Der Verfassungsgerichtshof hätte beinahe Homosexualität in ganz Indonesien unter Strafe gestellt (Bild: azmi_dude / flickr)
Das indonesische Verfassungsgericht hat am Donnerstag knapp gegen das Verbot von homosexuellen Handlungen und nichtehelichem Sex gestimmt. Vier Richter stimmten einer von einer islamistischen Gruppe eingereichten Petition zu, die jegliche Art von Geschlechtsverkehr außerhalb der heterosexuellen Ehe verbieten wollte; fünf Richter votierten dagegen.
Die Antragsteller wollte einige Regelungen aus dem Strafgesetzbuch gegen Ehebruch auch auf nicht verheiratete oder homosexuelle Paare ausweiten. Schwule und Lesben hätten dann generell Haftstrafen von bis zu fünf Jahren befürchten müssen. Die Homo-Gegner hatten das Verfassungsgericht angerufen, weil die Gesetzesfindung im Parlament zu langsam sei.
Während der monatelangen Anhörungen schienen viele der Richter empfänglich für die Argumente der Antragsteller, die argumentierten, dass Indonesien kein säkularer Staat, sondern islamisch geprägt sei. Die augenblicklichen Gesetze würden dagegen auf Ansichten der früheren niederländischen Kolonialmacht basieren, die nicht den religiösen Werten der Bevölkerung entsprächen. Die Richtermehrheit sah es aber als Aufgabe des Parlamentes an, die Strafgesetze zu ändern.
Knappe Entscheidung
Fast hätte es eine Richtermehrheit für das Homo-Verbot gegeben: Die entscheidende Stimme gegen das Verbot gab Richter Saldi Isra ab, der erst seit zwei Monaten Mitglied des Gerichts ist. Er löste den extrem konservativen Richter Patrialis Akbar ab, der kürzlich wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Beobachter sind sich sicher, dass Akbar für ein Homo-Verbot gestimmt hätte; erst im Sommer beklagte er, dass Indonesiens Rechtssystem "zu liberal" sei und mehr Wert auf islamische Ideale legen müsse.
LGBTI- und Bürgerrechtsaktivisten sind sich uneinig, ob ein Homo-Verbot im Parlament größere Aussichten auf Erfolg hat. In der Regel arbeitet das Parlament sehr ineffektiv und verabschiedet jedes Jahr nur wenige Gesetze. Schwulenaktivist Dede Oetomo betonte jedoch, dass nach der Entscheidung des Gerichts der Kampf nicht beendet sei, da Homo-Hasser in der augenblicklich aufgeheizten politischen Atmosphäre weitere Versuche wagen würden, die Daumenschrauben anzuziehen.
In Indonesien – mit mehr als 250 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste mehrheitlich muslimische Land der Welt – sind homosexuelle Handlungen zwar mit Ausnahme der erzkonservativen Provinz Aceh nicht illegal. Allerdings haben die staatlichen Repressionen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Immer wieder werden Gummiparagrafen, etwa ein nebulöses Anti-Pornografie-Gesetz, zur Verfolgung Homosexueller herangezogen.
Erst vergangenen Monat wurden in der Hauptstadt Jakarta vier schwule Männer verhaftet und den Medien vorgeführt (queer.de berichtete). Immer wieder gibt es Berichte über Razzien in Privatwohnungen oder Saunen. (dk)
Allerdings beunruhigt mich eine Frage ganz erheblich: Wäre die von einer islamistischen Gruppe eingereichten Petition, die jegliche Art von Geschlechtsverkehr außerhalb der heterosexuellen Ehe verbieten wollte, auch abgelehnt worden, wenn sie "nur" das Verbot von homosexuellen Sex gefordert hätte?