Wie in Frankreich dürfen mittlerweile auch in Deutschland schwule und bisexuelle Männer nur dann offiziell Blut spenden, wenn sie angeben, ein Jahr lang keinen Sex gehabt zu haben (Bild: Matt Hecht / flickr)
Das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs hat am Donnerstag geurteilt, dass eine Regelung, wonach Männer nur dann Blut spenden dürfen, wenn sie in den zwölf Monaten zuvor keinen homosexuellen Geschlechtsverkehr hatten, keine verbotene Diskriminierung sei.
Der Staatsrat wies damit Beschwerden von LGBT- und Aids-Organisationen gegen eine Neuregelung zurück, die im Sommer 2016 in Kraft trat: Gesundheitsministerin Marisol Touraine setzte mit ihr ein Wahlversprechen des damaligen Präsidenten François Hollande um, schwulen Männern nach über 30 Jahren wieder die Spende von Blut zu ermöglichen (queer.de berichtete). Ein entsprechendes Komplett-Verbot war 1983 zu Beginn der Aids-Krise erlassen worden.
Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass HIV-Neuinfektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben, deutlich häufiger vorkämen als in anderen Teilen der Bevölkerung. "Gesundsbehörden sollten die besten Maßnahmen zum Schutz der Empfänger ergreifen, wenn aufgrund der verfügbaren wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Risiko besteht", so das Gericht. Es handle sich nicht um eine Diskriminierung, da das Gesundheitsministerium nicht auf die sexuelle Orientierung, sondern auf sexuelles Verhalten ziele.
In den französischen Regelungen zur Blutspende gilt für heterosexuelle Männer und Frauen, die mit mehr als einem Partner (heterosexuellen) Sex haben, eine Abstinenzzeit von vier Monaten. Bei Personen, die in einer monogamen heterosexuellen Beziehung leben, ist keine Abstinenz notwendig.
Unterschiedliche Regelungen in Europa
Die Ein-Jahres-Sex-Frist anstelle eines kompletten Verbots war zuletzt in mehreren Ländern eingeführt worden, allein in diesem Jahr in der Schweiz, in Irland und in Belgien. Sechs EU-Länder, Bulgarien, Italien, Lettland, Polen, Portugal und Spanien, bewerten hingegen in Fragebögen konkret das Risikoverhalten der Personen, ohne zwischen hetero- und homosexuellen Personen grundsätzliche Unterschiede zu machen.
Entsprechend groß war die Enttäuschung im Herbst, als die deutsche Bundesärztekammer nach jahrelanger Debatte bei der Aufhebung des Verbots der Blutspende durch Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), ebenfalls eine Ein-Jahres-Abstinenz-Pflicht aufnahm (queer.de berichtete). Das pauschale Verbot betrifft auch geschützten Geschlechtsverkehr oder monogamen Sex mit dem Lebenspartner oder dem Ehemann. Heterosexuelle Personen dürfen dagegen Blut spenden, solange sie kein "sexuelles Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern" zeigten.
Deutsche LGBTI- und Aids-Organisationen hatten wie ihre französischen Kollegen die Regelung kritisiert. "Offenbar hat das Bestreben, MSM weiterhin möglichst dauerhaft von der Blutspende auszuschließen, über die Wissenschaft gesiegt", erklärte etwa LSVD-Sprecher Axel Hochrein. Die Medizin denke offenbar immer noch in "Risikogruppen" statt in Verhalten (queer.de berichtete).
Auch die Deutsche Aids-Hilfe hatte die Entscheidung als unwissenschaftlich kritisiert: "Eine HIV-Infektion kann man heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen. Diese Frist wäre nachvollziehbar", so DAH-Vorstand Björn Beck. "Eine Frist von einem Jahr schließt die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus. Das ist nicht mehr als Kosmetik und eine Unverschämtheit."
Aber wenn die keine schwulen /bisexuellen Spender mit einem gewöhnlichen Intimleben wollen, schränkt das im Endeffekt Patienten mit Bedarf für Spenderblut ein. Dass sie das nicht bedenkenswert finden, ist die größere Fehlleistung.