheitert. Die Paare sind in vielen Bereichen aber inzwischen Eheleuten gleichgestellt, etwa im Steuerrecht, bei der Einbürgerung eines Partners oder teilweise im Adoptionsrecht.
Sreit ums Adoptionsrecht
Um ein spezifisches Adoptionsrecht von schwulen und lesbischen Paaren hatte es in Israel gerade erst einen erbitterten Streit gegeben, Demonstrationen von LGBTI-Organisationen inklusive: 2008 hatte der Generalstaatsanwalt in einer Präzedenzentscheidung einem homosexuellen Paar das Recht auf Adoption eines fremden Kindes gegeben.
Viele Paare beklagten aber, dass sich an der Praxis, Kinder nur an heterosexuelle Paare zu geben, nichts geändert habe. Zu einem laufenden Verfahren einer Organisation schwuler Väter vor dem Obersten Gerichtshof musste das Ministerium für Arbeit und Soziales im April zugeben, dass seit 2008 ganze drei Kinder an schwule oder lesbische Paare gegeben wurden und rund 1.700 an heterosexuelle. Rund 550 gleichgeschlechtliche Paare hatten in dem Zeitraum einen Antrag gestellt.

Ich habe zwei Mütter und ich bin glücklich: Ein Mädchen bei einer Demonstration für das Adoptionsrecht homosexueller Paare am 20. Juli in Tel Aviv
Zusammen mit dem Justizministerium argumentierte das Arbeitsministerium in einem Schreiben an das Gericht im Juli dann auch noch, dass man an einer Bevorzugung heterosexueller Paare festhalten wolle, auch weil die Adoption durch Homosexuelle eine "zusätzliche Last" für die Kinder darstellen würde. Im Juli protestierten deswegen zehntausende LGBTI in Tel Aviv.
Vor zwei Tagen gab das Ministerium unter Druck bekannt, an dieser Auffassung nicht mehr festhalten zu wollen und über Adoptionen nach der generellen Eignung von Eltern und nicht nach deren sexuellen Orientierung entscheiden zu wollen. Das letzte Wort habe aber das Parlament, das dazu noch ein bestehendes Gesetz ändern müsse. (nb)
akt. am 1.9.: Absatz zu Umfrage, der fälschlich von Allgemeinbevölkerung sprach, korrigiert und ausgeweitet
















Schließlich gehört eine Trennung von Staat und Kirche zu einer Demokratie dazu.
Aber da das leider nicht geschehen ist, muss jetzt der Kampf weitergehen, damit das Parlament endlich eine Zivil-Ehe einführt, die dann gleichermaßen für gleichgeschlechtliche wie für verschiedengeschlechtliche Paare gilt.