Diese Regenbogenflagge bei einem Konzert in Kairo war für die Behörden Grund genug zum Beginn einer neuen Verfolgungswelle (Bild: Twitter / @HithamAlkashif)
Das Auswärtige Amt hat am Montag seine Reisehinweise zu Ägypten konkretisiert und um einen größeren warnenden Absatz zu LGBTI-Rechten ergänzt.
"Anders als in Deutschland sind in Ägypten Prostitution und Ehebruch strafbar", warnt die Länderinfo-Seite schon länger Interessierte im Absatz zu Allgemeinen Reiseinformationen: "Darüber hinaus bestehen weit gefasste Tatbestände zum Schutz der Moral oder Religion, nach denen auch Homosexualität geahndet werden kann, zumal wenn sie offen gezeigt wird." Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass entsprechende strafrechtliche Verfolgungen von ausländischen Touristen bislang nicht bekannt wurden – warnt aber seit Montag, dass "Verhaftungen und anschließende Abschiebungen von Ausländern" bereits vorgekommen seien.
Neu aufgenommen hat das Haus von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zudem einen aktuellen Absatz: "Nachdem bei einem Konzert am 22. September 2017 eine Regenbogenflagge geschwenkt wurde, kam es zu zahlreichen Verhaftungen von LGBTI (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle)." Mehrere Personen seien aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Eintretens für die Rechte von LGBTI zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Unter Verweis auf Menschenrechtsorganisationen warnt das Amt, "dass ägyptische Behörden auch Dating-Apps einsetzen, um LGBTI ausfindig zu machen". Es könne nicht ausgeschlossen werden, "dass auch ausländische Touristen Opfer dieses Vorgehens werden könnten".
Zunehmende Razzien und Prozesse
Nachdem Fans bei dem Konzert der libanesischen Band Mashrou' Leila am 22. September in Kairo eine oder mehrere Regenbogenflaggen geschwenkt hatten, waren zunächst sieben Menschen wegen dieser "Werbung" festgenommen worden (queer.de berichtete), ein Mann erhielt laut Medienberichten eine sechsjährige Haftstrafe.
In den letzten Wochen folgten dann zunehmend Meldungen über Festnahmen, teilweise bei Razzien in Bars und gar Privatwohnungen, und auch über Anklagen (queer.de berichtete). Mitte Oktober wurden vier Personen nach einer Razzia in einer Wohnung, bei der angeblich Sextoys gefunden worden, zu drei Jahren Haft verurteilt. Insgesamt wurden in den letzten Wochen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 60 Menschen festgenommen, einige Prozesse dauern an.
Homosexualität ist in dem Land zwar nicht explizit verboten, wird aber zunehmend durch Gesetze zur vermeintlichen Aufrechterhaltung der Moral verfolgt. Die Militärregierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist wiederholt für die Verfolgung von Homosexuellen kritisiert worden – unter ihm soll sich diese noch verstärkt haben. Es gibt auch Berichte, dass mutmaßliche Homosexuelle in Gefängnissen durch Anal-"Untersuchungen" gefoltert werden.
Mitte Oktober hatte die Bundesregierung erklärt, dass sie gegenüber ägyptischen Regierungsvertretern ihre Sorge über die Verfolgung von Homosexuellen zum Ausdruck gebracht habe (queer.de berichtete). "Die Bundesregierung ist sehr besorgt über die Verhaftung zahlreicher Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Eintretens für die Rechte" von LGBTI, so Außenstaatssekretär Walter Lindner (SPD) in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen. Man habe "deutlich gemacht, dass die Achtung der Menschenrechte auch für die bilaterale Zusammenarbeit von grundlegender Bedeutung ist". (nb)