Das Jahr 2017 war doch ein recht gutes für Lesben und Schwule in Deutschland, möchte man meinen. Völlig überraschend schenkte der alte Bundestag den homosexuellen Mitbürgern in letzter Minute gleiche Eherechte, Dauerkanzlerin Merkel konnte nach einer Begegnung mit echten lesbischen Müttern ihre Angst vor Homo-Adoptionen überwinden, und sogar die Nachkriegsopfer des Paragrafen 175 – zumindest die meisten – sind nun endlich keine Straftäter mehr und bekamen sogar ein paar Groschen Entschädigung. Alles prima also in der queeren Republik?
Nein, meint Johannes Kram in einem neuen Buch, das im März im Berliner Querverlag erscheint und vermutlich für einigen Wirbel sorgen dürfte. In seinem mit rund 160 Seiten angekündigten Band "Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…" beschreibt der Nollendorfblogger in 17 Kapiteln – so der Untertitel – "die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft".
Johannes Kram lebt als Autor, Textdichter, Blogger und Marketingstratege in Berlin. Seit 2008 betreibt er das Nollendorfblog, 2013 initierte er den "Waldschlösschen-Appell" gegen Homophobie in den Medien (Bild: Markus Lücke)
Der deutsche "Sonderweg" der Homoverfolgung
Bei Kram kriegen also nicht in erster Linie fanatische Heterolobbyisten wie von Storch, Kuby oder Beverfoerde ihr verdientes Fett weg, sondern zur Abwechslung mal auch linksliberale Kreise, die sich selbst als ausgesprochen tolerant verorten und oftmals keine Gelegenheit auslassen, von ihren vielen schwulen Freunden zu erzählen. Diese Selbstwahrnehmung stehe oft im Gegensatz zu "tief sitzenden, nie aufgearbeiteten, homosexuellenfeindlichen Reflexen", so der Autor, der zahlreiche gute Beispiele nennt.
Eine Ursache sieht Johannes Kram im deutschen "Sonderweg" der Homoverfolgung, der zur Ermordung schwuler Männer im KZ führte, und dem skandalösen Umgang der Gesellschaft mit diesem Erbe. "Dass Deutschland seine Homosexuellenverfolgung nicht mal dann in Frage stellt, als es 1945 den völligen staatlichen, gesellschaftlichen und moralischen Zusammenbruch erlebt, sondern auf Basis der Regelungen der Nazi-Zeit weiterführt, dass es daran dann sogar noch nach Wirtschaftswunder und bildungspolitischem Aufbruch der 60er recht unbeirrt festhält, zeigt die kontinuierliche Bedeutung dieses Faibles für die Identität des Landes."
Homophobie auf der Puder Rosa Ranch
Das Buch von Johannes Kram erscheint im März im Berliner Querverlag
Um den Unterschied zu Nachbarstaaten aufzuzeigen, erinnert der Autor an das Jahr 2001, in dem die Niederlande als erstes Land der Welt die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffneten, während in Deutschland Michael "Bully" Herbigs Erfolgskomödie "Der Schuh des Manitu" in die Kinos kam – mit dem tuckig-schwulen Apachenhäuptlingsbruder Winnetouch auf der Puder Rosa Ranch und vielen weiteren Klischees über homosexuelle Männer. "Wie groß die Spießigkeit im Deutschland der bis Ende der 90er Jahre andauernden Helmut-Kohl-Ära wirklich war, kann man vor allem dadurch erkennen, wie sehr das, was danach kam, als Lockerung, als Befreiung empfunden wurde", schreibt Johannes Kram. "Deutschland kann endlich über sich selber lachen, bildete es sich damals ein. Dabei lachte es vor allem über Homosexuelle, besser gesagt tuntige Schwule."
Herbig, räumt der Nollendorfblogger ein, gehöre zusammen mit Stefan Raab und Oliver Pocher zwar zu den Vorreitern eines entspannteren Umgangs in Deutschland mit Homosexuellen – der jedoch "vor allem ein entspannteres Lachen über Homosexuelle" bedeutet habe. "Schwule waren vor allem deswegen ein dankbares und ergiebiges Opfer, weil sie vor allem eines nicht mehr sein wollten: Opfer. Deswegen gab es kaum oder keinen Widerspruch", so der Autor. Aber Homophobie bleibe Homophobie, "auch wenn sie lustig ist".
Buchpremiere am 11. April in Berlin
Nur zu etwa einem Drittel hat Johannes Kram frühere Blogbeiträge in sein Buch einfließen lassen, den Hauptteil hat er völlig neu geschrieben. Im März soll "Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…" im Buchhandel erhältlich sein, und für Mittwoch, den 11. April wurde bereits eine große Buchpräsentation im Berliner Tipi am Kanzleramt angekündigt. Mit dabei sind Volker Beck, Jade Pearl Baker, Felix Martin, Jan Feddersen, Romy Haag, Stephanie Kuhnen, Pierre Sanoussi-Bliss, Lili Sommerfeld, Operette für zwei schwule Tenöre, Florian Ludewig und Matthias Freihof.
Infos zum Buch
Johannes Kram: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber… Die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft. Taschenbuch. 160 Seiten. Querverlag. Berlin 2018. 14,90 €. ISBN 978-3-89656-260-9. Erhältlich ab März.
Miteinander lachen und nicht übereinander !
Wenn man so Humorlos ist sollte man sich vielleicht in der Wohnung einschließen und sich dort verstecken.