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Wutrede live im TV
Erdogan echauffiert sich über "Homosexuellenquote" der Opposition
In einer Ansprache nutzte der türkische Präsident ein Beispiel aus der kommunalen Politik, um die Opposition mit Homophobie anzugreifen.

Turkish Presidency / twitter) Erdogan am Donnerstag im Präsidentenpalast in Ankara bei einer Ansprache von Delegierten aus Städten und Kommunen (Bild:
- 9. November 2017, 18:37h 2 Min.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Existenz einer "Homosexuellen-Quote" in einem Stadtteilrat als vermeintlichen Verstoß gegen die Werte der Türkei verurteilt. In einer live im Fernsehen übertragenen Rede nutzte der Politiker das Beispiel, um die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) zu verurteilen.
"Eine Partei, die den Titel der Haupt-Oppositionspartei trägt, hat sich soweit von unserer Nationalität entfernt, dass sie eine Homosexuellenquote von 1:5 bei lokalen Komitee-Wahlen aufgestellt" habe, so Erdogan in der Ansprache aus Ankara. "Wenn es keine Mäßigung mehr in einer Partei gibt, weiß keiner, wohin das sie noch führen kann."
Erdogan hatte bisher selten über LGBTI-Themen gesprochen – 2013 hatte er allerdings betont, dass Homosexualität der "Kultur des Islam" widerspreche (queer.de berichtete). Von der Rede am Donnerstag überraschte Medien recherchierten, dass er wohl den Stadtteilrat (Kent Konseyi) des Nilüfer-Viertels der westtürkischen Großstadt Bursa meint. In dem von der CHP regierten Viertel gibt es bei diesem Nachbarschafts-Komitee demnach tatsächlich Mindest-Quoten für Frauen und Jüngere (jeweils 1:3) sowie Behinderte und LGBT (jeweils 1:5). Der Rat veranstaltet unter anderem Kulturevents und kümmert sich um Umwelt- und Gleichstellungsfragen.
In der Rede hatte Erdogan Oppositionsparteien ansonsten noch vorgeworfen, mit terroristischen Organisationen zusammenzuarbeiten. Auch beschuldigte er europäische Länder und vor allem Deutschland, die PKK zu unterstützen. Deren Anhänger liefen etwa frei durch Berlin, beklagte der 63-Jährige, der nach einem Putsch-Versuch im letzten Jahr hunderte Oppositionelle sowie Polizisten, Soldaten, Richter, Staatsanwälte und Journalisten festnehmen ließ.
Zunehmende Unterdrückung auch der Szene
Auch LGBTI mussten zuletzt unter der zunehmenden Repression in der Türkei leiden. Homosexuelle Handlungen sind auf dem Gebiet des Landes seit 1858 legal, in den letzten Jahren hatte sich zudem in den Metropolen, auch unter dem Eindruck einer hohen Gewalt- und Mordrate an Homo- und Transsexuellen, eine bemerkenswert große und aktivistische Szene entwickelt.

2015 wurde erstmals der CSD in Istanbul von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Trotz internationaler Empörung wiederholten sich die Szenen in den letzten beiden Jahren mehrfach
2015 wurde dann allerdings überraschend vom Gouverneur der Istanbul Pride verboten – Bilder, wie die Polizei Gummigeschosse und Tränengas gegen die Demonstranten einsetzte, gingen ebenso um die Welt wie ein Bild des CHP-Parlamentsabgeordneten Mahmut Tanal, der auf einen Wasserwerfer kletterte, um mit den Polizisten zu diskutieren (queer.de berichtete). Auch 2016 und in diesem Jahr kam es beim Trans Pride und beim Istanbul Pride zu ähnlichen Szenen und vorübergehenden Festnahmen (queer.de berichtete). Wegen der Unterstützung der Opposition waren in den letzten Monaten zudem mehrfach einzelne LGBTI-Aktivisten festgenommen worden. (nb)
