Tolerantia Award für den amtierende Bundesjustizminister: Heiko Maas (SPD) nach der feierlichen Auszeichnung im Berliner Rathaus (Bild: Brigitte Dummer / Maneo)
Bundesjustizminister Heiko Maas wurde am Donnerstagabend in Berlin für seinen Einsatz um Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des Paragrafen 175 mit dem deutschen Tolerantia Award ausgezeichnet. Der SPD-Politiker nahm den vom schwulen Anti-Gewalt-Projekt Maneo vergebenen Preis bei einem feierlichen Empfang im Berliner Rathaus entgegen.
"Wir würdigen die klare Haltung und die unmissverständlichen Worte des Bundesjustizministers Heiko Maas, unter dessen Regie der Gesetzentwurf 'zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen' in einer geänderten Form am 22. Juni 2017 verabschiedet worden ist", erklärte die Jury. Maas habe 2014 als erster deutscher Bundesjustizminister eine klare Sprache gefunden, als er erklärte, der deutsche Staat habe mit dem erst vor zwanzig Jahren ersatzlos gestrichenen Strafrechtsparagrafen "große Schuld auf sich geladen", und ankündigte, die Opfer zu rehabilitieren, die nach diesem Unrechtsparagrafen in beiden deutschen Staaten auch nach 1945 noch verurteilt wurden.
Mit Heiko Maas würden gleichzeitig auch die vielen Menschen gewürdigt, die sich bereits zuvor unermüdlich für die Rehabilitierung der Verurteilten und eine entsprechende Wiedergutmachung eingesetzt haben, so die Jury.
"Es ist an der Zeit, sich zu entschuldigen"
Die Begrüßungsrede im Berliner Rathaus hielt der Maneo-Leiter Bastian Finke und übergab das Wort an Björn Böhning, den Chef der Senatskanzlei und Staatssekretär für Medien. Er bedankte sich bei Heiko Maas "stellvertretend für das Land Berlin" für dessen Einsatz für das Gesetz zur Rehabilitierung und fügte hinzu: "Es ist an der Zeit, dem Beispiel Kanadas zu folgen, und sich zu entschuldigen." Der kanadische Premier Justin Trudeau hatte sich am Dienstag unter Tränen offiziell bei den LGBT seines Landes für die jahrzehntelange Diskriminierung durch den Staat entschuldigt (queer.de berichtete).
Nach Böhning sprach Michael Roth, der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. Roth, selber offen schwul, machte seinem Parteifreund Maas ein sehr ungewöhnliches Kompliment: "Ich schwärme schon für ihn, seit ich ein kleiner Juso aus Hessen war." Das erste persönliches Treffen mit Maas habe ihn "fast umgehauen".
Roth sagte mit Hinweis auf die Erfolge des Jahres 2017, von der Rehabilitierung der Opfer des Paragen 175 über die Eheöffnung bis zum Karlsruher Urteil zur Anerkennung intersexueller Menschen und der Forderung einer Einführung eines dritten Geschlechts im Geburtenregister: Hoffentlich werde man sich nicht auf diesen Erfolgen ausruhen. Und fügte hinzu: All diese Erfolge seien nicht die Erfolge von Politikern, sondern von Aktivisten und Bürgern, die auf vielen Ebenen dafür gekämpft hätten.
Lala Süsskind, die ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und André Schmitz, ehemaliger Berliner Kulturstaatssekretär und Mitglied der Maneo-Jury, übereichten Maas schließlich den Preis. Schmitz erklärte, die Jury-Sitzung, auf der Maas als Preisträger gekürt wurde sei "die kürzeste in der Geschichte" gewesen, weil die Wahl so eindeutig war.
Maas: "Deutschland muss freies, weltoffenes Land bleiben"
Parteifreunde unter sich: Preisträger Heiko Maas mit Staatssekretär Michael Roth und Berlins ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (Bild: Brigitte Dummer / Maneo)
Heiko Maas bedankte sich in einer anschließenden Rede für den Preis. "Ich freue mich sehr darüber, aber noch lieber wäre es mir, wir würden in einer Gesellschaft leben, in der solche Preise nicht nötig sind."
Zu dem im Sommer verabschiedeten Gesetz sagte Maas, für Gerechtigkeit sei es nie zu spät. Er verteidigte das Gesetz, auch wenn er einräumte, dass es viel früher hätte kommen müssen, dass die Entschädigungszahlungen höher sein könnten, und dass die kurzfristig von der Union im Bundesrat ins Gesetz hineinverhandelte Altersgrenze "da nicht hineingehört".
Als künftige Aufgaben nannte Heiko Maas, die Lage in Ländern wie Russland, Türkei oder Teilen Afrikas nicht aus den Augen zu verlieren, wo es anhaltend starke oder gar zunehmende Repressionen gegen LGBTI gibt. Der Bundesjustizminister richtete den Blick auch in die Europäische Union, wo es beispielsweise in Frankreich Gegenden gebe, in die sich Homosexuelle nicht trauten, oder in Nordirland, wo etwa erzkatholische Kreise die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben massiv bekämpften. Und nicht zuletzt sei es nötig, so Maas, auch in Deutschland wachsam zu bleiben, nicht nur auf politischer Ebene. "Es braucht den Einsatz von vielen, damit Deutschland ein freies, weltoffenes Land bleibt."
Promis und Polizisten im Berliner Rathaus
Zu den geladenen Gästen im Berliner Rathaus gehörten neben dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der auch Mitglied im Maneo-Beitrat ist, auch Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt, die Entertainer Thomas Herrmanns, Georgette Dee und Tim Fischer sowie der Filmemacher Wieland Speck.
Die Preisverleihung fand im Rahmen der internationalen Maneo-Fachkonferenz IMC 2017 statt, zu der sich am Wochenende über 100 LGBTI-Aktivisten und Wissenschaftler sowie Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft im Berliner Rathaus trafen. Die Konferenz trägt den Titel: "Bündnisse schaffen – Ausgrenzung und vorurteilsmotivierte Kriminalität gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender verhindern – Gewaltprävention zwischen Selbsthilfe und Professionalität".
Die Tolerantia Awards werden jährlich von den europäischen LGBTI-Organisationen SOS homophobie aus Frankreich, Lambda-Warszawa und Kampania Przeciw Homofobii (KPH) aus Polen, Pink Cross aus der Schweiz, dem nordirischen The Rainbow-Project und von Maneo verliehen. Dieses Jahr fand die Preisverleihung zum 12. Mal statt. Bereits am 20. Oktober 2017 wurden die Preisträger der Partnerländer in Warschau geehrt – Heiko Maas konnte jedoch bei diesem Termin nicht dabei sein.
Die deutschen Tolerantia Awards gingen bisher u.a. an den Grünen-Politiker Volker Beck, den früheren National-Fußballspieler Philipp Lahm sowie Klaus Wowereit. 2016 waren die drei evangelischen Landeskirchen in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, in Hessen-Nassau und im Rheinland geehrt worden (queer.de berichtete). (cw/pm)