Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven hat sich hinter eine Gesetzesinitiative gestellt, nach der in Zukunft vor jedem sexuellen Kontakt die explizite Erlaubnis des Gegenübers einzuholen sei. Ein Partner, der keinen Sex haben will, muss damit nicht mehr ausdrücklich "Nein" sagen. Das Gesetz soll im kommenden Jahr in den Reichstag eingebracht werden.
"Die Botschaft ist einfach. Man muss sich bei der Person, mit der man Sex haben will, erkundigen, ob sie Sex haben will. Wenn man sich unsicher ist, muss man es lassen. Sex muss freiwillig sein", so Löfven am Sonntag bei einer Pressekonferenz. Mit diesem Schritt wolle man die Einstellungen und Werte der Gesellschaft verändern, erklärte der Sozialdemokrat, der seit 2014 Regierungschef des skandinavischen Landes ist. Er setze sich damit dafür ein, die Straftatbestände "unachtsame Vergewaltigung" oder "unachtsame sexuelle Übergriffe" einzuführen.
Praktische Umsetzung noch unklar
In sozialen Netzwerken überhäufen sich bereits die Fragen, wie das Gesetz umgesetzt werden soll. Eine Einverständniserklärung könnte etwa im Kontext von Darkrooms schwierig sein, in denen es häufig zu nonverbalen Übereinstimmungen kommt. Auch ist unklar, ob bei Gruppensex von jedem einzelnen Teilnehmer ein separates Einverständnis nötig sein wird. Zudem wird darüber debattiert, ob man beim Ausgehen besser stets eine schriftliche Vorlage mitführen soll, da es sonst bei einem Verfahren Aussage gegen Aussage stehen könne – und die Behörden in der Regel eher den Beschuldigerinnen oder Beschuldigern glauben würden.
Das Gesetz soll als Folge der "MeToo"-Debatte insbesondere Frauen schützen. Die schwedische Regierung hat dazu in den vergangenen Wochen bereits mehrere andere Initiativen angekündigt. So soll es ab kommenden Jahr für jeden Schweden illegal sein, für Sex in anderen Ländern zu bezahlen. Das schließt selbst EU-Länder wie Deutschland ein, in denen sexuelle Dienstleistungen legal sind. Bereits jetzt ist Prostitution für den Kunden in Schweden illegal. Zudem wurden von Stockholm weitere Initiativen gegen sexuelle Ausbeutung oder Menschenhandel angekündigt.
Statistisch hat Schweden heute mit Abstand die höchsten Vergewaltigungsraten in Europa – umgerecht auf die Einwohnerzahl gibt es in Schweden sieben Mal mehr Vergewaltigungen als in Deutschland. Die Diskrepanz könnte allerdings insbesondere daran liegen, dass die Definition von Vergewaltigung dort bereits jetzt sehr weit gefasst ist. Der bekannteste Kriminalfall in Verbindung mit diesen Gesetzen ist der Vergewaltigungsvorwurf gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange. Gegen ihn lässt Schweden wegen des Vorwurfs der "weniger groben Vergewaltigung" fahnden. Der Australier soll nach zunächst einvernehmlichem Safer Sex mit einer Frau später das Kondom entfernt haben, eine andere habe er ohne deren Einverständnis unsittlich berührt. Einer Verhaftung in London entzog sich Assange und floh 2012 in die ecuadorianische Botschaft – dort lebt er noch heute. (cw)