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Bewegende Botschaft des Paares

Russland erkennt schwules Ehepaar an

Zwei Russen hatten in Kopenhagen geheiratet – und eine Moskauer Beamtin die Ehe nun in den Pässen der Männer bestätigt.


Wojciechowski (l.) und Stotsko hatten am 4. Januar im Rathaus von Kopenhagen geheiratet (Bild: Pavel Stotsko / facebook)

  • Von Norbert Blech
    26. Januar 2018, 12:03h 12 4 Min.

Ein Moskauer Bürgerbüro hat überraschend eine im Ausland geschlossene Ehe zweier Männer anerkannt. Die Rechtsfolgen sind ebenso unklar wie die Frage, ob es sich um eine Art einmaliges Versehen handelte.

Eugen Wojciechowski und Pawel Stotsko aus Moskau hatten sich am 4. Januar in Kopenhagen das Ja-Wort gegeben. Nach der Rückkehr baten sie unter Vorlage der Hochzeitsdokumente und Übersetzungen eine Beamtin in einem Service-Büro der Stadt, ihnen die Ehe in ihren Pässen zu bestätigen.


Darf doch sein, was angeblich nicht sein darf? Die Pässe des Paares

Zu ihrer großen Überraschung sei die Beamtin dem Wunsch sofort nachgekommen, "ohne überflüssige Fragen oder Ändern des Gesichtsausdrucks", berichtete das Paar am Donnerstagabend in einem Interview mit dem unabhängigen TV-Sender Doschd, das seither hohe Wellen schlägt.

Erste rechtliche Anerkennung

Russische Medien berichteten ebenso wie LGBTI-Verbände, nach ihrer Sicht sei dies die erste rechtliche Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Ehe in Russland. Das Familiengesetz enthält zur Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen einige Ausschlussbestimmungen, aber keinen Hinweis auf das Geschlecht der Eheleute.

Allerdings sind bereits Paare gescheitert, diese rechtliche Lücke "auszunutzen": Ein Rechtsstreit um die Anerkennung einer 2009 in Kanada geschlossenen Ehe eines lesbischen Paares liegt inzwischen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, nachdem russische Behörden und dann Gerichte die Anerkennung der Ehe verweigerten. Ob Wojciechowski und Stotsko die Bestätigung im Pass, verheiratet zu sein, in den üblichen Rechtsfragen- und folgen einer Ehe hilft, darf daher mit Skepsis erwartet werden.


Vergebliches Aufgebot mehrerer lesbischer und schwuler Paare im Juni 2013 in St. Petersburg

In Russland selbst hatten Standesbeamte immer wieder eine Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare verweigert, etwa bei einem Massenbesuch durch LGBTI-Aktivisten vor einigen Jahren in St. Petersburg. Sie verweisen darauf, dass das Familiengesetz – in einem Nebensatz – von Mann und Frau spreche.

Eine Art gleichgeschlechtliche Hochzeit gab es allerdings 2014 in St. Petersburg: Zwei Frauen konnten sich das Ja-Wort geben, da eine der beiden in offiziellen Dokumenten noch als Mann aufgeführt wurde (queer.de berichtete). Unter erheblichen Medienrummel wiederholte sich die Konstellation 2016 in Moskau: Die russische LGBTI-Aktivistin Reyda Lynn konnte auf einem Standesamt ihre Partnerin Sophia Grozowsky heiraten. Im Ausweis von Sophia, die sich als Frau und als transgender identifiziert, war ebenfalls das Geschlecht "männlich" eingetragen. Die Standesbeamten hatten sich unter dem Ansturm von LGBTI und Medien zunächst verbarrikadiert, bis die Polizei vermittelte (queer.de berichtete).


Reyda Linn (r.) und Sophia Grozowsky im März 2016 in Moskau

Vor Medien in Deckung ging am Donnerstag zunächst auch die Presseabteilung der Moskauer Standesämter. Auf die Frage, wie sie die Ehe von Wojciechowski und Stotsko einschätzten, bekamen die Reporter zur Antwort, dass das Familiengesetz eine Bestimmung enthalte über "die gegenseitige Zustimmung des Mannes und der Frau, die die Ehe eingehen". Da dort nicht von einer "gegenseitigen Zustimmung der Personen" die Rede sei, sei eine weitere Diskussion der Reporterfragen "unzweckmäßig".

Eine Heirat und ein Statement

Wojciechowski und Stotsko dürften derweil in den nächsten Tagen durch zahlreiche Interviews für die Akzeptanz ihrer Beziehung werben. Auf Facebook hatte Stotsko bereits am 4. Januar sehr emotionale Worte gefunden:

Liebe Freunde, viele von euch werden jetzt überrascht sein. Sehr. Also, heute habe ich meinen geliebten Eugene Wojciechowski geheiratet! (…) Warum haben wir das gemacht? Vor allem, weil wir uns lieben. Obwohl unsere Liebe in Russland nicht als Norm anerkannt ist. Die Norm in den letzten zehn Jahren war die Verfolgung von Schwulen und allen frei denkenden Menschen.

Im Laufe der Jahre haben wir viel erlebt. Bis wir zusammenlebten, trafen wir uns auf der Straße, küssten uns heimlich in dunklen Gassen, versteckten uns vor Fremden, Freunden und Verwandten. Wir wurden wie alle anderen Schwulen und Lesben in Russland beleidigt, gedemütigt, angegriffen. Wir waren still und geduldet, so wie alle schweigen und leiden. Aber wir haben uns gegenseitig unterstützt und sind stark geblieben.


Warum haben wir uns dazu entschieden, davon zu erzählen? Weil wir nicht Hass brauchen, sondern eure Unterstützung. Wir wollen weder verbergen noch beweisen, dass wir anders sind oder dass wir genau so sind wie ihr. Wir wollen nur, dass wir nicht entmenschlicht werden und uns nicht das Recht auf menschliche Liebe verweigert wird.

Die Ehe in Dänemark ist eine logische Fortsetzung und Stärkung unserer Beziehung. Wir sind seit mehr als sechs Jahre zusammen, vier davon leben wir zusammen. Wir haben immer von einer Hochzeit geträumt, um das Gelübde zu schwören in Hingabe und Liebe vor dem Angesicht der Gesellschaft. Und dieser Tag ist gekommen! Die Gelübde wurden gesprochen.


(…) Wie wir es gemacht haben, ist ein separates Thema. Jetzt sind wir einfach nur glücklich. Und wir brauchen wirklich eure Unterstützung, liebe Freunde! Frohes neues Jahr und frohe Weihnachten!

 Update  20h: Innenministerium erklärt Pässe für ungültig, entlässt Beamte
s. Nachfolgebericht: Russisches Innenministerium erklärt erste Ehe für alle für ungültig

#1 swimniAnonym
  • 26.01.2018, 13:03h
  • Glückwunsch!!!

    hoffentlich entpuppt es sich nicht als panne, wie bei mathias rust....
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#2 Patrick SAnonym
  • 26.01.2018, 13:07h
  • Sehr gefährlich und fahrlässig!

    Glückwunsch an das Paar zuallererst. Finde es immer toll, wenn sich zwei Menschen gefunden haben und ihr Leben miteinander verbringen möchten.

    Aber ich verstehe nicht, wie man sich freiwillig seinem homofeindlichen Verfolgerstaat ausliefern kann, indem man seine Ehe eintragen lässt. Mir kommt das so vor, als wäre man 1936 zur Gestapo gegangen, um ihnen mitzuteilen, wo man abgeholt werden kann, wenn es los geht.

    Vermutlich bin auch einfach Schwarzmaler und Angsthase. Ich hoffe es!
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#3 Patrick SAnonym
  • 26.01.2018, 13:17h
  • Nachtrag zur Erklärung:

    Ich empfinde Tschetschenien als nicht souverän und als Staat von Gottes Gnaden: in dem Falle von Putins Gnaden.

    Die Schwulenverfolgung und -ermordung dort, halte ich für einen Testlauf, der später in Russland Anwendung finden wird.
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