Premierminister Justin Trudeau sagt "Sorry" für die jahrzentelange Verfolgung von LGBTQ2 in seinem Land
Der liberale kanadische Premierminister Justin Trudeau hat sich am Dienstag in einer knapp halbstündigen Rede im Unterhaus von Ottawa für die jahrzentelange Diskriminierung und Verfolgung von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten entschuldigt. "Nie wieder wird unsere Regierung dafür verantwortlich sein, Leid über die Mitglieder der LGBTQ2-Communitys zu bringen", so Trudeau in der auf Französisch und Englisch gehaltenen Ansprache. "Wir versprechen, dass wir mit Mitgliedern dieser Communitys zusammenarbeiten werden, um die Fehler wieder gut zu machen und Vertrauen zurückzugewinnen. Wir werden sicherstellen, dass diese Art von hasserfüllter Praxis eine Sache der Vergangenheit ist. Diskriminierung und Unterdrückung von LGBTQ2-Kanadiern wird nicht mehr toleriert."
In Kanada wird gewöhnlich der Begriff LGBTQ2 für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten verwendet. Die Zahl am Ende umschreibt den Begriff "Two-Spirit"; dieser bezieht sich auf einen entsprechenden Begriff von nordamerikanischen Indianerstämmen und deren Auffassung eines dritten Geschlechts.
Trudeau gestand ein, dass sein Land nach dem Zweiten Weltkrieg bis hinein in die Neunzigerjahre eine "Unterdrückungskampagne" gegen LGBTQ2 durchgeführt habe. Zu dieser Zeit seien etwa Homosexuelle aus dem öffentlichen Dienst gedrängt worden, weil sie wegen "Charakterschwäche" für Erpressung durch den Feind anfällig gewesen wären. "Dieses Denken war vorurteilsbeladen und falsch", so Trudeau. Er bezeichnete die staatliche Verfolgung als "Hexenjagd", für die er sich schäme. In der englischsprachigen Rede nutzte Trudeau allein 15 Mal das Wort "sorry".
Auch Opposition begrüßt Entschuldigung
Sprecher der anderen Fraktionen im Parlament begrüßten die Entschuldigung von Trudeau. "In diesem Land bedauern und verurteilen wir Ungerechtigkeiten gegenüber den Unschuldigen, den Unterdrückten und den Verfolgten", erklärte Oppositionsführer Andrew Scheer, der Chef der kanadischen Konservativen. Er rief die Regierung dazu auf, gegen Staaten, die sexuelle und geschlechtliche Minderheiten unterdrücken, vorzugehen: "Wir müssen mehr für die LGBTQ2-Community in Ländern wie dem Iran oder Russland tun, in denen diese Community ein Ziel von brutaler Gewalt ist." Allerdings galt Scheer bislang nicht als Verfechter von LGBT-Rechten – so weigerte er sich, an CSDs teilzunehmen. Viele seiner konservativen Parteifreunde blieben Trudeaus Entschuldigung im Parlament zudem demonstrativ fern.
Die sozialdemokratische NDP/NPD, die zweitgrößte Oppositionspartei, lobte Trudeau für seine Rede, allerdings sei diese nicht ausreichend. So erinnerte Fraktionschef Guy Caron die Regierung daran, dass sie die Aufhebung des Blutspendeverbots für schwule Männer versprochen habe; derzeit dürfen aber nur schwule Männer Blut spenden, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex gehabt haben. "Jetzt wäre eigentlich ein guter Zeitpunkt, um eine Änderung zu erwirken, anstatt sich später auch dafür zu entschuldigen", sagte Caron.
Bereits vor der Rede war bekannt geworden, dass die kanadische Regierung über 100 Millionen Dollar zur Seite gelegt hat, um Sammelklagen tausender Menschen beizulegen, die wegen ihrer sexuellen Identität ihren Job verloren hatten (queer.de berichtete). Außerdem kündigte die kanadische Regierung einen Gesetzentwurf an, um die Verurteilungen von Homosexuellen zu streichen. Homosexualität war bis 1969 in Kanada verboten – die Aufhebung des diskriminierenden Gesetzes erfolgte damals auf Initiative von Justizminister Pierre Trudeau, dem Vater des heutigen Premierministers. (dk)