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Lebensweisenpolitik
Der halbherzige Vorstoß der Grünen
Sven Lehmann und Franziska Brantner werben im "Tagesspiegel" für einen "Pakt für das Zusammenleben" – der aber nur von zwei Personen geschlossen werden kann.

Der schwule Landesvorsitzende der NRW-Grünen Sven Lehmann wurde im September erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt (Bild: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / flickr)
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8. Oktober 2017, 04:06h 3 Min.
Er will die Nachfolge von Volker Beck als queerpolitische Stimme der Grünen antreten, doch schon seit erster öffentlicher Vorschlag ist ziemlich muffig und nicht besonders wegweisend: In einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" trommelt der frisch gewählte Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann zusammen mit seiner Kollegin Franziska Brantner für einen "Pakt für das Zusammenleben" als Alternative zur Ehe. Doch auch der PaZ soll nur für zwei Personen gedacht sein.
Der Grundgedanke ist richtig: Es geht darum, die rechtliche Situation von Menschen zu verbessern, die nicht heiraten wollen, sich aber dennoch in unterschiedlichsten Lebensgemeinschaften um andere kümmern. Solche Absicherungen, die bislang nur über einen teuren Notar möglich sind, müssen vereinfacht werden.
"In Deutschland sollte der PaZ dazu dienen, das Zusammenleben von Menschen alltagstauglich abzusichern – unbürokratisch und unabhängig von der Ehe", schreiben Lehmann und Brantner in ihrem Gastbeitrag. "Es geht darum, ob Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, ob sie sich lieben ist dafür gar nicht wichtig. Vorstellbar sind solche Pakte in allen möglichen Konstellationen, auch unter Nachbarn und Nachbarinnen oder Verbindungen über Generationen hinweg."
Grüner Vorschlag grenzt viele Lebensweisen aus
Doch warum soll der PaZ dann nur Paaren offen stehen? Warum darf sich die Zweier-WG "pazen", die Vierer-WG aber nicht? Warum sollen zwei Omis, die sich aus Kostengründen eine Wohnung teilen, zurecht ein Besuchsrecht im Krankenhaus erhalten, drei sich liebende Menschen in einer polyamourösen Beziehung jedoch nicht? Warum sollen Bruder und Schwester sich bei Behörden gegenseitig vertreten dürfen, während jedes Mitglied einer fünfköpfigen Landkommune persönlich auf dem Amt antreten muss?
Einen vernünftigen Grund für diese Ausgrenzung gibt es nicht. Offensichtlich aus Angst, als Unterstützer der "muslimischen Vielehe" zu gelten, bleiben Sven Lehmann und Franziska Brantner auf halbem Wege stehen und wiederkäuen nur das im Juni verabschiedete grüne Wahlprogramm, das alle Lebensweisen jenseits der Zweierkiste ignoriert. Modern ist das nicht.
"Darüber hinaus wollen wir mit dem Pakt für das Zusammenleben eine neue Rechtsform schaffen, die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von der Ehe rechtlich absichert."
Zitat aus dem Gastbeitrag im "Tagesspiegel"
Auch im Text von Sven Lehmann und Franziska Brantner ist immer nur von EINEM Partner die Rede. An keiner Stelle wird auch nur angedeutet, dass mehr als zwei Personen für den PaZ in Frage kommen:
"Wer sich formlos für einen Pakt registriert, erhält für die Dauer des Paktes einige Rechte, kann etwa im Krankenhaus Auskünfte über den Gesundheitszustand des Partners einfordern oder kann in der Schule oder bei Behörden den Partner vertreten. Wer den Partner finanziell unterstützt oder für betreute Kinder die Kita-Beiträge zahlt, sollte das von der Steuer absetzen können."















Ich bin froh, dass wir die Ehe für alle in dieser recht konservativen, deutschen Gesellschaft nun haben. Die eingetragene Lebenspartnerschaft war Mist, aber notwendig, um den Ehebegriff in der Gesellschaft zu wandelnden.
Die PaZ muss sich gesellschaftlich auch erstmal etablieren, bevor man sie später erweitern kann.