Videos der öffentlichen Vorführung der Festgenommenen verbreiteten sich in den letzten Stunden viral
Die indonesische Polizei hat am Sonntag im Norden der Insel Sumatra Razzien in Schönheitssalons durchgeführt und zwölf offenbar transsexuelle Frauen festgenommen. Der regionale Polizeichef sagte gegenüber Medien, dass diese sich einer mehrtägigen "Umerziehung" unterziehen müssten, um "richtige Männer" zu werden.
Die Festgenommenen, in lokalen Medienberichten zumeist als "Transgender" oder "waria" bezeichnet, wurden den Medien teilweise vorgeführt: So wurden sie gezwungen, Männerkleidung anzuziehen und schreiend im Kreis zu rennen, weil das ihre Stimme "männlich" trainiere. Einigen wurden die Haare abrasiert. Bilder und Videos der Prozedur wurden von vielen Medien unverpixelt verbreitet, darunter auch von einigen internationalen Portalen wie "Pink News" (das Medium verpixelte dafür die Brüste der teils halbnackt vorgeführten Frauen).
Wie beim Bild oben wurden die Festgenommenen von queer.de unkenntlich gemacht
Die Festgenommenen im Rahmen einer "Operation gegen Krankheiten der Gemeinschaft" sollten zudem einen "Moralunterricht" erhalten, so die Polizei, die die Frauen eigenen Angaben zufolge vor einer aufgebrachten Menge geschützt habe – ein Video zeigt die Festgenommenen umgeben von vielen jungen Männern, die sie mit ihren Smartphones filmten.
Mit der Razzia habe man auf Beschwerden aus der Bevölkerung reagiert, so Polizeisprecher Ahmad Untung Surianata. Mütter hätten sich beschwert, dass ihre Söhne von den Transgendern belästigt werden. "Ihre Zahl wächst hier, ich will das nicht", so der Polizist.
Zunehmende Repression in allen Regionen
In der erzkonservativen Provinz Aceh im Norden Sumatras ist vor zwei Jahren ein Gesetz in Kraft getreten, das homosexuelle Handlungen unter Männern und Frauen nach Scharia-Recht bestraft, das dort seit 2001 angewendet werden kann. Im Mai wurden erstmals zwei Männer öffentlich mit über 80 Peitschenhieben bestraft, nachdem sie ein Scharia-Gericht der Homosexualität für schuldig befunden hatte (queer.de berichtete).
Homosexualität ist ansonsten in Indonesien – mit 250 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste mehrheitlich muslimische Land der Welt – nicht illegal. Aber auch in anderen Regionen des Landes hatten die Behörden zuletzt ihr Vorgehen gegen LGBTI verstärkt. Im Dezember verurteilte ein Gericht zehn Männer, die zusammen mit über 100 weiteren Männern bei einer Razzia in einer Schwulensauna in der Hauptstadt Jakarta aufgegriffen worden waren, zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren (queer.de berichtete).
Polizeifoto von Festgenommenen nach einer Sauna-Razzia im Mai 2017 in Jakarta
In diesen und weiteren Fällen aus den letzten Monaten ging es offiziell um Verstöße gegen das Anti-Pornografie-Gesetz; mit dem schwammig formulierten Gesetz könnte sogar Küssen in der Öffentlichkeit mit Haftstrafen geahndet werden. Nach der Regelung hatte die Hauptstadt-Polizei auch im Oktober bei einer Razzia in einer weiteren Schwulensauna erneut über 50 Männer festgenommen (queer.de berichtete).
Im letzten Frühjahr waren in Indonesiens zweitgrößter Stadt Surabaya auch 14 Männer verhaftet worden, weil sie an einer schwulen Privatparty teilgenommen haben sollen (queer.de berichtete). Im September wurden zudem zwölf Frauen in West-Java, die in einem Haus zusammenlebten, bei einer Razzia festgenommen und letztlich aus der Region verwiesen (queer.de berichtete). Weitere Festnahmen und Drangsalierungen wurden in den letzten Monaten aus weiteren Regionen gemeldet.
Im Dezember hatte das Verfassungsgericht zugleich eine Petition einer islamistischen Gruppe abgelehnt, homosexuelle Handlungen und außerehelichen Sex neu ins Strafrecht aufzunehmen – die Entscheidung fiel allerdings knapp mit fünf zu vier Stimmen (queer.de berichtete). Aktuell berät das Parlament einen Gesetzentwurf, der Geschlechtsverkehr unter unverheirateten Personen unter Strafe stellen könnte und damit auch Schwule und Lesben betreffen könnte. Die Aussichten des Entwurfs, Gesetz zu werden, sind derzeit ebenso unklar wie seine endgültigen Bestimmungen.
Update 10.45h: Festgenommene angeblich freigelassen
Nach Angaben mehrerer internationaler Nachrichtenagenturen hat die Polizei die zwölf festgenommenen Frauen am Montag freigelassen – unter dem Versprechen, sich künftig "wie Männer" zu verhalten und anzuziehen. Polizeichef Ahmad Untung Suriana sagte der DPA am Dienstag: "Wir haben ihnen geholfen, zu ihrer wahren Natur als Männer zurückzukehren. Dabei hat sich herausgestellt, dass sie in Wahrheit Machos sind. Zuvor waren sie in einer falschen Identität verloren. Jetzt sind sie glücklich."
Die Personen könnten auch wieder in den Salons arbeiten, solange sie sich wie Männer verhalten, so der Polizeichef. Er ließ sich zusammen mit den Festgenommenen ablichten, die dazu alle in Männerkleidung präsentiert wurden.
Der Polizeichef und die festgenommenen Personen, erneut von queer.de unkenntlich gemacht
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet hingegen, die Frauen seien auch am Dienstag noch in Polizeigewahrsam. Für Empörung sorgte ein Mitschnitt einer Razzia, bei der der Polizeichef sagte, es sei "unmenschlich", wenn er diesen "sissy garbage" tolerien würde. Er werde mit der Scharia-Polizei zusammenarbeiten und auch gegen Besucher der Salons vorgehen.
Szene aus einem Film-Mitschnitt einer Razzia, der bei Youtube verbreitet wird