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Nach Skandal-Kommentar
FAZ: Pressekodex schützt Homosexuelle nicht
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wollte eine Rüge des Presserats wegen eines homophoben Artikels mit dem Argument abwenden, dass Schwule und Lesben keine geschützte "soziale Gruppe" seien.
- 27. September 2017, 12:56h 3 Min.
"Diskriminierende Berichterstattung" – so lautete der Vorwurf des Deutschen Presserates gegen die FAZ, weil sie den homophoben Gastbeitrag "Wir verraten alles, was wir sind" veröffentlicht hatte. Wegen Verstoßes gegen den Pressekodex sprach der Rat vor zwei Wochen eine Rüge gegen die konservative Zeitung aus (queer.de berichtete). Der kritisierte Kommentar war Ende Juni anlässlich der bevorstehenden Bundestagsabstimmung zur Ehe-Öffnung sowohl in der Print- als auch in der Onlineausgabe der FAZ veröffentlicht worden.
Aus der vierseitigen schriftlichen Presserats-Entscheidung, die queer.de vorliegt, geht hervor, dass die FAZ die Rüge mit einem Trick abwenden wollte: Homosexuelle könnten gar nicht in der Presse diskriminiert werden, weil sie nicht im Pressekodex erwähnt werden würden.
In dem Dokument heißt es, der Geschäftsführer und der Justitiar der Zeitung hätten am 25. August unter anderem erklärt, dass kein Verstoß gegen den Pressekodex vorliege: "Ein Verbot zur Diskriminierung wegen der sexuellen Identität" würde der Kodex "gerade nicht" umfassen, so die FAZ-Vertreter.
Pressekodex: Ziffer 12 verbietet Diskriminierung
Konkret geht es um Ziffer 12, der das Thema Diskriminierung vor Minderheiten umfasst. Dieser besagt wörtlich: "Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden." Laut FAZ sind Homosexuelle aber "keine soziale Gruppe" – und könnten sich daher nicht auf diese Ziffer berufen.
Der Presserat verwarf die enge FAZ-Definition und erklärte, es liege ein "schwerer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12" vor. Der anonyme Autor des Artikels stelle mit dem Stilmittel einer rhetorischen Frage die Behauptung auf, dass adoptierte Kinder bei homosexuellen Eltern eher der Gefahr des Missbrauchs ausgesetzt seien, obwohl es dafür "keinen wissenschaftlichen Beleg" gebe. Bei der Aussage handle es sich um einen "schwerwiegenden Verdacht mit hohem Diskriminierungspotenzial".
Für den Presserat sei klar, dass auch Homosexuelle eine "soziale Gruppe" darstellen, auch wenn diese Gruppe nicht direkt im Pressekodex erwähnt wird. Diese Einschätzung entspricht auch der Rechtsprechung der EU: Bereits 2013 erklärte der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung zum Asylrecht, dass Homosexuelle eine "soziale Gruppe" seien und daher bei Verfolgung in ihrem Heimatland Anspruch auf Asyl hätten (queer.de berichtete).
Die FAZ hatte zudem argumentiert, dass der Artikel "weitestgehend eine Meinungsäußerung" darstelle. Die Zeitung warnte den Presserat laut dem Dokument auch vor einer Rüge, da diese die Pressefreiheit einschränken könne. Konkret könnten "Zeitungen keine Artikel mehr zu polarisierenden Themen veröffentlichen, ohne dass sie eine Rüge durch den Beschwerdeausschuss fürchten müssten." Außerdem, so die FAZ, seien die Äußerungen des Autors "sachlich" gewesen. (dk)
Twitter / queerspiegel | Der kritisierte FAZ-Artikel"Habt ihr noch Anstand, Charakter und Ethos im Leib?" – Das fragt man sich beim Autor dieses Textes tatsächlich, @faznet. pic.twitter.com/2j2USlDzYS
— Queerspiegel (@queerspiegel) June 29, 2017
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