Die Schweizer erwärmen sich für die Ehe für alle
Fast drei Viertel der Wähler in der Schweiz sprechen sich für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben aus. Das ist das Ergebnis einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Mediengruppe Tamedia. Demnach stimmen 72 Prozent der Schweizer der Ehe für alle zu, nur 25 Prozent lehnen diese ab.
Die Meinungsforscher konnten eine Mehrheit unter Anhängern der fünf größten Parteien feststellen, sogar unter Wählern der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei, die seit Jahren Stimmung gegen LGBTI-Rechte macht. Erst vor wenigen Tagen sorgte der Züricher SVP-Politiker Daniel Regli mit einer homophoben Tirade im Stadtparlament für Empörung (queer.de berichtete).
Laut der Umfrage unterstützen 56 Prozent der SVP-Wähler die Ehe für alle, 40 Prozent lehnen sie ab. Allerdings sinkt die Zustimmung erheblich, wenn ausdrücklich nach der Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Adoptionsrecht gefragt wird: Dem stimmen nur 30 Prozent der SVP-Wähler zu.
Höchste Zustimmung bei Sozialdemokraten und Grünen
Bei den anderen Parteien sind die Zustimmungsraten zur Ehe für alle höher: 66 Prozent der Anhänger der Christdemokratischen Volkspartei (CVP) und 76 Prozent der Wähler der liberalen FDP unterstützen die Forderung nach der Ehe für alle. Am höchsten ist die Zustimmungsrate unter Unterstützern der sozialdemokratischen SP und der Grünen Partei – jeweils 88 Prozent von deren Wählern wollen die Ehe für Schwule und Lesben öffnen lassen.
Die Schweizer hatten im Jahr 2005 per Volksentscheid der Einführung von eingetragenen Partnerschaften mit weniger Rechten als bei der heterosexuellen Ehe zugestimmt (queer.de berichtete). Seit dem 1. Januar 2007 können sich daher Schwule und Lesben verpartnern lassen. Noch immer wird in der Schweiz gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Volladoption verwehrt.
Trotz der großen Unterstützung in der aktuellen Umfrage hätten die Schweizer in einem Volksentscheid vergangenes Jahr fast zugestimmt, das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in der Verfassung zu verankern. Damals stimmten 50,8 Prozent gegen eine Initiative der CVP, die vordergründig steuerrechtliche Änderungen für heterosexuell verheiratete Paare erwirken sollte, aber durch die Hintertür erstmals ein verfassungsrechtliches Verbot für die gleichgeschlechtliche Ehe verankert hätte (queer.de berichtete).
Nach den Ehe-Öffnungen in Deutschland und Österreich steht die Schweiz, die sich gerne als Hort der Liberalität sieht, unter Druck. Im Länderranking "Rainbow Europe", in dem die rechtliche Situation von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in Europa verglichen wird, ist die Eidgenossenschaft im Vergleich zu vielen Nachbarländern abgeschlagen: Die Schweiz erreicht hier nur Rang 26 unter 49 Ländern. Österreich liegt auf Rang 14, Deutschland auf Rang 13. (dk)