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Homosexuellenverfolgung
23 Opfer des Paragrafen 175 erhielten jeweils bis zu 9.000 Euro
Vier Monate nach Inkrafttreten des Rehabilitierungsgesetzes sind beim Bundesamt für Justiz bislang nur 50 Anträge auf Entschädigung eingegangen, erfuhren die schwulen Senioren bei einem Besuch.

Im kommenden Jahr soll es ein neues Treffen geben: Vertreter von BISS zu Gast im Bundesamt für Justiz (Bild: Bundesamt für Justiz)
- 21. November 2017, 06:45h 3 Min.
Beim Bundesamt für Justiz (BfJ) sind bislang 50 Anträge auf Entschädigung von aufgrund ihrer Homosexualität verurteilten Männern eingegangen. Dies gab die zuständige Behörde am Montag in einer Pressemitteilung bekannt. Anlass war ein Besuch von Vertretern der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS).
In 23 Fällen wurden die Anträge bereits bewilligt; die Betroffenen erhielten Entschädigungen zwischen 3.000 und 9.000 Euro ausgezahlt. Zwei Anträge mussten nach Aussage des Bundesamtes abgelehnt werden. Hier sei der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht betroffen gewesen bzw. habe ein Ausnahmetatbestand eingegriffen. In den noch anhängigen Fällen steht in der Regel die dem Entschädigungsverfahren zumeist vorgelagerte Ausstellung der Rehabilitierungsbescheinigung durch die zuständige Staatsanwaltschaft noch aus.
Für dieses Jahr stehen 4,5 Millionen bereit
Das "Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (StrRehaHomG) war am 22. Juli in Kraft getreten. An diesem Tag wurden alle Urteile, die nach dem Krieg nach den Paragrafen 175 StGB und 151 StGB-DDR wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen mit über 16-Jährigen gefällt wurden, automatisch aufgehoben (queer.de berichtete). Daneben sieht das Gesetz für die Betroffenen eine individuelle Entschädigung vor. Je Urteil werden 3.000 Euro und für jedes angefangene Jahr Freiheitsentzug 1.500 Euro Wiedergutmachung geleistet. Die Beträge werden nicht auf Sozialleistungen angerechnet und können auch nicht gepfändet werden.
Auch wer über die vielen Jahrzehnte seine Prozessunterlagen nicht aufbewahrt hat, kann eine Entschädigung erhalten. Dann muss zunächst bei einer Dienststelle der Staatsanwaltschaft eine Rehabilitierungsbescheinigung beantragt und die Verurteilung mittels eidesstattlicher Erklärung glaubhaft gemacht werden. Das Bundesamt für Justiz hat auf seiner Webseite alle Informationen eingestellt, die Betroffene benötigen. Dort findet sich auch im Downloadbereich ein Antragsformular für die Entschädigung.
Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren hat für die überwiegend sehr betagten und zum Teil traumatisierten Betroffenen zudem eine Beratungshotline eingerichtet, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Sie ist montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr und zusätzlich mittwochs und donnerstags von 16 bis 18 Uhr unter der kostenlosen Rufnummer (0800) 175 2017 zu erreichen. Für ihren Einsatz für die Rehabilitierung und Entschädigung wurde BISS am 30. Oktober mit dem Jean-Claude-Letist-Preis ausgezeichnet (queer.de berichtete).
Der Bundestag hatte im Gesetzgebungsverfahren mit deutlich mehr Anträgen von Opfern des Paragrafen 175 gerechnet. So sind im Justiz-Haushalt für das laufende Jahr insgesamt 4,5 Millionen Euro für die individuelle Entschädigung verurteilter Homosexueller eingeplant. Insgesamt rechnet das Justizministerium mit rund 5.000 Antragstellern und einer Entschädigungssumme von 30 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre. Alle Anträge müssen vor dem 22. Juli 2022 gestellt werden. (cw)

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