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Auch in seinem neuen Roman "Das Erwachen der Unschuld" thematisiert Max Meier-Jobst die schmale Gratwanderung zwischen Liebe und Missbrauch.
Wer erinnert sich nicht an jene Kindheitsmomente, in denen die Pubertät schleichend beginnt, ihren langen Schatten vorauszuwerfen. Eine Kissenschlacht, eine freundschaftliche Umarmung oder ein harmloser Übernachtungsbesuch – und auf einmal sind sie da, bislang ungekannte Gefühle, die aus dem Spielkamerad ein potenzielles Liebesobjekt machen. Wenn es sich dabei auch noch um ein Wesen gleichen Geschlechts handelt, wird die Sache natürlich nicht einfacher.
So ergeht es auch Romanheld Simon in "Das Erwachen der Unschuld" (Amazon-Affiliate-Link ), der sich schon mit zehn in den zwei Jahre jüngeren, bildhübschen Nachbarsjungen Niklas verliebt. Doch richtig kompliziert wird es erst, als Erwachsene glauben, sich in das Gefühlschaos der Heranwachsenden einmischen zu müssen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich nun um Niklas' tablettensüchtige Mutter, um Simons wohlmeinende, doch völlig überbehütende Eltern oder einen dubiosen Pädagogen handelt, dem die Seelen junger Menschen zufliegen, obwohl – oder vielleicht ja auch gerade weil – er sich nicht um (Alters-)Grenzen schert.
Die Melancholie und der Missbrauch
Zunächst einmal scheinen die Rollen klar verteilt: Auf der einen Seite der Protagonist, der uns voller Melancholie die Erinnerung an seine verflossene Jugendliebe schildert. Auf der anderen Seite der Antagonist in Gestalt des selbstgerechten Alt-Revoluzzers und Jugendclub-Chefs Big Joe, den der Leser genauso schnell wie Simon als Verantwortlichen für eindeutige Grenzüberschreitungen identifiziert.
Doch dann verschwimmen auch hier die Grenzen: Simon geht es nicht mehr bloß um Aufklärung und Verarbeitung, es geht um Verleumdung und Vergeltung. Mit zunehmendem Unbehagen begleiten wir ihn auf einem Rachefeldzug, der immer perfidere Züge annimmt und die Frage aufwirft, die auch der nur scheinbar triviale Titel stellt: Kann man sich am Abend schuldig machen und dennoch am nächsten Morgen wieder als Unschuldiger erwachen?
Von der Autobiographie zur Fiktion
Diese Schuldfrage beschäftigte den Autoren bereits in seinem autobiographischen Vorgänger. "Die Sache mit Peter", eine drastische Schilderung seiner frühen Verführung durch einen mehr als doppelt so alten Mann, hat sich bald 2.000 Mal verkauft und gilt damit durchaus als Achtungserfolg für das Debüt eines unbekannten Schreibers ohne großen Verlag im Rücken. Kein Wunder also, dass Meier-Jobst, der in Wahrheit anders heißt und sich als freier Journalist verdingt, schnell einen Nachfolger lanciert hat.
Wer jedoch auf eine Fortsetzung und damit Auflösung des offenen Endes der Peter-Geschichte spekuliert hatte, wird enttäuscht sein. Trotzdem ist auch "Das Erwachen der Unschuld" lesenswert, denn der Autor schafft es noch stärker als schon in seinem Debüt in diesem kurzen, verdichteten Roman Spannung aufzubauen. Die Handlung schlägt gewagte Pirouetten zwischen zuckersüßer Coming-of-Age-Romantik und bitterbösem Psychothriller – eine Mischung, die erstaunlicherweise aufgeht.
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