Die Evangelische Landeskirche in Württemberg bleibt im Umgang mit Schwulen und Lesben weiterhin das Schlusslicht der EKD: Nachdem bei der Herbstsynode in Stuttgart bereits am Dienstag ein Antrag zu einer "Trauung für alle" mit 36 zu 59 Stimmen bei zwei Enthaltungen scheiterte, verfehlte am Mittwoch auch ein (von offeneren Teilen der Kirche als diskriminierend beschriebener) Kompromissvorschlag des Oberkirchenrats, der zumindest in einigen Fällen eine Segnung im Gottesdienst ermöglicht hätte, die in zweiter Lesung nötige Zweidrittelmehrheit.
Den ersten Antrag (PDF), hetero- und homosexuelle Paare in der Trauordnung komplett gleichzustellen, hatte die Gruppierung "Offene Kirche" eingebracht, der 32 der 98 Synodalen angehören. Die Kirchenführung inklusive des Landesbischofs Frank Otfried July hatte sich allerdings gegen den Antrag ausgesprochen, unter anderem mit dem Argument, dass dieser die Einheit der Kirche gefährde.
Landesbischof July
Stattdessen plädierte July zum Einstieg der Debatte am Dienstag für den Kompromissantrag (PDF), mit dem – ausdrücklich als "Ausnahme" – eine neue freiwillige "Amtshandlung" kreiert werden sollte, die keine Trauung, aber eine Segnung in einem Gottesdienst ermöglicht hätte – allerdings nur, wenn die jeweilige Gemeinde vorab das Regelwerk eigenständig verabschiedet, wozu teilweise mindestens Dreiviertel-Mehrheiten (!) von Pfarramt und/oder Gemeinderat notwendig gewesen wären. Zudem hätte die "Amtshandlung", deren Details erst bei der nächsten Synode beschlossen werden sollten, "kein begründetes Ärgernis in der Gemeinde erregen" dürfen. Während Homo-Paare bei dem Kompromiss nur unter Schwierigkeiten auf eine andere Gemeinde hätten ausweichen können, hätten Pfarrer und Verantwortliche eine Mitwirkung an der "Amtshandlung" ablehnen dürfen.
Die Evangelikalen blieben stur
July, der wie manche Redner Verständnis für alle Seiten der Debatte einforderte, war damit vor allem der größten Gruppe in der Synode, dem Gesprächskreis "Lebendige Gemeinde" als Zusammenschluss evangelikaler Christen, entgegen gekommen. Doch Redner der Gruppe, mit 43 Stimmen mit einer Blockademehrheit bei Zweidrittel-Entscheidungen ausgestattet, machten schnell klar, dass sie keinen Kompromiss mittragen würden, der Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare in der Öffentlichkeit ermöglichen würde – und das trotz zahlreicher Bitten in der Debatte auch anderen Mitgliedern der Landeskirche nicht. "Auf der Basis verschiedener Bibelverständnisse lassen sich biblische Aussagen über den Willen Gottes und eine homosexuelle Praxis aus unserer Sicht nicht in Einklang bringen", begründete Dekan Ralf Albrecht die Ablehnung durch seinen Gesprächskreis.
Der Bischof selbst hatte am Mittwochmorgen noch einmal an die Synode appelliert, dem Antrag zuzustimmen – das Thema werde nicht verschwinden. Doch die "Lebendige Gemeinde", deren Leiter wie Steffen Kern teilweise auch Homo-"Heilung" gegenüber Jugendlichen befürworten, blieb stur: Gegen den Antrag stimmten 33 Synodale, für ihn 62 und eine Person enthielt sich.
Damit scheiterte der Antrag knapp. Als Protest stimmten mehrere Mitglieder der Synode in das Lied "We Shall Overcome" ein.
Der Antrag fand in zweiter Lösung zwei Ja-Stimmen weniger als notwendig
Am Dienstag war der Kompromiss noch bei einfacher Mehrheit in erster Lesung angenommen worden. Bei der nach Abschnitten des Gesetzentwurfs getrennten Abstimmung hatte aber nur einer Passage, Homo-Paare seelsorgerisch zu begleiten, eine Zweidrittel-Mehrheit erzielt. Die Passagen zur "Amtshandlung" sowie zur Eintragung von Homo-Paaren in die Kirchenbücher fanden diese bereits nicht.
Durch das "Nein" der Synode bleibt es bei der bereits bestehenden Möglichkeit, schwule und lesbische Paare in der Seelsorge zu begleiten und ihnen in diesem Rahmen einen nicht-öffentlichen Segen zu erteilen. Alle übrigen 19 Landeskirchen der Evangelischen Kirche bieten den Paaren hingegen inzwischen einen Segen im Rahmen eines Gottesdienstes an – zwischen einer nicht-öffentlichen Zeremonie bis hin zu einer heterosexuellen Eheleuten gleichgestellten Trauung gibt es allerdings noch große Schwankungen.
Die Synode in Stuttgart selbst wird noch bis Donnerstag fortgesetzt, u.a. am Mittwochabend mit einem Sektempfang mit Landtagsabgeordneten und am Donnerstag mit dem bemerkenswerten Antrag 36/17: "Bitte um Vergebung für Unrecht, das von unserer Kirche an gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen wurde". (nb)
Update 10.35h: LSVD enttäuscht über Ergebnis
"Das Votum zeigt, dass die evangelikalen Kräfte in der Landeskirche Württemberg immer noch die Oberhand haben und sich auch weiter einem modernen Protestantismus verweigern", kommentiert Brigitte Aichele-Frölich aus dem Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Baden-Württemberg das Ergebnis der Abstimmung. "Gelebte Homosexualität gilt in vielen Gemeinden nach wie vor als Sünde". Es bleibe "zu hoffen, dass die fortschrittlich denkenden Mitglieder der Landeskirche Württemberg und die 'Offene Kirche' weiter für die Akzeptanz von Lesben und Schwulen in der Landeskirche kämpfen werden."
Tja, wenn sich die Mehrheit den Willen einer homophoben Minderheit diktieren lässt...