Im US-Wahlkampf hatte sich Donald Trump als homofreundlich dargestellt, was bei LGBTI-Aktivisten schon damals für Skepsis und Spott sorgte (Bild: Twitter / @ChrisRBarron)
Jetzt sind die vorab durchgesickerten Pläne offiziell: Das Büro für Bürgerrechte im US-Gesundheitsministerium hat am Donnerstag die sofortige Einrichtung einer neuen Abteilung angekündigt, an die sich Ärzte, Krankenpfleger oder andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens richten können, die sich in ihrem Recht auf Religions- oder Gewissensfreiheit diskriminiert sehen.
Dazu richtete die Behörde eine Webseite ein, die eine Krankenschwester mit muslimischem Kopftuch zeigt – die Pläne gehen aber größtenteils auf christliche Aktivisten zurück. Das Büro dient eigentlich als Anlaufstelle für Diskriminierungen anhand üblicher Merkmale wie etwa Herkunft, unter dem früheren Präsidenten Barack Obama teilweise auch aufgrund von sexueller Identität oder Orientierung.
In der Praxis betont das Gesundheitsministerium nun ein Recht, aufgrund des Glaubens medizinische Behandlungen zu verweigern (anstatt etwa den Beruf oder den Arbeitgeber zu wechseln). Die Webseite benennt als Beispiele Abtreibung, Sterilisation oder Unterstützung des Freitods, spricht aber auch weit auslegbar von "Behandlungen, die religiösen oder moralischen Glaubenssätzen" widersprechen. Medien, die vorab von den Plänen berichteten, hatten vermutet, dass auch die Unterstützung von Transpersonen bei ihrer Geschlechtsanpassung in diesen Bereich fallen würde.
Viele Menschenrechts- und LGBTI-Organisationen fürchten, auch aus Erfahrungen etwa im US-Kulturkampf um "Religionsfreiheit" im Geschäftsleben und aus Erfahrungen aus früheren Zeiten, dass die offene Formulierung zudem zu weiteren Diskriminierungen von LGBTI führen könnte, etwa in der Verweigerung von künstlicher Befruchtung bei lesbischen Frauen, in der Behandlung von HIV-Positiven oder der Ablehnung von Homo-Paaren.
"Wenn er angenommen wird, wäre dieser Vorschlag ein weiterer schädlicher Angriff auf LGBTQ-Menschen durch Donald Trump und Mike Pence", kommentierte die "Human Rights Campaign" am Mittwoch die bekannt gewordenen Pläne. "Gesundheitsfachkräfte haben eine professionelle und ethische Verpflichtung, allen, die sie benötigen, medizinische Versorgung zukommen zu lassen." Bigotterie dürfe gerade dort keinen Platz haben, wo "die Schwächsten in unserer Gesellschaft Hilfe suchen".
Harper Jean Tobin vom "National Center for Transgender Equality" betonte: "Hier wird Religion genutzt, um Menschen dafür zu schaden, dass sie missbilligen, wer sie sind. Jede Richtlinie, die eine Lizenz zur Diskriminierung gewährt, wäre eine Schande und eine Verhöhnung des Prinzips von religiöser Freiheit, die wir alle schätzen."
Gegen die "Diskriminierung" Religiöser im Berufsleben
Der kommissarische Leiter der Gesundheitsbehörde, Eric Hargan, sagte am Donnerstag bei einer Veranstaltung vor republikanischen Abgeordneten und Anführern von Glaubensgemeinschaften, viele Kliniken und Hospize würden von Religionsgemeinschaften betrieben und seien oft gezwungen, gegen ihre Überzeugungen zu handeln. "Für viel zu lange Zeit wurden [religiöse] Mitarbeiter im Gesundheitsdienst schikaniert und diskriminiert."
Mit dem neuen Leiter des Bürgerrechte-Büros der Behörde, Roger Severino, hatte sich die US-Regierung einen katholischen Beamten geholt, der als Leiter der (von der Familie der neuen Bildungsministerin Betsy DeVos finanzierten) Religions- und Familien-Abteilung des konservativen Thinktanks Heritage Foundation gegen LGBTI-Rechte angekämpft hatte.
Bereits im Dezember hatte das Gesundheitsministerium Schlagzeilen gemacht, als es der ihm unterstellten Gesundheitsbehörde CDC und weiteren Abteilungen verboten haben soll, in Anträgen u.a. den Begriff "Transgender" zu benutzen (queer.de berichtete). Was genau erlaubt und verboten ist, ist auch Wochen später unklar. Aktivisten erinnerten damals daran, wie Sprechverbote, Schweigen und die Verweigerung von Mitteln an die CDC durch die Reagan-Regierung einst die beginnende Aids-Krise verschlimmert hatten. Die beiden Beratungsgremien des US-Präsidenten im Kampf gegen die Krankheit sind derzeit aufgelöst oder unbesetzt (queer.de berichtete). (cw)
Ein großer Rollback von Fortschritten
Bereits unter George W. Bush hatte es im Gesundheitswesen größere Ausnahmen im Bereich der "Religionsfreiheit" gegeben bzw. gab es eine größere Bereitschaft, seit Jahrzehnten bestehende Regelungen entsprechend zu interpretieren. Die Trump-Regierung hatte sich im Laufe des letzten Jahres, vor allem auf Druck des evangelikalen Vizepräsidenten Mike Pence, wieder für eine stärkere Berücksichtigung der vermeintlichen "Religionsfreiheit" in Gesetzen und vor Gerichten stark gemacht – auch als Reaktion auf die Obama-Jahre, in denen LGBTI-Rechte deutlich gestärkt wurden.
So erließen Trump und das Justizministerium unter Homo-Hasser Jeff Sessions in den letzten Monaten Gesetze und Richtlinien, die Glaubensfreiheit über Fragen der Antidiskriminierung speziell von LGBTI stellen (queer.de berichtete), während das Ministerium zugleich (u.a. religiös begründete) Diskriminierung gegen Homo- und Transsexuelle nicht mehr zu seinen nationalen Einsatzaufgaben zählen und den Bundesstaaten überlassen will (queer.de berichtete).
Bereits im Februar wurde ein Dekret Obamas aufgehoben, mit dem transsexuelle Schüler mit Hilfe des Justizministeriums ihre Rechte durchsetzen sollten (queer.de berichtete). Präsident Trump hatte zudem selbst per Dekret ein Verbot von Trans-Personen in Militär erlassen (und damit ebenfalls ein Dekret Obamas aufgehoben), das allerdings zuletzt vorerst vor Gerichten scheiterte (queer.de berichtete).
Erst am Dienstag hatte Trump zum (von allen Präsidenten jährlich proklamierten) "Tag der Religionsfreiheit" erklärt, dass leider nicht jeder diesen Wert schätze, indem er etwa "Menschen zum Befolgen von Gesetzen zwingt, die ihre grundlegenden religiösen Werte verletzen": "Niemand, seien es Nonnen, Krankenpfleger, Bäcker oder Geschäfteinhaber, sollten gezwungen werden, zwischen ihren Glaubenssätzen und der Einhaltung der Gesetze zu wählen", so Trump – ein Streit um die Verweigerung einer Hochzeitstorte an ein schwules Paar landet in Kürze vor dem Supreme Court (queer.de berichtete).
Während Trump den religiösen Tag proklamierte, hatte er im letzten Sommer auf den von Präsident Barack Obama eingeführten "Pride Month" verzichtet. In seiner Proklamation zum Welt-Aids-Tag hatte Trump letzten Dezember Schwule als eine Hauptbetroffenengruppe mit keiner Silbe erwähnt (queer.de berichtete).