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Buchneuerscheinung

Warum Bully Herbig Schuld ist, dass die Ehe für alle so spät kam

Nollendorfblogger Johannes Kram fordert eine Debatte über die "neue Homophobie" in Deutschland – und wirft dabei auch linksliberalen Kreisen "nie aufgearbeitete, homosexuellenfeindliche Reflexe" vor.


Michael "Bully" Herbig als tuntiger Apache Winnetouch in seinem Erfolgsfilm "Der Schuh des Manitu" (Bild: Constantin Film)

Das Jahr 2017 war doch ein recht gutes für Lesben und Schwule in Deutschland, möchte man meinen. Völlig überraschend schenkte der alte Bundestag den homosexuellen Mitbürgern in letzter Minute gleiche Eherechte, Dauerkanzlerin Merkel konnte nach einer Begegnung mit echten lesbischen Müttern ihre Angst vor Homo-Adoptionen überwinden, und sogar die Nachkriegsopfer des Paragrafen 175 – zumindest die meisten – sind nun endlich keine Straftäter mehr und bekamen sogar ein paar Groschen Entschädigung. Alles prima also in der queeren Republik?

Nein, meint Johannes Kram in einem neuen Buch, das im März im Berliner Querverlag erscheint und vermutlich für einigen Wirbel sorgen dürfte. In seinem mit rund 160 Seiten angekündigten Band "Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…" beschreibt der Nollendorfblogger in 17 Kapiteln – so der Untertitel – "die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft".


Johannes Kram lebt als Autor, Textdichter, Blogger und Marketingstratege in Berlin. Seit 2008 betreibt er das Nollendorfblog, 2013 initierte er den "Waldschlösschen-Appell" gegen Homophobie in den Medien (Bild: Markus Lücke)

Der deutsche "Sonderweg" der Homoverfolgung

Bei Kram kriegen also nicht in erster Linie fanatische Heterolobbyisten wie von Storch, Kuby oder Beverfoerde ihr verdientes Fett weg, sondern zur Abwechslung mal auch linksliberale Kreise, die sich selbst als ausgesprochen tolerant verorten und oftmals keine Gelegenheit auslassen, von ihren vielen schwulen Freunden zu erzählen. Diese Selbstwahrnehmung stehe oft im Gegensatz zu "tief sitzenden, nie aufgearbeiteten, homosexuellenfeindlichen Reflexen", so der Autor, der zahlreiche gute Beispiele nennt.

Eine Ursache sieht Johannes Kram im deutschen "Sonderweg" der Homoverfolgung, der zur Ermordung schwuler Männer im KZ führte, und dem skandalösen Umgang der Gesellschaft mit diesem Erbe. "Dass Deutschland seine Homosexuellenverfolgung nicht mal dann in Frage stellt, als es 1945 den völligen staatlichen, gesellschaftlichen und moralischen Zusammenbruch erlebt, sondern auf Basis der Regelungen der Nazi-Zeit weiterführt, dass es daran dann sogar noch nach Wirtschaftswunder und bildungspolitischem Aufbruch der 60er recht unbeirrt festhält, zeigt die kontinuierliche Bedeutung dieses Faibles für die Identität des Landes."

Homophobie auf der Puder Rosa Ranch


Das Buch von Johannes Kram erscheint im März im Berliner Querverlag

Um den Unterschied zu Nachbarstaaten aufzuzeigen, erinnert der Autor an das Jahr 2001, in dem die Niederlande als erstes Land der Welt die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffneten, während in Deutschland Michael "Bully" Herbigs Erfolgskomödie "Der Schuh des Manitu" in die Kinos kam – mit dem tuckig-schwulen Apachenhäuptlingsbruder Winnetouch auf der Puder Rosa Ranch und vielen weiteren Klischees über homosexuelle Männer. "Wie groß die Spießigkeit im Deutschland der bis Ende der 90er Jahre andauernden Helmut-Kohl-Ära wirklich war, kann man vor allem dadurch erkennen, wie sehr das, was danach kam, als Lockerung, als Befreiung empfunden wurde", schreibt Johannes Kram. "Deutschland kann endlich über sich selber lachen, bildete es sich damals ein. Dabei lachte es vor allem über Homosexuelle, besser gesagt tuntige Schwule."

Herbig, räumt der Nollendorfblogger ein, gehöre zusammen mit Stefan Raab und Oliver Pocher zwar zu den Vorreitern eines entspannteren Umgangs in Deutschland mit Homosexuellen – der jedoch "vor allem ein entspannteres Lachen über Homosexuelle" bedeutet habe. "Schwule waren vor allem deswegen ein dankbares und ergiebiges Opfer, weil sie vor allem eines nicht mehr sein wollten: Opfer. Deswegen gab es kaum oder keinen Widerspruch", so der Autor. Aber Homophobie bleibe Homophobie, "auch wenn sie lustig ist".

Buchpremiere am 11. April in Berlin

Nur zu etwa einem Drittel hat Johannes Kram frühere Blogbeiträge in sein Buch einfließen lassen, den Hauptteil hat er völlig neu geschrieben. Im März soll "Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…" im Buchhandel erhältlich sein, und für Mittwoch, den 11. April wurde bereits eine große Buchpräsentation im Berliner Tipi am Kanzleramt angekündigt. Mit dabei sind Volker Beck, Jade Pearl Baker, Felix Martin, Jan Feddersen, Romy Haag, Stephanie Kuhnen, Pierre Sanoussi-Bliss, Lili Sommerfeld, Operette für zwei schwule Tenöre, Florian Ludewig und Matthias Freihof.

Infos zum Buch

Johannes Kram: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber… Die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft. Taschenbuch. 160 Seiten. Querverlag. Berlin 2018. 14,90 €. ISBN 978-3-89656-260-9. Erhältlich ab März.

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#1 der-ich23eAnonym
  • 16.01.2018, 10:04h
  • Ich fand die Filme damals wie heute super und habe mich köstlich amüsiert...
    Miteinander lachen und nicht übereinander !

    Wenn man so Humorlos ist sollte man sich vielleicht in der Wohnung einschließen und sich dort verstecken.
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#2 sicherlichAnonym
#3 Lucky08Anonym
#4 VeronikaRodckeAnonym
#5 Kein WunderAnonym
  • 16.01.2018, 11:21h
  • Die neue Homophobie wundert mich leider überhaupt nicht.

    Nachdem es in den 1990er-Jahren und auch noch Anfang der 2000er eine neue gesellschaftliche Liberalität gab, geht es jetzt wieder eher zurück.

    Das hat mehrere Gründe und ein
    wichtiger ist das Verhalten von Politik und Kirchen. Wenn die uns ständig diskriminieren und auch noch wortreich erklären, warum diese Diskriminierung okay sein soll, hat das gesellschaftliche Auswirkungen. Direkt und indirekt. Und auch auf Menschen, die sich gar nicht für Politik interessieren und auch nicht religiös sind. Es entsteht einfach ein gesellschaftliches Klima, dass es okay ist, LGBTI zu diskriminieren.

    LGBTI sind die einzige Bevölkerungsgruppe, wo es politisch und gesellschaftlich akzeptiert ist, dass sie diskriminiert werden.

    Nur mal ein Beispiel von vielen:
    Würde jemand auf die Idee kommen, Seminare anzubieten, auf denen er z.B. aus Muslimen Christen machen wolle, würde das zu Recht kritisiert. Aber wenn religiöse Fanatiker Seminare anbieten, auf denen LGBTI "geheilt" werden sollen, was noch dazu (wissenschaftlich bewiesen!!) schwerste psychische Schäden verursacht und bis zum Selbstmord führen kann, dann wird das toleriert.

    Und noch viel schlimmer: wenn man fordert, dies (wie in immer mehr anderen Ländern) zu verbieten, sagen CDU, CSU, FDP und auch die SPD (und die AfD sowieso), dass das eben auch Teil der Religionsfreiheit ist und man Menschen, die diese "Hilfe" in Anspruch nehmen wollen, nicht verbieten kann.

    Warum das Schädigen von Menschen etwas mit Religionsfreiheit zu tun haben soll oder was das gar mit "Hilfe" zu tun haben soll (und warum LGBTI überhaupt hilfsbedürftig seien), kann niemand von Union, FDP und SPD erklären. Das ist einfach Angst, sich mit den mächtigen Kirchen anzulegen und sonst nichts.

    Und so gibt es zig weitere Beispiele, die in der Summe ein gesellschaftliches Klima erzeugen, dass die Diskriminierung von LGBTI okay ist.
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#6 FelixAnonym
  • 16.01.2018, 11:29h
  • Antwort auf #1 von der-ich23e
  • Ich fand den Film zwar überhaupt nicht lustig, sondern eher albern, aber das ist mein persönlicher Geschmack.

    Die Frage ist eher, ob durch das klischeehafte Darstellen des efemierten Schwulen nicht wieder ein Bild gefestigt wird, dass Schwule keine richtigen Männer und nur Witzfiguren seien. Und dass alle Schwulen tuntig seien, obwohl die Mehrheit das absolut nicht ist. (Aber auch tuntig zu sein, ist natürlich vollkommen okay, solange es nicht von Heteros nachgeäfft wird, um einen billigen Witz auf Kosten anderer zu machen.)

    Da mir die Freiheit der Kunst sehr wichtig ist, würde ich auch so einen Film niemals verbieten wollen. Aber gut finden muss ich ihn dennoch nicht.

    Dass es auch anders geht, zeigt z.B. ein Film wie "Chuck & Larry". Auch dort gibt es Witze über Schwule und zwei Heteros geben vor Schwule zu sein. Aber das passiert auf eine Art und Weise, dass auch ich als schwuler Mann darüber lachen kann, es ist nie billig auf Kosten von Schwulen und vor allem: letztlich wirbt dieser Film trotz allem, auch teil albernen, Humor für Akzeptanz.
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#7 BuntesUSchoenesEhemaliges Profil
#8 FelixAnonym
  • 16.01.2018, 11:38h
  • Antwort auf #5 von Kein Wunder
  • Da muss ich Dir zustimmen.
    Manche meinen ja, dass Verhalten von Politik und Kirche nicht so viel Einfluss auf die Gesellschaft hätte. Gerade auch bei Leuten, die sich nicht für diese Dinge interessieren.

    Aber es ist psychologisch und soziologisch zig mal nachgewiesen, dass das durchaus so ist und dass dadurch ein soziales Klima entsteht, dass auch die Teile der Gesellschaft indirekt beeinflusst, die die Botschaften von Politik und Kirchen gar nicht direkt erreichen.

    ABER:
    Das ist zwar ein wichtiger Grund, aber nicht der einzige. Wir müssen auch ein wenig die Schuld bei uns selbst suchen.

    Wo Du schon die 1990er-Jahre genannt hast. Ich komme aus einer kleineren Großstadt und habe dort in den 90ern studiert. Damals habe ich regelmäßig (mindestens 1-2x pro Woche) schwule und lesbische Paare händchenhaltend in der Stadt oder Arm in Arm auf einer Parkbank gesehen. Das war damals Alltag. Heute sehe ich das in derselben Stadt nicht mehr.

    Niemand verlangt, dass man sich selbst in Gefahr begeben soll und z.B. nachts in einer gefährlichen Gegend händchenhaltend an einer Gruppe Nazis vorbeimarschieren soll. Aber es gibt schon genug Gelegenheiten, wo man es sehr wohl könnte und da sollte man das, was Heteros wie selbstverständlich tun, auch tun. Oder genauso bei Fotos am Arbeitsplatz oder im Portemonnaie. Oder wenn Heteros von dem Mann / der Frau bzw. Partner/Partnerin reden, kann man auch genauso selbstverständlich davon erzählen.

    Je selbstverständlicher und alltäglicher wir selbst damit umgehen, desto selbstverständlicher und alltäglicher wird es auch für andere !!!!!!!

    Und je offener wir uns zeigen, desto mehr Menschen sehen auch, wie viele wir sind und wie vielfältig wir sind !!!!!!!
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#9 BuntesUSchoenesEhemaliges Profil
  • 16.01.2018, 11:58h
  • Antwort auf #1 von der-ich23e
  • Schade, dass du dich damit gar nicht wirklich auseinandersetzen möchtest.
    Der Film ist ein Beispiel für Unmengen an Situationen, wo Schwule und allgemein die LSBTTIQ lächerlich gemacht werden. Es geht alao nicht explizit um diesen Film, sondern um das wiederholende Verhalten.
    Wenn du als Hetero-Mann ständig wegen deiner Kinder belächelt werden würdest und zusätzlich benachteiligt, immer und immer wieder, dann ist es ganz natürlich, dass du eines Tages an deine Grenzen kommst und automatisch äußerst: "Was soll das eigentlich? Und wieso mischen sich Leute in mein Privatleben ein?" Und irgendwann später kommt der Punkt, da findest du das selbst nicht mehr lustig und fühlst dich, ganz genau: verletzt!
    Und weil die Überzahl der Gesellschaft sich so verhält, erkennst du deutlich, dass das Diskriminierung ist, unabhängig ob es "lustig" rüber gebracht wird oder nicht.

    Medien haben einen Einfluss auf die Bevölkerung. Und wenn eine bestimmte Verhaltensweise ständig im TV gebracht-, im Radio geäußert- und im Alltag umgesetzt wird, dann prägt sich das ein. Es beeinflusst auch Jugendliche sehr stark.

    Mit Humorlosigkeit hat das schon längst nichts mehr zu tun. Diskriminierung lustig zu finden, stellt für mich ein großer Mangel an Empathie und Mitgefühl dar.
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#10 TraumzerstörerinAnonym
  • 16.01.2018, 11:59h
  • Antwort auf #5 von Kein Wunder
  • "Würde jemand auf die Idee kommen, Seminare anzubieten, auf denen er z.B. aus Muslimen Christen machen wolle, würde das zu Recht kritisiert. "

    Nein, das wird nicht kritisiert, weil wir Religionsfreiheit haben.
    Islamisten, Christen und auch Atheisten dürfen in der Öffentlichkeit Stände aufbauen und für ihre Sache werben, ebenso dürfen Seminare angeboten werden, wo Glaube vermittelt wird oder angezweifelt wird.
    Nur gezwungen werden darf niemand dazu, so etwas zu besuchen.

    Aus diesem Grund sind auch Seminare, in denen Leuten Techniken zur Vermeidung homosexuellen Verhaltens und Gedanken gelehrt werden, in Deutschland nicht verboten, denn wenn diese Verhaltensweisen gegen den persönlichen Glauben sprechen, steht es den Leuten frei, sie nicht auszuleben und sie zu unterdrücken.

    Dagegen gibt es bei uns kein Gesetz.
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