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Erneut großer Gegenprotest
Düsseldorf: Hass-Bus der "Demo für alle" unter Beistand von AfD – und Gott?
Bei der sechsten Station der Tour der Homo-Hasser schauten am Montag in Düsseldorf die "Christen in der AfD" vorbei – und Marcus Pretzell, Landeschef der rechten Partei.

Vielleich das beste Plakat gegen Demo für alle & Co. aller Zeiten (Bild: nb)
- Von Norbert Blech
11. September 2017, 22:19h 8 Min.
Auch in Düsseldorf haben am Montagnachmittag mehr Gegendemonstranten den "Bus der Meinungsfreiheit" der "Demo für alle" (DfA) begrüßt als Interessierte. Der orangefarbene Bus mit ausgrenzenden Botschaften hielt an einem recht ablegenen Ort des Johannes-Rau-Platzes – unter dem Rheinturm und gegenüber dem Landtag ist er abseits des dort jährlich stattfindenden CSDs oder sonstiger Feierlichkeiten kein großer Garant für Publikum.
Erneut stellte sich so die Frage, was Hedwig von Beverfoerde mit dieser Bus-Tour eigentlich will. Andererseits hatte die kürzlich aus der CDU ausgetretene fanatische Christin die Demonstrationen einst aus dem Büro der AfD-Politikerin Beatrix von Storch aus organisiert. Und der AfD-NRW-Landeschef Marcus Pretzell nutzte den Besuch in Düsseldorf, um mit einigen Mitstreitern kurz vom Landtag aus vorbei zu kommen und für einen Bericht des RTL-Regionalfensters ein Interview zu geben.

Marcus Pretzell nutzte die "Demo für alle" als reinen Medienauftritt
"Die Ehe ist klar definiert. Das ist eine Verbindung aus Mann und Frau – und eben nicht 'ne Beziehung zwischen drei, vier Leuten", meinte er in der Sendung – das Gesetz zur Ehe für alle ist in der Frage allerdings ebenso klar definiert. Pretzell ergänzte, die Ehe sei auch "keine Beziehung zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau." Nach dem Interview ging er zurück zum Landtag, in dem er seit Mai mit 15 weiteren Abgeordneten der Partei sitzt.
Zum DfA-Bus war auch Annette Schultner von der "Bundesvereinigung 'Christen in der AfD'" gekommen, die sich ebenfalls im Hintergrund hielt, aber bereits mehrfach bei den größeren Protesten der "Demo für alle" geredet hatte, etwa bei dem – bis zum anstehenden Bus-Besuch am Dienstag – einzigen in Hannover. Bei dem Protest im November 2014 beklagte sie mit "Pfui"-Rufen, wie "unter Druck der Homo-Lobby" eine "Gender-Agenda" massiv in den Schulen Einzug halte. Der dortige Bildungsplan sei eine "Gehirnwäsche der Kinder" und eine "perverse Frühsexualisierung" (queer.de berichtete).

DfA-Christin Hedwig von Beverfoerde (r.) und AfD-Christin Annette Schultner
Demo für alle Kirchen und Sekten
Das vermeintlich "Christliche" stand auch im Zentrum der Reden am "Demo für alle"-Bus, die größtenteils nur für das geladene Publikum gehalten wurden: Passanten liefen kaum vorbei, vom Rheinufer aus bekam man nur den Gegenprotest mit. Er glaube an Gott, meinte ein "Daniel", der sich als 38-Jähriger Sozialarbeiter in der Jugendhilfe vorstellte. Als Christ müsse man nicht alles akzeptieren oder tolerieren, nicht mal respektieren, betonte er – Ehe und Familie seien "heilig".

Der nicht mit Nachnamen vorgestellte Daniel und links Alexander Tschugguel, offizieller Anmelder der Kundgebung und am Vortag in Köln von Gegendemonstranten "Kevin" getauft
Jener Daniel sprach dann von Kindern aus zerrütteten Familien, mit denen er es in der Arbeit zu tun habe. Er treffe auch auf schwule Jugendliche, bei denen die Beziehung zum Vater kaputt gegangen sei. Die Rede war wirr und es blieb unklar, was er sagen wollte – sie erinnerte aber an die Rhetorik deutscher Evangelikaler, die im Verhältnis zwischen Eltern und homosexuellem Kind den Ansatz für ihre "Heilungs"-"Therapien" sehen, sie erinnerte an den Auftritt von "Marcel" bei einer "Demo für alle" in Stuttgart: Er wurde dafür beklatscht, dass er seine Homosexualität nicht auslebt.
Die Bibel habe die Ehe und die Familie als Institution erschaffen, betonte Werner Fehlberg von der "Universal Peace Federation" (UPF). Er beklagte, dass sich Jungs heute als Mädchen "fühlten" – als Ingenieur wisse er, dass es bei solchen Fragen nur Tatsachen, keine Gefühle geben könne. Fehlberg forderte einen "Aufstand der Gerechten" dagegen, dass Kinder, die sich nicht wehren könnten, im Unterricht "diesem Gedankengut ausgesetzt" zu sein. Hinter der UPF steckt die Vereinigungskirche, auch bekannt als Moon-Sekte – der fleißige "Demo für alle"-Unterstützer und Stuttgarter CDU-Politiker Karl-Christian Hausmann ist ein weiterer ihrer Vertreter.
Eine CDU-Nähe bietet auch Regine Schwarzhoff vom "Elternverein NRW", die vor gut zwei Jahren Beverfoerde zu einem Referat nach Düsseldorf eingeladen hatte – weil der Tagungsort auch LGBTI-Gegendemonstranten in den Saal ließ, mussten sich die Damen stattdessen für ihre homophoben Äußerungen rechtfertigen und brachen den Abend schließlich ab (queer.de berichtete).

Regine Schwarzhoff sorgt sich um die Kinder
Inzwischen scheint Schwarzhoff allerdings gebrieft worden zu sein: Sie beklagte einen Unterricht, der "Kinder verunsichert" und ihnen "ausredet, dass sie ein Junge oder ein Mädchen sind". Auch Homosexualität werde thematisiert – Kinder könnten "in die falsche Richtung gelehrt" werden, befürchtete sie, und das verstoße gegen ihre Rechte.
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"Gott ist schwul"
Dazu passend hörte man von Seiten der Gegendemonstranten zwischenzeitlich im Chor das inzwischen traditionelle "Eure Kinder werden so wie wir" (in Köln war am Vortag auch mal – unter, hüstel, Szeneapplaus – "Eure Söhne ficken mit mir" zu vernehmen). Ein weiterer neuer Ruf: "Gott ist schwul". Aber auch ernste Töne wurden in Reden angeschlagen: Eine Vertreterin des Forums der Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Transgruppen sezierte die diskriminierenden Aussagen des Busses und der Bewegung, eine Jugendliche vom queeren Jugendzentrum Puls sprach von ihren Erfahrungen (s. Video weiter unten). Der CSD-Organisator Kalle Wahle sang veränderte Karnevalslieder über die "rechtsbraune Brut" gegenüber.

Puls CSD- und Gegenkundgebungs-Organisator Kalle Wahle (mit Mikro) umgeben von queeren Jugendlichen des Zentrums
Vielleicht 250 bis 300 Gegendemonstranten hatten sich versammelt, recht viel für einen innerhalb weniger Tage organisierten Protest zu Arbeitszeiten. Und dennoch wirkte er teilweise unüberlegt: Da gab es ein kurzes konfrontatives Treffen Wahles mit Beverfoerde, dessen Sinn sich keiner Seite erschloss. Und zuvor hatte sich ein bemerkenswerter Moment entwickelt, in dem der CSD queere Demonstranten im Stich ließ.
Die Gegendemonstration fand ein gefühltes Fußballfeld vom Bus entfernt statt – und als die "Demo für alle" zu ihrer Kundgebung ansetzte, gingen einige Gegendemonstraten rüber, der Großteil blieb zunächst zurück. In Köln hatten die Veranstalter der eigentlichen Gegenkundgebung diese nach einem ähnlichen Schritt für beendet erklärt und so ein direkteres Gegenübertreffen der Seiten ermöglicht. In Düsseldorfer stellten sich CSD-Verantwortliche vor den Bus der "Demo für alle" und eine Reihe von Polizisten und baten die Demonstraten, doch zurückzukehren: Man habe eine Kundgebung angemeldet und wolle diese weiter durchführen, das habe man mit der Polizei so vereinbart, mit der man doch beim CSD gut zusammenarbeite. Die Polizei griff das auf und warnte vor einer Räumung der kleinen Menge von dem Platz, die dann auch grummelnd zurück geführt wurde.

Die Gegenkundgebung setzte auf schlichte Wahrheiten statt auf Lügen und Diffamierung
Man wolle der "Demo für alle" nicht die Opferrolle überlassen, betonte Wahle in seiner Rede. Die Gegenkundgebung war letztlich früher fertig als die "Demo für alle" und er bat den Platz, nach Hause zu gehen, am Rhein entlang. Wer bleiben wolle, könne bleiben – aber mehr Aufmerksamkeit hätte die "Demo für alle" nicht verdient. Viele gingen, einige protestierten friedlich weiter. Es gibt keinen Königsweg in diesen Fragen, aber eine konsistente Strategie wäre angebracht.
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Die Hasser fahren nach Berlin
Vom Bus aus hieß es später (zahlenmäßig nicht korrekt und ohnehin absurd), man habe den bisher kleinsten Gegenprotest erlebt. Die Aussage stammt von Eduard Pröls vom europaweiten Fundi-Petitionsportal CitizenGo (mehr zu den Hintergründen in diesem Vorabbericht), der die Gegenproteste der letzten Woche in Stuttgart noch mit der Reichskristallnacht verglichen hatte (queer.de berichtete). In Düsseldorf sprach er von den "Verrückten auf der anderen Seite" – später ging er völlig unbehelligt durch diese hindurch, um sich ein Eis zu holen.
Dennoch spielte vor allem Beverfoerde die "Opferrolle", nach den Pfeifkonzerten am Vortag in Köln machte sie etwa eine "unheilige (!) Allianz" zwischen "Linksradikalen", Polizei und Stadtgesellschaft aus, die sich gegen sie verschworen hätte. Über ihre Bewegung gebe es zudem "unglaubliche Lügen" und "Diffamierungen": Man sei doch gar nicht homosexuellenfeindlich.

Der Bus mit seinen Botschaften gegen die Ehe für alle, Regenbogenfamilien und die Selbstbestimmung von Transsexuellen und Transgendern. Im Hintergrund der Gegenprotest – und zwischendrin noch Johannes Rau.
Dann nannte sie das Gesetz zur Ehe für alle nicht nur verfassungswidrig, sondern auch "fatal": Vor allem, weil es schwulen und lesbischen Paaren die Adoption fremder Kinder ermögliche. Dabei hätten diese "von Natur aus ein Recht auf Vater und Mutter". Kinder, "die sich nicht wehren können", werde dieses Recht genommen. "Wir können die Kinder nicht leiden lassen." Es sei bereits eine "Benachteiligung", wenn Kinder nur mit einem Elternteil aufwüchsen, so Beverfoerde.
Der Bus hatte in den letzten Tagen in München, Stuttgart, Karlsruhe und Wiesbaden sowie Köln Halt gemacht. Vier Stationen sind noch geplant:
Di, 12.9. Hannover, Trammplatz (Gegenprotest)
Mi, 13.9. Kiel, Rathausplatz (Gegenprotest)
Do, 14.9. Dresden, Neumarkt (Gegenprotest)
Fr, 15.9. Berlin, vor dem Kanzleramt (Gegenprotest)
In Berlin wolle man dem Bundeskanzleramt die über 220.000 Unterschriften gegen die Ehe für alle übergeben, die man zusammen mit CitizenGo gesammelt habe, betonte Beverfoerde. Aus dem Büro der Kanzlerin habe man dazu noch nichts gehört, meinte sie. Sie kündigte aber stolz an, dass bei dem Stopp in der Hauptstadt die Autorin Birgit Kelle ("Gender Gaga") sprechen werde. Am nächsten Tag sei ja auch der "Marsch für das Leben".

Aus einem verteilten Flyer zur Petition "Ehe bleibt Ehe" an Bundeskanzlerin Merkel
Update 12.11., 20h: Friedlicher Gegenprotest auch in Hannover
Auch in Hannover stellte sich am Dienstag eine recht kurzfristig organisierte Kundgebung dem Besuch des Busses der "Demo für alle" entgegen. An dem vom Bündnis "Vielfalt statt Einfalt" organisierten Protest, zu dessen Abschluss bunte Ballons in die Luft gelassen wurden, nahmen 150 bis 200 Menschen teil. Es redeten u.a. die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi, der Grünen-Landesvorsitzende Stefan Körner und Mitglieder des Schulaufklärungsteams SCHLAU.

Als die "Demo für alle" vor drei Jahren mit einer regulären Kundgebung in der Stadt Halt gemacht hatte, hatten SCHLAU-Mitglieder berichtet, wie nach monatelanger Hetze Anfragen von Schulen storniert wurden. Mehr zu den damaligen Reden beider Seiten in dieser Reportage; bei den heutigen Kundgebungen konnte queer.de leider nicht vor Ort sein. Einen Bericht zum Tag bietet die HAZ. Die Bilder hier stammen von Andersraum.

Der Hass-Bus selbst konnte erneut nur 30 bis 50 Menschen versammeln. In sozialen Netzwerken behauptete CitizenGo später, der (auf Bildern aufgrund seiner Entfernung schwer zu erkennende) Gegenprotest sei nicht größer gewesen als ihr eigener. Zugleich lobte man sich für vereinzelte Gespräche mit Gegendemonstranten und nutze das zur Bestätigung der eigenen Sicht aus: "Die Hannoveraner LSBT-Szene hat gezeigt, daß sie auch zuhören können."
Update 12.10h: Bus-Stopp in Kiel abgesagt
Laut einer Twitter-Mitteilung von CitizenGo fällt die Kundgebung am Mittwoch in Kiel "aufgrund Orkan und Unwetterwarnung" aus. Die Gegenkundgebung ab 15 Uhr soll dennoch stattfinden: "Wir zeigen trotzdem Flagge! Ein bisschen Wetter hält uns doch nicht davon ab, ein klares Zeichen für Toleranz und Vielfalt zu setzen", schreibt HAKI e.V. bei Facebook. Der Rathausplatz ist bereits mit einer Regenbogenflagge geschmückt.

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» Alle Berichte zur "Demo für alle"
Wenn diese ....Autisten kann man sie ja nicht nennen....mal auf einer Seite der Straße blieben, aber nein, sie springen hin und her. Mal reden sie als Christen von Tatsachen, wio sie doch auf ihrer Erdscheibe hin und her balancieren, andererseits von Gefühl....ja, was denn nun????
Verbrennt sie einfach am 31. Mai, da ist ohnhin Weltuntergang, oder lasst diesen kruden Teil der Gesellschaft einfach durch ihren Altersguru Gauland (ein bezeichnender Name) einfach "entsorgen"!