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Eklat in Bremen

Grünenpolitikerin empört sich über "rechten, schwulen Jens Spahn"

Nach Kritik an ihrer Äußerung bei einem Parteitag lässt die Europa-Abgeordnete Helga Trüpel ihre Parteimitgliedschaft ruhen.


Helga Trüpel war seit 1980 Mitglied der Grünen (Bild: Julia Reda / flickr)

  • 12. November 2017, 12:25h 168 6 Min.

Die grüne Europaparlamentsabgeordnete Helga Trüpel hat am Samstag bei der Landesmitgliederversammlung der Partei in Bremen für einen Eklat gesorgt. Wie zunächst Radio Bremen noch während des Parteitags berichtete, warnte die 59-Jährige vor einem Scheitern der Sondierungsgespräche im Bund mit den folgenden Worten: "Wenn Merkel das nicht hinkriegt, dann ist sie weg. Und dann kommt dieser rechte, schwule Jens Spahn vielleicht. Daran habe ich nun gar kein Interesse."

Wie Radio Bremen berichtete, sei die Äußerung über das Präsidiumsmitglied der Bundes-CDU zunächst unkommentiert geblieben. Später habe Trüpel – offenbar nach persönlich geäußerter Kritik ihr gegenüber – noch einmal das Wort ergriffen, sich entschuldigt und betont: "Was ich sagen wollte – und ich entschuldige mich nochmal, das kommt leider mal vor: Auch wenn er schwul ist – was gut ist – hat er auf diesem Ticket kein Recht, rechte Gesellschaftspolitik zu machen und gegen Migranten und Flüchtlinge vorzugehen."

Später habe eine Rednerin eine Debatte zu der Äußerung gefordert, was die Parteitagsführung aber abgelehnt habe. Der Bremer Landeschef der Grünen, Ralph Saxe, sagte der Radio-Bremen-Sendung "buten un binnen" zu der Äußerung: "Ich hab's wahrgenommen und kann mich von der Aussage nur distanzieren."

"Leute wollten mich missverstehen"

Nach dem ersten Bericht von Radio Bremen hatte der Bremer CDU-Chef Jörg Kastendiek die Äußerung von Trüpel gegenüber "buten un binnen" und dem "Weser Kurier" scharf kritisiert: Sie zeuge von einer "tiefen Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersfühlenden". Kastendiek, dessen Bremer CDU die homophobe Politikerin Elisabeth Motschmann erneut zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl aufgestellt hatte, betonte, die Entschuldigung Trüpels "macht es leider auch nicht besser". Diese sei halbherzig und werde durch die gleichzeitige inhaltliche Polemik vollends entwertet.

Am Samstagabend gab Trüpel dann in einem Brief an die Parteibasis bekannt, dass sie ihre Mitgliedschaft bei den Grünen ruhen lassen wolle, "bis wir unsere Konflikte geklärt haben". Das seit 2004 ausgeübte Mandat im EU-Parlament werde sie "bis zum Ende der Legislaturperiode" weiter wahrnehmen (sie hatte schon vor einigen Monaten angekündigt, nicht erneut zu kandidieren), auch werde sie Mitgliedsbeiträge und Spenden weiter zahlen.

In dem Brief beklagte Trüpel, die für die Partei zwischen 1987 bis 1991 und erneut von 1995 bis 2004 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft war, einen schon längeren fehlenden Rückhalt durch einige Grüne, "persönliche Grenzen" ihrer "Kränkbarkeit" seien nun überschritten. Zu der Spahn-Äußerung bemerkte die Politikerin, dass ihr eine fehlerhafte Formulierung "homophob von 'buten un binnen' und Radio Bremen ausgelegt worden" sei. Die frühere Bremer Senatorin für Kultur und Ausländerintegration betonte, sie habe "sagen müssen und wollen, dass Jens Spahn, obwohl er schwul ist, rechte Gesellschaftspolitik macht, was ich deutlich kritisiere. Bei einem Schwulen könnte frau und man ja hoffen, dass er aufgrund seiner eigenen Differenzerfahrung, mitfühlender bei Flüchtlingen und MigrantInnen wäre. Das ist Jens Spahn aber nicht."

Sie habe nicht kritisiert, "dass er schwul ist", so die Politikerin weiter. "Ich habe auch nicht gesagt, dass alle Schwulen rechts oder alle Rechten schwul sind." Sie gebe aber zu, dass die Formulierung "nicht gut genug war" und "missverstanden werden konnte". "Aber es wollten mich Leute auch missverstehen", so die 57-Jährige.

Trüpel betonte in ihrem Brief, dass sich Saxe von ihrer Äußerung distanziert habe. "Wäre es auch hetero- und frauenfeindlich gewesen, wenn ich gesagt hätte, dass ich eine grüne Hetero-Frau bin? Hätte dann irgendwer auf der Versammlung mich gegen diese Anschuldigungen verteidigt? Heute hat niemand versucht zu erklären, was ich sagen wollte." Erst auf ihre Bitte hin habe Saxe auf dem Parteitag erklärt, dass er die Entschuldigung akzeptiere.

Keine Entschuldigung an Spahn

Der Brief enthält keine direkt an Spahn gerichtete Bitte um Entschuldigung. Trüpel betont allerdings "noch einmal, dass jede Beleidigung von Schwulen und Lesben mir fern liegt. Wenn ich die persönlichen Gefühle von Schwulen und Lesben verletzt habe, tut mir das leid. Das war nicht meine Absicht."


Jens Spahn bei einer Rede im Bundestag. (Bild: Deutscher Bundestag/Achim Melde)

Jens Spahn selbst ist in seinen Kanälen bislang nicht auf die Äußerung eingegangen. Der 37-jährige Bundestagsabgeordnete aus NRW, seit vier Jahren mit einem Journalisten liiert, arbeitet seit zwei Jahren als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. In Interviews hatte er immer wieder Homophobie speziell unter Muslimen und Einwanderern kritisiert und Szeneverbänden "Relativierung" vorgeworfen (queer.de berichtete), gleichzeitig aber "Toleranz und Respekt" für Menschen eingefordert, die die Ehe für alle ablehnen (queer.de berichtete).

Spahn sorgte immer wieder mit populistischen Äußerungen für Schlagzeilen, etwa als er 2014 ein Burka-Verbot forderte, und wird dem konservativen Lager der Union zugerechnet. In diesem Jahr forderte er unter anderem "mehr Family-Mainstreaming statt immer nur Gender-Mainstreaming" (queer.de berichtete). (cw)


 Update  13.11., 10.30h: CDU fordert klarere Entschuldigung oder Mandatsniederlage

Der Bremer CDU-Chef Jörg Kastendiek hat am Sonntag seine Kritik an Trüpel ausgeweitet: "Ich erwarte von ihr, dass sie sich in den nächsten Tagen klipp und klar noch einmal äußert, dass sie das gerade rückt", sagte er gegenüber "buten un binnen". "Sie war bisher diesbezüglich so nicht aufgefallen. Wenn sie aber wirklich der Meinung ist, dass was sie da gestern gesagt hat, dass das ihre Ansicht ist, dann sollte sie darüber nachdenken, ob sie in diesem Parlament noch die richtige ist." Die Abgeordnete solle das Grundgesetz lesen, "wenn sie sagt, dass Homosexuelle nicht konservativ denken dürfen".

Ein Video von "buten und binnen" zeigte Trüpel am Samstag mit weiteren Erklärungsversuchen gegenüber der Kamera von Radio Bremen. Spahn mache "Politik damit, dass er schwul ist", wie das auch Westerwelle oder Wowereit gemacht hätten, sagte sie. "Aber wenn er auf dem Ticket rechte Politik macht, gegen eine offene Gesellschaft, gegen Migranten und Flüchtlinge, dann kritisiere ich das. Auch wenn er ein Schwuler ist – super, super, super – hat er deswegen nicht das Recht, rechts zu sein".

Ralph Saxe, zusammen mit Kai Wargalla Landeschef der Bremer Grünen, bemühte sich am Sonntag gegenüber der DPA um Deeskalation, auch innerparteilich: "Helga Trüpel hat das richtiggestellt und sich dafür entschuldigt. Ich habe die Entschuldigung angenommen." Es sei völlig abwegig, Trüpel Homophobie vorzuwerfen. "Wir schätzen Helga sehr und wünschen uns, dass sie ein aktiver und nicht ein ruhender Teil unseres Landesverbandes ist." In den nächsten Tagen werde es ein grüneninternes Gespräch geben.

Die Europaabgeordnete selbst schrieb am Montagmorgen auf Facebook: "Schwul ist für mich kein Schimpfwort, sondern eine Art der Liebe. Für andere ist es offensichtlich ein Schimpfwort. Wer ist hier eigentlich homophob? Meine Äußerung war missverständlich. Habe mich öffentlich entschuldigt."

Sowohl "buten und binnen" als auch der "Weser-Kurier" hatten die Abgeordnete am Sonntag in Kommentaren kritisiert.

#1 goddamn liberalAnonym
  • 12.11.2017, 12:32h
  • "Auch wenn er schwul ist was gut ist hat er auf diesem Ticket kein Recht, rechte Gesellschaftspolitik zu machen und gegen Migranten und Flüchtlinge vorzugehen."

    Hat er doch.

    Aber NUR dann, wenn die Migranten und Flüchtlinge selbst rechts und homophob sind.

    Oder antisemitisch.

    Unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.
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#2 queergay
  • 12.11.2017, 12:53h
  • Jens Spahn ist einer der wenigen, die sich trauen die Homosexuellen-Feindlichkeit speziell in muslimischen Kreisen und bei Zuwanderern zu thematisieren. Und es muß selbstverständlich erlaubt sein, derartiges auch zu artikulieren und entsprechend öffentlich zu machen.
    Genauso kann und darf man kritische Äußerungen über kirchlich-christliche Kreise und deren Vorbehalte oder Ablehnung gegenüber queeren Menschen in öffentliche Debatten uneingeschränkt einbringen.
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#3 LaurentEhemaliges Profil
  • 12.11.2017, 12:55h
  • >> ... Und dann kommt dieser rechte, schwule Jens Spahn vielleicht. Daran habe ich nun gar kein Interesse.<<

    Gut, dass es auf das Interesse solcher Personen auch nicht ankommt.
    Weg mit ihr.
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