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Repression
Ägypten: Abgeordnete schlagen drakonisches Gesetz gegen Schwule und Lesben vor
Das Tragen einer Regenbogenflagge könnte dem Gesetzentwurf zufolge ebenso mit Gefängnis bestraft werden wie homosexueller Sex oder das Bewerben oder Abhalten von Veranstaltungen.

Eine Regenbogenflagge bei einem Konzert in Kairo vor wenigen Wochen hatte die ägyptische Politik empört – seitdem kam es zu einer Verfolgungswelle mit bis zu 60 Festnahmen (Bild: Twitter / @HithamAlkashif)
- 27. Oktober 2017, 20:01h 3 Min.
Mitten während einer staatlichen Verfolgungswelle gegen Homosexuelle hat ein ägyptischer Abgeordneter einen Gesetzentwurf ins Repräsentantenhaus eingebracht, der u.a. homosexuelle Handlungen erstmals ausdrücklich mit Gefängnis bestrafen soll.
Der Gesetzentwurf wurde am Mittwoch vom Abgeordneten Riyad Abdel Sattar dem Präsidenten des Parlaments übergeben und in einigen Zeitungen veröffentlicht. Der Politiker, der zwölf weitere Abgeordnete zur Unterzeichnung des Entwurfs bringen konnte, betonte, Homosexualität habe in Ägypten "den Status der Manifestation erreicht". Der Gesetzgeber müsse diesen Praktiken und der "Bewerbung abnormalen Verhaltens" ein Ende bereiten, da Homosexualität für eine Gesellschaft gefährlicher sei als Gewalt und Terrorismus.
Der Entwurf sieht vor, "jegliche sexuelle Beziehung" zwischen zwei oder mehr Personen des gleichen Geschlechts mit Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren zu belegen, egal, ob die "abnormalen" Handlungen in der Öffentlichkeit oder privat geschehen. Wer zu homosexuellen Beziehungen "anstiftet", solle die gleiche Strafe erhalten – nimmt er an ihnen teil, drohen gar fünf Jahre.
Für die Bewerbung, etwa in sozialen Netzwerken, oder die Abhaltung von Veranstaltungen Homosexueller sollen dem Entwurf zufolge ebenfalls drei Jahre Gefängnis verhängt werden. Auch heißt es im Entwurf: "Es ist verboten, irgendwelche Zeichen oder Codes für Homosexuelle zu tragen, wie es auch verboten ist, sie herzustellen, zu verkaufen, zu vermarkten oder zu bewerben. Jeder, der gegen diese Vorschrift verstößt, wird mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren bestraft."
Die Chancen des Gesetzentwurfs sind allerdings unklar. Riyad Abdel Sattar ist Abgeordneter der "Partei der Freien Ägypter", die zur Liberalen Internationalen gehört. Die Partei stellt mit 65 Sitzen die größte Fraktion im Parlament, dem allerdings fast 600 Abgeordnete angehören. Der Politiker hatte im Sommer bereits internationale Schlagzeilen mit einem Gesetzentwurf gemacht, wonach sich Ägypter für die Nutzung von Facebook & Co. staatlich registrieren müssten und ansonsten Gefängnis drohe. Um den Entwurf war es danach ruhig geworden.
Beispiellose Verfolgungswelle
Homosexuelle Handlungen sind in Ägypten zwar legal, werden seit Jahren aber immer wieder mit anderen Gesetzen, etwa zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral, verfolgt. Unter der Militärregierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte sich die sporadische Verfolgung in den letzten Jahren allerdings verstärkt – und gerade in den letzten Wochen zu einer regelrechten Verfolgungswelle mit laut Menschenrechtsorganisationen "beispiellosen Ausmaßen" entwickelt.
Begonnen hatte sie, nachdem Fans bei einem Konzert der libanesischen Band Mashrou' Leila am 22. September in Kairo mindestens zwei Regenbogenflaggen geschwenkt hatten. Zunächst waren sieben Menschen wegen dieser "Werbung" festgenommen worden (queer.de berichtete), ein Mann erhielt laut Medienberichten eine sechsjährige Haftstrafe.
In den letzten Wochen folgten dann zunehmend Meldungen über Festnahmen, teilweise bei Razzien in Bars und gar Privatwohnungen – und auch über Anklagen und Gerichtsverhandlungen (queer.de berichtete). Mitte Oktober wurden vier Personen nach einer Razzia in einer Wohnung, bei der angeblich Sextoys gefunden worden, zu drei Jahren Haft verurteilt. Insgesamt wurden in den letzten Wochen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 60 Menschen festgenommen, einige Prozesse dauern an.
Seit 2013 war es den Schätzungen zufolge zu insgesamt rund 230 Festnahmen von LGBTI gekommen, teilweise vorübergehend und größtenteils mit Gesetzen gegen Prostitution und gegen "Ausschweifungen" begründet. Bei einigen Festgenommenen sei es zu Anal-Untersuchungen gekommen, auch im Rahmen der neuesten Verhaftungen.
Anfang der Woche hatte das deutsche Außenministerium seine Reisehinweise für LGBTI zu Ägypten verschärft und auch davor gewarnt, dass die Behörden Dating-Apps einsetzen könnten, "um LGBTI ausfindig zu machen". Auch Touristen könnten Opfer der Verfolgung werden, ihnen drohten Verhaftungen und Abschiebungen (queer.de berichtete). (nb)

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""Der Gesetzgeber müsse diesen Praktiken und der "Bewerbung abnormalen Verhaltens" ein Ende bereiten, da Homosexualität für eine Gesellschaft gefährlicher sei als Gewalt und Terrorismus.""
Wenn die das wirklich glauben, haben sie bisher zu wenig Terrorismus erlebt und vielleicht zu wenige Angehörige verloren. Man kann auch Vergleiche mit etwas ziehen, das von den Dimensionen her nicht unterschiedlicher sein könnte.
Mit solchen Regierungen dann diplomatische Beziehungen zu unterhalten, addiert Schande.