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Eugen und Pawel

Schwules Ehepaar flüchtet aus Russland

Nach Drohungen durch Unbekannte und Schikane durch die Behörden hat das Paar, das in Kopenhagen geheiratet hatte, das Land verlassen.


Wojciechowski (l.) und Stotsko versprachen sich am 4. Januar im Rathaus von Kopenhagen, in guten und schlechten Zeiten einander beizustehen. Die schlechten Zeiten folgten schneller als erwartet. (Bild: Pavel Stotsko / facebook)

  • Von Norbert Blech
    29. Januar 2018, 18:42h 16 4 Min.

Das russische LGBT Network hat am Montag bekannt gegeben, dass Eugen Wojciechowski und Pawel Stotsko, die mit der Eintragung ihrer Ehe in Kopenhagen für einigen Wirbel in Russland gesorgt hatten, das Land verlassen haben.

Das Paar habe sich aufgrund "der illegalen Handlungen und des Drucks" durch die Behörden zu dem Schritt gezwungen gesehen, so der Verband in einer Stellungnahme. "Diese Entwicklung der Ereignisse war nicht geplant und nur die Bedrohung der Freiheit und Sicherheit von Pawel und Eugen haben zu ihrer Abreise geführt."

Der Verband ließ offen, ob das Paar nur kurzzeitig aus Russland geflohen ist oder etwa im Ausland einen Asylantrag stellen will. Die beiden Männer selbst haben ihre Auftritte in sozialen Netzwerken seit der Flucht aus ihrer Wohnung in der Nacht zum Sonntag nicht mehr aktualisiert.

"Das LGBT Network hat heute unsere Leben gerettet", hatte Stosko dazu geschrieben. Der 28-Jährige und sein 27-jähriger Partner würden "für ein paar Tage weg sein, aber wir werden weiter kämpfen."

Posse mit Schrecken

Die beiden Männer hatten am 4. Januar in Kopenhagen geheiratet, wie vor ihnen bereits einige schwule und lesbische Paare aus Russland. Doch das Paar beantragte, wieder zurück in der Heimatstadt Moskau, in einem lokalen Servicezentrum die Bestätigung der Ehe in ihren russischen Pässen und erhielt diese überraschenderweise auch (queer.de berichtete).

Während das Gesetz die Eintragung einer Ehe auf einem russischen Standesamt nur zwischen einem Mann und einer Frau vorsieht, benennt die Regelung zur Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen einige Ausschlussgründe, darunter allerdings nicht eine Gleichgeschlechtlichkeit der Ehepartner. Das LGBT Network betonte dazu letzte Woche, die Eintragung in den Pässen sei rechtens – allerdings könnten dem Paar und ggf. weiteren, die den Schritt wagten, Rechtsstreitigkeiten um die weiteren Rechtsfolgen der Eintragung drohen. Der Verband forderte, dass der Staat den Wünschen seiner homosexuellen Bürger folgen solle und eine rechtliche Anerkennung bieten müsse.


Die inzwischen für ungültig erklärten Bestätigungen der Ehe in den Pässen der Männer

Nachdem sich das Paar mit dieser wohl ersten rechtlichen Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Ehe am letzten Donnerstag an die Medien wandte und in TV-Interviews und sozialen Medien für Akzeptanz warb, zeigte sich das offizielle Russland zunächst verwirrt: Während zwischenzeitlich einerseits von einer Fälschung der Pässe gesprochen und die Existenz einer Gesetzeslücke abgestritten wurde, kündigte der homofeindliche Duma-Abgeordnete Witali Milonow andererseits eine Gesetzesinitiative an, die die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen aus dem Ausland ausdrücklich verbieten soll.

Am Freitagabend teilte dann das Innenministerium mit, dass die Pässe des Paares für ungültig erklärt worden seien und die Beamtin des Bürgerbüros, die die Stempel angebracht hatte, sowie ihr Vorgesetzter wegen Verletzung des russischen Rechts aus dem Dienst entfernt werden sollen (queer.de berichtete).

Belagerung und Medienrummel

Am Samstag folgte eine stundenlange Belagerung der Wohnung des Paares: Polizeibeamte, teilweise in zivil, verlangten Zutritt, um den Männern die Pässe abzunehmen und Vorladungen auf eine Polizeiwache zu präsentieren: Die Männer sollten der Ordnungswidrigkeit der vorsätzlichen Beschädigung von Dokumenten beschuldigt werden, was mit einer Geldstrafe bis zu 300 Rubel (4,30 Euro) belegt werden kann.

Das Paar ließ die Beamten ohne Anwalt nicht in die Wohnung. Wie das LGBT Network jetzt bekannt machte, war ihnen angedroht worden, wegen Widerstands gegen Polizeibeamte festgenommen zu werden, sollten sie ohne Herausgabe der Pässe die Wohnung verlassen.


Am Samstag stand das Paar vor seiner Wohnung ungewollt für Interviews zur Verfügung

Auf die Männer sei zudem "psychologischer Druck" ausgeübt worden, beklagt der Verband: So sei ihnen zwischenzeitlich der Strom und das Internet abgestellt und Freunden Zutritt verwehrt worden – herbeigeeilte Medien wie der Sender Doschd oder die Deutsche Welle hatten die chaotische Belagerung festgehalten.

Erst ein Anwalt des LGBT Network habe im Gespräch mit dem zur Schlichtung einbestellten stellvertretenden Polizeichef Moskaus in der Nacht eine Lösung herbeiführen können: Durch die Abgabe der Pässe wurde zugleich das Ordnungswidrigkeiten-Verfahren beendet; die nach Ansicht des Verbands illegale Einziehung der Pässe wurde quittiert und die Verhandlungen auf Video festgehalten.

Angst vor Gewalt

Das LGBT Network beklagt, dass die "absurden" Handlungen der Staatsbehörden nicht auf Recht und Gesetz basierten, sondern "auf der persönlichen Meinung von Politikern und Beamten über die Nicht-Zulässigkeit gleichgeschlechtlicher Ehen in Russland". Der "künstliche" Vorwurf der Pass-Beschädigung habe zu einem willkürlichen Verhalten der Polizei geführt.

Auch kritisierte der Verband, dass die Polizei dem Paar keine Sicherheit habe garantieren wollen, obwohl die beiden Männer zahlreiche Drohungen erhalten hatten. Igor Koschetkow vom LGBT Network sagte in einem Radiointerview, dieses Fehlverhalten habe mit zu der Entscheidung des Paares beigetragen, das Land zu verlassen.

Die jahrelange Arbeit des Verbands zeige ein konstantes Desinteresse von Strafverfolgungsbehörden an Gewaltandrohungen gegenüber LGBTI und die "bewusste Weigerung", aus Homo- und Transphobie begangene Straftaten konsequent zu untersuchen und zu bekämpfen, so der Verband. Er verwies zum Abschluss darauf, dass erst am Sonntag der populäre androgyne Blogger und Youtube-Star Vlados Miros und sein Freund George in der Moskauer Innenstadt von sechs Unbekannten angegriffen wurden, sie erhielten unter anderem Tritte gegen den Kopf und erlitten zahlreiche Verletzungen. Nach ihren Angaben wurden sie von Mitarbeitern einer Polizeiwache in der Nähe abgewiesen, als sie um Hilfe baten.

Direktlink | Aufnahmen von Vlad Mirow und George nach dem Angriff durch sechs Unbekannte in der Innenstadt von Moskau
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#1 goddamn liberalAnonym
  • 29.01.2018, 19:47h
  • Da sind diese sehr mutigen Männer nicht die Einzigen.

    Und das seit Jahrhunderten! Und trotzdem stehen immer wieder Russen gegen ihre tyrannischen Zaren und ihre Despotien auf!

    Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gute gemeinsame Zukunft in der zivilisierten Welt!
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#2 FelixAnonym
  • 29.01.2018, 19:56h
  • Hoffentlich geht alles gut für die beiden.

    Und hoffentlich finden sie ein neues Zuhause, wo sie frei und sicher leben können. Und wo sie sich hoffentlich auch bald heimisch fühlen und gemeinsam glücklich werden.
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#3 hugo1970Ehemaliges Profil
  • 29.01.2018, 20:57h
  • Ein logischer Schritt in die richtige Richtung.

    Am besten sollten alle intellektuellen, demokratischen Kräfte aus Russland auswandern, ich wäre gespannt wie lange es dauern würde, bis der russische orthodoxe Staat zusammen brechen würde!!!
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