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Historische Entscheidung

Gericht bringt Ehe für alle nach Costa Rica und in die Region

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat wegweisende Empfehlungen zu den Rechten von Schwulen und Lesben sowie Transsexuellen getroffen, die ihnen in bis zu 20 Ländern mehr Rechte bringen können.


Jubel von LGBTI-Aktivisten am Dienstag vor dem Sitz des Gerichts in San José

  • 10. Januar 2018, 11:59h 9 4 Min.

Der in Costa Rica beheimatete Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer am Dienstag verkündeten Entscheidung die Menschenrechte von LGBTI in der Region ausdrücklich gestärkt. Praktische Auswirkungen hat dies zunächst für Costa Rica, das in Folge der Entscheidung wohl die Ehe für alle einführen wird.

Der Staat in Zentralamerika hatte sich 2016 mit der Frage an das Gericht gewandt, ob er schwule und lesbische Paare in bestimmten Bereichen rechtlich berücksichtigen muss und wie er mit Transsexuellen umgehen solle. In der "Empfehlung", die von sieben Richtern teilweise einstimmig, teilweise mit ein oder zwei Gegenstimmen verfasst wurde, betont das Gericht, Regierungen müssten "die Rechte von Familienverbindungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts anerkennen und schützen".

Unter Bezug auf die Amerikanische Menschenrechtskonvention heißt es weiter, den Paaren sei "ohne Diskriminierung" Zugang zu ermöglichen "zu allen bestehenden Formen innerstaatlicher Rechtssysteme, einschließlich des Rechts auf Eheschließung". Die Empfehlung umfasst auch das Adoptionsrecht. Gleiche Rechte seien zwar auch durch die Schaffung eines eigenen Institutes wie einer Lebenspartnerschaft möglich, so das Gericht; ein solcher Schritt betone aber eine Unterschiedlichkeit und führe zu einer Stigmatisierung.

Das Gericht ging in der Entscheidung ausdrücklich darauf ein, dass eine Ablehnung von LGBTI-Rechten häufig auf religiösen Überzeugungen basiere. Diese spielten zwar für die Gesellschaft eine wichtige Rolle und hätten eigenen Schutz und Berechtigung; um eine "friedvolle Koexistenz" zu ermöglichen, seien Staaten dennoch gefordert, aus Glaubensfragen keine Diskriminierung herzuleiten. Das Verbot für Schwule und Lesben, ihre Partnerschaft rechtlich anzuerkennen, verletzte diese bereits grundlegend in ihrer Menschenwürde, so das Gericht. Der Ehe werde mit der Entscheidung nichts genommen, dafür werde einer Gruppe von Menschen, die historisch unterdrückt und diskriminiert wurde, gleiche Rechte gegeben.

Eine Entscheidung mit enormer Signalwirkung

Die Regierung von Costa Rica hat die Entscheidung am Dienstagabend begrüßt und angekündigt, dass sie diese "komplett" umsetzen werde – die genauen Schritte sind allerdings noch unklar. "Das Gericht hat alle Staaten auf dem Kontinent, darunter unseren, an die Pflichten und historische Schuld gegenüber diesem Teil der Bevölkerung erinnert", meinte Vizepräsidentin Ana Helena Chacon bei einer Pressekonferenz.

Die weiteren Auswirkungen der Entscheidung sind noch nicht abzusehen: Die Amerikanische Menschenrechtskonvention gilt in über 25 Ländern, allerdings erkennen einige, darunter Jamaika, das Gericht nicht an. Direktere Auswirkungen kann die Rechtsempfehlung auf 20 Länder haben: Argentinien, Barbados, Bolivien, Brasilien, Chile, Dominikanische Republik, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Suriname und Uruguay. Einige von ihnen erkennen die Rechtsprechung automatisch an, andere entscheiden einzeln über jede Vorlage des Gerichts.


Die historische Entscheidung ist – bislang nur auf Spanisch – auf der Webseite des Gerichts verfügbar

Mehrere der Länder haben bereits die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, darunter Argentinien, Brasilien, Kolumbien und Uruguay, andere wie Chile und Ecuador hatten Lebenspartnerschaften eingeführt. In weiteren Ländern, darunter Bolivien, Peru oder Paraguay, gibt es keinerlei rechtliche Anerkennung der Paare. Paraguay gehört zudem zu den Ländern, die Ehe – und auch Familie – rein heterosexuell definieren.

Kurz-, mittel- und langfristig könnte die Entscheidung politische Debatten und juristische Entscheidungen in den einzelnen Ländern beeinflussen. In der Empfehlung betonte das Gericht, das eine Umsetzung seiner Rechtsprechung nicht erzwingen kann, aus seiner Sicht sei es für die Staaten "notwendig", die Empfehlungen umzusetzen. Das Gericht betonte aber, einige Länder hätten institutionelle, rechtliche, gesellschaftliche und politische Hürden zu überwinden, die Zeit bräuchten. Es appellierte nicht nur an die Staaten, diese Schritte "ernsthaft und in besten Absichten" zu beginnen, sondern auch, Übergangslösungen zu schaffen.

Paukenschlag auch bei Trans-Rechten

In der Entscheidung bekräftigte das 1979 eingerichtete Gericht zudem "die uneingeschränkte Wahrnehmung" der Rechte von Transpersonen. "Dazu gehört unter anderem der Schutz gegen alle Formen von Gewalt, Folter und Misshandlung sowie die Garantie des Rechts auf Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Wohnen, Zugang zu sozialen Sicherheiten sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Vereinigungsfreiheit".


In der Vorlage hatte Costa Rica gefragt, wie es in rechtlichen Dokumenten mit Transsexuellen umgehen solle. Der Staat habe das Geschlecht der Personen so anzuerkennen, wie diese es "intern und individuell erfahren", betonte nun das Gericht. Sie hätten ein Recht darauf, dass der Staat die "selbst wahrgenommene Geschlechtsidentität" durch Änderung von Dokumenten anerkennt und dabei die Selbsteinschätzung respektiert. Nach der rechtlichen Änderung des Geschlechts dürfe aus Gründen des Datenschutzes und Persönlichkeitsrechts nicht für andere erkennbar sein, dass das Geschlecht geändert wurde. Die Änderung dürfe keine Operations- oder Behandlungspflichten auferlegen und dürfe ebenfalls keine psychologischen oder medizinischen Begutachtungen verlangen, die "unzumutbar oder pathologisierend" sind.

Das Gericht hatte für die ausführliche Entscheidung Stellungnahmen aller Länder, von internationalen Organisationen, von Menschenrechtsgruppen und von Kirchen eingeholt, insgesamt über 80. Am 16. und 17. Mai 2017 hatte es zudem öffentliche Anhörungen durchgeführt. (nb)

#1 Paulus46Anonym
  • 10.01.2018, 12:19h
  • Das ist ein sehr wichtiges Urteil, das insbesondere für Mittelamerika enorme Bedeutung hat.

    Eine schöne Meldung....denn es gibt leider noch ein paar karibische Inselstaaten, wo sogar Strafgesetze bestehen (Barbados, Grenada, Jamaica, St. Lucia, St Vincent und Grenadinen, Trinidad und Tobago, St Kitts und Nevis, Antigua und Barbuda). Zwar werden die dortigen Strafgesetze kaum noch faktisch auf diesen kleinen Inselstaaten angewandt, aber sie bestehen sehr wohl noch. Hier wären in der Tat Erfolge erzielbar, die eine Abschaffung dieser kolonialen Strafgesetze auf diesen kleinen Inselstaaten zur Folge hätten.
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#2 lucdfProfil
  • 10.01.2018, 13:15hköln
  • In der Karibik hat es heute oder gestern ein Erdbeben gegeben. Wir können nur darauf warten , dass irgendein spitzfindiger Pfaffe das Erbbeben dadurch erklärt, dass Costa Rica die Ehe für alle billigt. ;-) bzw. IoI
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#3 BuntesUSchoenesEhemaliges Profil
  • 10.01.2018, 16:16h
  • Super, immer schön weiter so :-)
    Und es ist auch gut begründet worden mit dem Bezug zur Religion, die uns seit langem diskriminiert.
    Bin gespannt, welche Länder ebenfalls die Ehe für alle öffnen.
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