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Gesetzeslücke
Paragraf 175: Keine Entschädigung für Untersuchungshaft
Der 99-jährige Wolfgang Lauinger saß Anfang der Fünfzigerjahre wegen seiner Homosexualität mehrere Monate im Gefängnis – doch das Bundesamt für Justiz lehnte seinen Entschädigungsantrag ab.

Keine Gerechtigkeit für Wolfgang Lauinger (Bild: van-Tien Hoang)
- 13. Dezember 2017, 09:05h 2 Min.
Obwohl über die Wiedergutmachung für die nach 1945 verfolgten Homosexuellen jahrelang diskutiert wurde, hat der Deutsche Bundestag beim einstimmig verabschiedeten "Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (StrRehaHomG) eine Opfergruppe übersehen: Männer, die wegen des Paragrafen 175 in Untersuchungshaft saßen, aber nicht verurteilt wurden, erhalten für den Freiheitsentzug keine Entschädigung.
Dies bekam ausgerechnet der 99-jährige Wolfgang Lauinger zu spüren, der durch das 2015 erschienene Buch "Lauingers. Eine Familiengeschichte aus Deutschland" (Amazon-Affiliate-Link ) bundesweit bekannt wurde und sich der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld auch als Zeitzeuge zur Verfügung stellte. Im Rahmen der Frankfurter Homosexuellenprozesse hatte Lauinger von 1950 bis 1951 nach einer Denunziation mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen. Weil der Belastungszeuge schließlich die Aussage verweigerte, wurde die Anklage fallengelassen – der damals junge Schwule kam wieder frei.
"Man hat das Gesetz zu einer Farce gemacht"
Weil es keine Verurteilung gab, lehnte das Bundesamt für Justiz Wolfgang Lauingers Entschädigungsantrag am 9. Oktober ab – nach dem StrRehaHomG juristisch formal korrekt. Für den 99-Jährigen dennoch ein Schock: "Man hat das Gesetz zu einer Farce gemacht", erklärte er Anfang Dezember gegenüber dem Internetportal BuzzFeed. "Wo liegt denn für einen normalen Menschen der Unterschied, wenn du fünf Monate im Gefängnis sitzt, ob du freigelassen wirst oder freigesprochen wirst?"
Dieser 99-Jährige wurde als Homosexueller verfolgt und eingesperrt. Entschädigt wird er trotzdem nicht.
Posted by BuzzFeed DE News on Samstag, 2. Dezember 2017
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Nachbesserungen und Härtefallfonds gefordert
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, forderte als Reaktion auf den Fall vom Bundestag "eine Nachbesserung des Rehabilitationsgesetzes und einen eigenen Härtefallfonds". Es bestehe "dringender Handlungsbedarf", mahnte auch der Antidiskriminierungs-Staatssekretär der hessischen Landesregierung, Kai Klose (Grüne), an. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann forderte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dazu auf, Vorschläge für erforderliche Änderungen am Rehabilitierungsgesetz zu entwickeln.
Maas, der das StrRehaHomG maßgeblich vorangetrieben hat, reagierte bislang ausweichend. "Wie man das beheben soll, kann ich Ihnen nicht sagen", meinte der SPD-Politiker gegenüber BuzzFeed. Dies sei Aufgabe der künftigen Bundesregierung. Er werde Wolfgang Lauinger jedoch "einen Vorschlag machen, wie man mit der Situation umgeht".
Gegenüber der "Frankfurter Rundschau" räumte der Justizminister ein, es sei "auch das Verdienst von Menschen" wie Lauinger, dass endlich die Männer rehabilitiert würden, die aufgrund von Paragraf 175 verurteilt worden seien. "Umso trauriger bin ich, dass Herr Lauinger aufgrund des Rehabilitierungsgesetzes keine Entschädigung erhalten kann, weil er nach langer Untersuchungshaft freigesprochen und nicht verurteilt wurde." (cw)

Nicht nur, dass Heiko Maas (SPD) die Opfer der deutschen Staats-Willkür mit Almosen abspeist, die gerade mal 10% dessen betragen, was unschuldig inhaftierte Heteros bekommen.
Und nicht nur, dass es nur für die Zeit im Gefängnis Entschädigung gibt, obwohl die meisten auch nach dem Gefängnis (oder auch ohne Haft, nur schon nach der Verurteilung) gesellschaftlich geächtet waren, Jobs, Familie und Freunde verloren haben und oft nie mehr im erlernten Beruf was gefunden haben, sondern sich mit Hilfstätigkeiten über Wasser halten müssen oder von Sozialhilfe leben mussten und auch als Rentner entsprechend wenig bis keine Rente haben.
Sondern dann gibt es auch noch zig Lücken wie diese...
Man weiß bei der schwarz-roten Bundesregierung nie, ob das Absicht oder Unfähigkeit ist. Wahrscheinlich eine Mischung aus beiden.
Und für diesen zynischen Murks wollen die auch noch gelobt werden...