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Über 70 Festnahmen seit September
Ägypten: 14 Schwule zu Haftstrafen verurteilt
Die Männer sollen – im Rahmen einer regelrechten Verfolgungswelle gegen Homosexuelle – für drei Jahre ins Gefängnis. Bis zur Berufung kamen sie zunächst auf Kaution frei.

Mehrere Regenbogenflaggen bei einem Konzert in Kairo hatten im September die ägyptische Politik empört – seitdem wurde die Verfolgung schwuler Männer erneut verstärkt
- 27. November 2017, 10:54h 3 Min.
Ein Gericht der ägyptischen Hauptstadt Kairo hat am Sonntag 14 mutmaßlich homosexuelle Männer zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP kamen sie zunächst gegen Zahlung einer Kaution von umgerechnet 230 Euro bis zum Beginn der Berufungsverfahren frei.
Die Agentur beruft sich auf den Verteidiger der Männer, Ishaq Wadie. Demnach sei ein Verfahren gegen drei weitere Angeklagte aus verfahrenstechnischen Gründen vertagt worden. Den Männern würden "abnormale" sexuelle Beziehungen zur Last gelegt. Zum Beginn des Prozesses Anfang Oktober hatte die Staatsanwaltschaft betont, die Männer seien in einerWohnung beim Sex erwischt worden. Menschenrechtsgruppen hatten den Behörden dagegen vorgeworfen, Polizeibeamte hätten die 17 Männer in der Vorwoche völlig willkürlich in Straßen und Restaurants festgenommen (queer.de berichtete). Die Verhaftungen seien Teil einer gegen Homosexuelle gerichteten Regierungskampagne.
Homosexuelle Handlungen sind in Ägypten zwar legal, werden seit Jahren aber immer wieder mit anderen Gesetzen, etwa zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral oder gegen "Ausschweifungen", verfolgt. Aus einer einst sporadischen Verfolgung hatte sich in den letzten Jahren, vor allem unter der Militärregierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi, eine konstantere Verfolgung entwickelt. So wurden zwischen März 2013 und März 2017 Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen zufolge rund 230 Menschen wegen Homosexualität festgenommen, in den 13 Jahren zuvor rund 190.
Massiver Anstieg der Verfolgung
Vor allem in den letzten Monaten hatte sich die Verfolgung erneut verschärft und zu einer regelrechten Welle entwickelt. Begonnen hatte sie, nachdem Fans bei einem Konzert der libanesischen Band Mashrou' Leila am 22. September in Kairo mindestens zwei Regenbogenflaggen geschwenkt hatten. Zunächst waren sieben Menschen wegen dieser "Werbung" festgenommen worden (queer.de berichtete), ein Mann erhielt laut Medienberichten eine sechsjährige Haftstrafe.
In den letzten Wochen folgten dann zunehmend Meldungen über Festnahmen schwuler Männer, teilweise bei Razzien in Bars und gar Privatwohnungen – und auch über Anklagen und Gerichtsverhandlungen. Mitte Oktober wurden etwa vier Personen nach einer Razzia in einer Wohnung, bei der angeblich Sextoys gefunden worden, zu drei Jahren Haft verurteilt. Insgesamt wurden in den letzten Wochen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen mindestens 76 Menschen festgenommen und, die aktuellen Verurteilungen hinzugerechnet, 46 zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren verurteilt. Bei einigen Festgenommenen sei es zu Anal-Untersuchungen gekommen.
Twitter / AmnestyIreland | Auch Amnesty International setzt sich mit einer Petition für die verfolgten Homosexuellen in Ägypten ein. Die "Urgent Action" gibt es auch auf deutsch.76 people arrested by Egyptian authorities for their perceived sexual orientation. At least 32 sentenced to prison. Meanwhile the Egyptian parliament is debating a new draft law which would criminalise by law same-sex relationships. Take action now: https://t.co/xMcrToWs1A #Egypt pic.twitter.com/q1RDYDr2sp
— Amnesty Ireland (@AmnestyIreland) November 23, 2017
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Ende Oktober hatte das deutsche Außenministerium seine Reisehinweise für LGBTI zu Ägypten verschärft und auch davor gewarnt, dass die Behörden Dating-Apps einsetzen könnten, "um LGBTI ausfindig zu machen". Auch Touristen könnten Opfer der Verfolgung werden, ihnen drohten Verhaftungen und Abschiebungen (queer.de berichtete). Dem ägyptischen Parlament liegt seit Ende Oktober ein Gesetzentwurf vor, der die "Bewerbung abnormalen Verhaltens" mit drakonischen Haftstrafen belegen soll (queer.de berichtete) (nb)
