In rund einem Jahr Amtszeit hat die Regierung von Donald Trump wenig positives zum Kampf gegen HIV beigetragen (Bild: Gage Skidmore / flickr)
Die US-Regierung sorgt auch zum Jahreswechsel mit einer erneuten überraschenden Entscheidung für Verunsicherung und Frust unter Aktivisten: Wie mehrere US-Medien melden, hat das Weiße Haus dem kompletten Stab des Presidential Advisory Council on HIV/AIDS (PACHA) gekündigt.
Zehn Mitglieder des 16-köpfigen Beratungsgremiums enthielten demnach ihre Kündigung per Post. Im Sommer waren bereits sechs Mitglieder aus Protest gegen die Regierung aus dem Team zurückgetreten und bislang nicht ersetzt worden. Eine nähere Begründung für die Rauswürfe aus dem 1995 unter US-Präsident Bill Clinton gegründeten Gremium gab es zunächst nicht.
Scott Schoettes, ein HIV-Aktivist aus Chicago und Rechtsanwalt der LGBTI-Bürgerrechtsorganisation Lambda Legal, der zu den Zurückgetretenen gehört, schrieb auf Twitter, die Entscheidung zeige "keinen Respekt für den Dienst" der Gekündigten. "Es ist gefährlich, dass Trump und Co. (speziell Pence) die wenigen Menschen beseitigen, die noch bereit sind, sich gegen schädliche Richtlinien zu stellen, wie etwa eine Sexualaufklärung, die nur auf Abstinenz setzt".
Ein bis zur Kündigung noch aktives PACHA-Mitglied, Gabriel Maldonado, bestätigte gegenüber dem "Washington Blade" den Rauswurf aller Mitglieder vor Ablauf ihrer regulären Zeit in dem Gremium. Das Schreiben habe keine Begründung enthalten, aber den Hinweis, dass man sich erneut bewerben könne. Über den Grund könne er nur spekulieren, meinte Maldonao. "Wie jede Regierung wollen sie ihre eigenen Leute. Viele von uns wurden von Obama ernannt." Auch könnten "ideologische und philosophische Unterschiede" eine Rolle spielen.
Weiteres Gremium ohne Neubesetzung?
Die Neubesetzung des Gremiums ist nichts ungewöhnliches: Auch die Obama-Regierung hatte zu ihrem Amtsantritt die von George W. Bush ernannten Berater ausgetauscht. Die aktuelle Regierung hatte allerdings bereits zur Amtsübernahme von Trump das "White House Office of National AIDS Policy" mehr oder weniger geschlossen anstatt neu besetzt: Die Webseite der Abteilung verschwand, die Leitung wurde nicht neu besetzt und Gremienmitglieder erhielten eine Kündigung, ohne dass im Jahresverlauf eine Neubesetzung erfolgte. Obama hingegen hatte die Leitung des Büros innerhalb von 36 Tagen neu besetzt, ein neuer Aktionsplan seiner Regierung gegen HIV war innerhalb von sechzehn Monaten aufgesetzt.
Die sechs PACHA-Mitglieder hatten zu ihrem Rücktritt einen Offenen Brief verfasst, in dem sie beklagten, dass die Trump-Regierung keine Strategie zum Umgang mit der weiter akuten HIV-Epidemie entwickle, keinen Rat von Experten suche und stattdessen Gesetze anstoße, "die Menschen, die mit HIV leben, gefährden oder wichtige Fortschritte im Kampf gegen die Krankheit stoppen oder rückgängig machen".
Das von der Trump-Regierung geplante Budget für 2018 kürzt erstmals Aids-Programme massiv: Die Centers for Disease Control (CDC) sollen 150 Millionen Dollar weniger für nationale Prävention erhalten, weltweite Programme wie der "PEPFAR Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis & Malaria" erhalten gar eine Milliarde Dollar weniger. Selbst George W. Bush hatte in einem Gastkommentar in der "Washington Post" vor den Kürzungen gewarnt. Aids-Aktivisten sind zudem besorgt über die Abschaffung oder Einschränkung von Obamacare.
Ignoranz, üble Witze und Ausgrenzung
Trump hatte zum Nationalen HIV-Test-Tag und zum Welt-Aids-Tag Botschaften verfasst, die in Kritik gerieten, weil er LGBTI als eine der Hauptbetroffenengruppen nicht erwähnte (queer.de berichtete). Ansonsten hat er das Thema Aids weitgehend ignoriert. Für Verunsicherung sorgte auch die (in Details nach wie vor unklare) Anweisung an die CDC und andere Gesundheitsbehörden, demnächst u.a. auf den Begriff "Transgender" zu verzichten (queer.de berichtete).
Trump hatte mehrfach Witze auf Kosten von HIV-Positiven gemacht. So meinte er wenige Wochen nach dem Unfall-Tod von Prinzessin Diana in einer Radio-Sendung, er hätte sie "gevögelt" – wenn sie zuvor einen Aids-Test gemacht hätte. Vor wenigen Tagen machte in US-Medien ein – vom Weißen Haus dementierter – Bericht der "New York Times" die Runde, wonach Trump als Präsident bei einem Treffen mit Beratern geschimpft habe, dass alle Einwanderer aus Haiti Aids hätten.
Anfang der Achtziger ließ Trump seinen ruchlosen Anwalt und Mentor Roy Cohn fallen, nachdem Gerüchte über dessen HIV-Infektion und Homosexualität die Runde machten. Der einstige Chefberater von Senator McCarthy bei dessen Prozessen gegen vermeintliche Kommunisten, die auch zur Verfolgung Homosexueller führte, hatte beides bis zu seinem Tod wenige Jahre später abgestritten – in der TV-Version von "Engel in Amerika" wurde er von Al Pacino dargestellt.
In jener Zeit hatte die damalige Reagan-Regierung die sich abzeichnende Aids-Krise jahrelang weitgehend ignoriert. Im (später verfilmten) Buch "Und das Leben geht weiter" hat der Journalist Randy Shilts einst penibel festgehalten, wie das bewusste Totschweigen und Verweigern von Geld durch die Regierung, auch aus einer "moralischen" Ablehnung Homosexuellen gegenüber, unzählige Leben kostete. Den CDC wurden etwa anfänglich zur Erforschung der Übertragungswege und später für Gegenmaßnahmen jahrelang kaum Mittel genehmigt. (nb)