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Beschluss
BGH erkennt Transfrau nicht als Mutter an
Erneut hat der Bundesgerichtshof gegen eine transsexuelles Elternteil entschieden. Trans-Aktivisten werfen den Richtern vor, die Diskriminierung von Kindern transgeschlechtlicher Menschen "billigend in Kauf" zu nehmen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stieß unter LGBTI-Aktivisten auf Kritik (Bild: Nikolay Kazakov)
- 5. Januar 2018, 12:33h 3 Min.
Der Bundesgerichtshof hat in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss die Klage einer Transfrau, als Mutter ihres Kindes anerkannt zu werden, abgelehnt (XII ZB 459/16 vom 29. November 2017, PDF). Die rechtliche Abstammung dürfe "nicht im Widerspruch zu den Erfordernissen der biologischen Zeugung auf zwei Mütter oder zwei Väter" verwiesen werden, so die Richter in ihrer Entscheidung.
Im vorliegenden Fall geht es um den Antrag einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen aus Berlin, die seit 2012 rechtlich als Frau anerkannt ist. Vor ihrer Anerkennung hatte sie eine Samenspende einfrieren lassen. Damit ließ sich die Lebenspartnerin der Transfrau befruchten und brachte im Juni 2015 ein gemeinsames Kind zu Welt.
Das verantwortliche Standesamt lehnte den Antrag beider Frauen, als Co-Mütter anerkannt zu werden, ab. Lediglich die Lebenspartnerin, die das Kind ausgetragen hatte, wurde als Mutter anerkannt, während die Transfrau als "Vater" mit ihrem alten Namen ins Geburtenregister eingetragen wurde. Dagegen wehrte sie sich juristisch, verlor aber sowohl vor dem Amtsgericht Schöneberg als auch bei einer Beschwerde vor dem Kammergericht Berlin.
Die Karlsruher Richter bestätigten die Entscheidungen der Vorinstanzen mit der Begründung, dass laut dem Transsexuellengesetz die Transfrau zwar generell "als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen" sei. Dies betreffe aber nicht das Rechtsverhältnis zu leiblichen Kindern, denen immer ein Vater und eine Mutter zugeordnet werden müsse. Das Kind habe ein Interesse "an einer Abbildung der spezifischen Fortpflanzungsbeteiligung des jeweiligen Elternteils", so die Richter.
Bereits im September hatte der Bundesgerichtshof in einem umgekehrten Fall die Anerkennung eines Transmannes als Vater eines Kindes abgelehnt (queer.de berichtete). Damals argumentierten die Richter unter anderem, dass die Eintragung von Vater und Mutter für die Kinder wichtig sei, da sie sonst bei einem Nachweis über ihre Herkunft die Transsexualität eines Elternteils offenlegen müssten. Der Transmann hat angekündigt, die Entscheidung nicht zu akzeptieren und vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen (queer.de berichtete).
Kritik: Richter missachten "Lebensrealität von Kindern transgeschlechtlicher Menschen"
LGBTI-Aktivisten kritisierten, dass die Entscheidung des Gerichtes Rechtsunsicherheit für Transpersonen und deren Kinder bedeuten würde und der Gesetzgeber dringend eingreifen müsse. "Die Reform des Abstammungsrechts muss Bestandteil eines modernisierten Familienrechts sein, das eine rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien in ihren vielfältigen Konstellationen gewährleistet. Das stärkt auch das Kindeswohl in diesen Familien", erklärte Gabriela Lünsmann vom Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD).
Sascha Rewald von der Bundesvereinigung Trans* warf den Richtern vor, keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit von Transpersonen in einer Regenbogenfamilie zu haben: "Mit dieser konservativen Entscheidung missachtet der Bundesgerichtshof erneut die Lebensrealität von Kindern transgeschlechtlicher Menschen und nimmt deren Diskriminierung billigend in Kauf", so Rewald. "Mit dem neuen Beschluss werden die betroffenen Kinder durch Geburtsurkunden, auf denen eine der beiden Mütter als Vater bezeichnet und mit einem veralteten Namen genannt wird, fortlaufend Diskriminierungen in Kindergarten, Schule und Freizeit ausgesetzt. Das kann nicht im Sinne des Kindeswohls sein." Die Bundesvereinigung Trans* forderte, dass Transeltern im Geburtenregister und in Geburtsurkunden ihrer Kinder geschlechtsneutral und mit ihrem aktuell geführten Vornamen eingetragen werden sollten. (dk)

Analog zu dem Beschluss mit dem Transmann soll auch diese Transfrau als Vater mit dem Deadname, also mit dem ehemals männlichen Vornamen eingetragen werden.
Damit wird also nicht nur an dem Begriff Mutter/Vater festgehalten, sondern zusätzlich die gesamte Identität nach der VÄ/PÄ für schwebend unwirksam erklärt.
Das ist noch UM SO absurder als bei dei dem Transmann-Fall, denn was hier nicht erwähnt wird:
Bekommt eine der beiden Fraun in einem verheirateten Paar in einer lesbischen Beziehung ein Kind, so ist die andere per Gesetz bereits heute automatisch der Vater. Hier wird die Ehefrau dann als Vater mit ihrem natürlich dann weiblichen Vornamen eingetragen.
Ist hier allerdings eine Cisfrau mit einer Transfrau verheiratet, wird die Transfrau mit einem anderen Namen eingetragen.
Hier erfolgt also zusätzlich zur Unsichtbarkeitmachung von trans*, Ungültigmachung einer Identität und Leugnung der Eltern eines Kindes noch:
- eine ungleichbehandlung gegenüber einer lesbischen Ehe aus zwei Cisfrauen
- eine "Zwangsheteronormativierung" der Beziehung und kompletten Auslöschung der Tatsache, dass es eine Beziehung zweier Frauen ist
Mit den Begriffen Vater/Mutter könne man ja noch leben. Tun lesbische Frauen ja auch bereits. Es geht ja hier bei Gesetz darum, wer das Kind ausgetragen hat und wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der "Mutter" verheiratet war.
Aber die Sache mit den Vornamen wird um so eklatatanter und absurder, insbesondere weil diese Tatsache durch kein Gesetz gefordert wird, sondern eine absurde und willkürliche Misinterpretation von §5 und §11 von transphoben Richtern beim BGH ist. Das Grundrecht ist bei der Vornamenssache gleich mehrfach verletzt. Insofern zu behaupten, dass man keine grundrechtlichen Bedenken hätte, ist absurd.
Wenn die Klage auf die Begriffe Vater/Mutter abzielt, sehe ich die Klage beim BVerfG mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gescheiterte.
Die Klage hätte aufgrund der Rückgängigmachung des Vornanens erfolgen sollen - und zwar speziell in DIESEM Falle der Transfrau.