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Erfolgreiche Volksabstimmung
Australier stimmen deutlich für die Ehe für alle
Über 60 Prozent der Wähler verlangen vom Parlament, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Nach einigen Feierlichkeiten geht der Kampf um Details des Gesetzes weiter.

Sydney kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses um 10 Uhr Ortszeit (Mitternacht deutscher Zeit)
- 15. November 2017, 00:05h 4 Min.
Die Ehe für alle hat jetzt auch Down Under erreicht: Wie die nationale Statistikbehörde am Mittwoch in Canberra bekannt gab, haben sich bei der Briefwahl 61,6 Prozent der Wähler dafür ausgesprochen, die Ehe für Schwule und Lesben zu öffnen. 38,4 Prozent stimmten dagegen. Die Wahlbeteiligung war mit 79,5 Prozent hoch, eine Pflicht zur Teilnahme hatte nicht bestanden. Eine Mehrheit pro Ehe-Öffnung gab es in allen Bundesstaaten und Territorien.
In Melbourne und Sydney lag die Zustimmung bei rund 84 Prozent. Insgesamt stimmten 7,8 Millionen Australier für den Schritt. Die Wahlbeteiligung war bei älteren Australiern im großen und ganzen höher als bei jüngeren, auch stimmten mehr Frauen (Beteiligung 81,6 Prozent) ab als Männer (77,3 Prozent).
In Sydney und anderen Metropolen hatten sich LGBTI in Zentren, Parks und Bars versammelt, um die Verkündung um 10 Uhr Ortszeit zu feiern. Am Nachmittag soll eine riesige Regenbogenflagge in Darlinghurst, dem queeren Viertel von Sydney gehisst werden.
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Das Ergebnis ist für die Politik nicht verpflichtend. Premierminister Malcolm Turnbull hatte allerdings versprochen, dass das Parlament bei einem "Ja" einen Gesetzentwurf zur Ehe für alle behandeln und verabschieden werde, und gar eine Umsetzung bis Weihnachten ins Gespräch gebracht. Bereits ab Donnerstag könnte dazu im Senat, ab Montag im Repräsentantenhaus beraten werden. "Die Menschen hatten mit großer Mehrheit 'Ja zu Fairness' und 'Ja zur Liebe' gesagt", meinte Turnbull am Mittwoch nach Verkündung des Ergebnisses. Nun sei es Aufgabe des Parlaments "to get on with it". Umfragen von Medien hatten ergeben, dass eine ausreichende Mehrheit der Abgeordneten in beiden Kammern dem Votum der Briefwähler folgen werde.

Premierminister Malcolm Turnbull wiederholte kurz nach der Bekanntgabe des Ergebnisses, er hoffe, die Ehe für alle noch bis Weihnachten verabschiedet zu bekommen
Allerdings könnte der Teufel noch im Detail liegen: LGBTI-Gegner hatten in den letzten Tagen über Pläne gesprochen, die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben noch mit der Gesetzgebung einzuschränken. So schlugen konservative Parlamentarier vor, die Ehe für alle nur zuzulassen, wenn es ausreichende Möglichkeiten für Personen gebe, eine Beteiligung an gleichgeschlechtlichen Eheschließungen abzulehnen. Während die Opposition das nur kirchlichen Gemeinschaften zugestehen will, denken manche konservative Politiker auch an Firmen (etwa Hotels oder Bäcker von Hochzeitstorten) und auch an Standesbeamte. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist in Vorbereitung, LGBTI-Aktivisten wollen dagegen ankämpfen.

Webseite der Behörde Details der Statistikbehörde (rechte Seite zur Wahlbeteiligung!), mehr Ergebnisse auf der
Jahrelange Debatte vor finalem Showdown
Alle registrierten australischen Wähler hatten zwischen dem 12. September und 7. November die Möglichkeit, per Post über die Öffnung der Ehe abzustimmen. Die Abstimmung war nötig geworden, weil sich die regierende konservative "Liberal Party" innerparteilich nicht auf eine Position einigen konnte. Auch war die Opposition nicht für ein reguläres (und ebenfalls seltenes) Referendum zu gewinnen, das vom Wahlamt und nicht von der Statistikbehörde durchgeführt worden wäre.
Premierminister Turnbull, ein Befürworter der Ehe für alle, setzte deshalb die Briefwahl durch, um einen innerparteilichen Streit zu vermeiden. LGBTI-Aktivisten hatten dieses Vorgehen jedoch scharf kritisiert: Sie befürchteten wegen Erfahrungen in anderen Ländern, dass eine derartige Abstimmung eine homophobe Kampagne mit sich ziehe und die Zahl der Übergriffe auf LGBTI erhöhe. Tatsächlich tauchten in vielen Städten homophobe Poster und Werbeborschüren auf, in denen Schwule und Lesben etwa mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht wurden (queer.de berichtete).
Ein weiterer Kritikpunkt war, dass das Referendum nicht notwendig sei, weil es ohnehin nicht bindend ist und es im Parlament bereits bei freier Abstimmung eine Mehrheit gegeben hätte. Außerdem seien die Kosten für die Allgemeinheit mit 122 Millionen Dollar (82 Millionen Euro) viel zu hoch, nur um einen innerparteilichen Streit zu vermeiden.
Sollte das Parlament der Ehe-Öffnung zustimmen, wäre Australien das 23. Land weltweit, dass Homo-Paare im Eherecht gleichbehandelt. 2015 hatten die Wähler in Irland bei einem Referendum die Ehe für alle geöffnet, mit 62,07 Prozent lag die Zustimmung leicht höher, mit 60,5 Prozent die Wahlbeteiligung deutlich niedriger als in Australien (queer.de berichtete). Gegen Ende des selben Jahres wurde in Slowenien eine vom Parlament beschlossene Ehe-Öffnung durch ein Referendum gestoppt (queer.de berichtete). (nb/dk)

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