Der Club "Libertin" nach dem Anschlag, ein Video zeigt weitere Details der Zerstörungen
Ein Bezirksgericht der ukrainischen Hafenstadt Odessa hat einen rechtsextremen Aktivisten für einen Anschlag auf einen queeren Club der Stadt zu einer Bewährungsstrafe von drei Jahren verurteilt. Laut örtlichen Medienberichten glaubte der Richter dem Angeklagten Alexei D., dass er die Tat bereue.
Im Juli 2015, gegen vier Uhr Morgens in der Nacht zu einem Montag, hatte der Mann zusammen mit einem weiteren Mann eine Granate in den Eingangsbereich des Clubs "Libertin" geworfen, als sich darin noch einige Gäste aufhielten. Ein 21-jähriger Security-Mitarbeiter erlitt Verletzungen im Bein-Bereich und musste in einem Krankenhaus behandelt werden (queer.de berichtete).
Von dem Club selbst wurden die Eingangstür und ein Schild beschädigt. Der damals 29-jährige Täter hatte auf dem Bürgersteig vor dem Club zudem die Inschrift "Familienwerte zuerst – Rechter Sektor" angebracht. Auch warf er eine Granate in den Eingangsbereich eines weiteren Gebäudes, das zuvor einen queeren Club beherbergt hatte und leer stand.
Die Behörden hatten zunächst wegen versuchten Mordes ermittelt. Nachdem der Mann wenige Monate später gefasst wurde und eine Tötungsabsicht abstritt, wurde die Anklage auf den Besitz von Waffen, Drogenbesitz und Hooliganismus abgeändert. D. hatte angegeben, von dem Mittäter angestiftet worden zu sein, der ihn u.a. mit Granaten und TNT ausgestattet hatte. Die nähere Identität jenes "Sergei" konnten die Ermittler nicht herausfinden.
Rechte Gewalt dauerpräsent
Der "rechte Sektor" hatte nach der Tat jede Verantwortung von sich gewiesen. Die radikal-nationalistische Gruppe hatte jedoch mehrfach LGBTI-Veranstaltungen in verschiedenen Orten der Ukraine mit Gewalt gedroht, dem CSD in Kiew etwa mit einem "Blutbad".
Einen Monat nach dem Anschlag in Odessa hatten die dortigen Behörden den CSD mit Hinweis auf Gewalt-Androhungen des "Rechten Sektors" verboten (queer.de berichtete) – Nationalisten stürmten an dem Wochenende auch einen CSD-Empfang und warfen Feuerwerkskörper (queer.de berichtete). 2016 trauten sich in der Hafenstadt rund 50 Aktivisten unter Polizeischutz auf die Straße; im letzten Jahr kam es zu einem Sitzprotest von Aktivisten, als Polizisten zwar den CSD vor Gegendemonstranten schütze, ihm aber nicht den Weg freiräumen wollten (queer.de berichtete).
CSD in Odessa 2017
Rechtsextreme und Hooligans hatten in den letzten Jahren in der Ukraine immer wieder LGBT-Veranstaltungen gestört, verhindert oder angegriffen, im Oktober 2016 etwa eine Filmvorführung in Czernowitz (queer.de berichtete) und ein "Equality Festival" in Lwiw (queer.de berichtete). 2015 hatten Aktivisten des "Rechten Sektors" mehrere CSD-Teilnehmer und Polizisten in Kiew verletzt (queer.de berichtete), ein Jahr zuvor hatten nationalistische Jugendliche am Wochenende des abgesagten Hauptstadt-CSD einen Schwulenclub an zwei Abenden hintereinander überfallen (queer.de berichtete). In den Jahren zuvor kam es zu ähnlichen Taten, immer begleitet von massiven Gewaltandrohungen in sozialen Netzwerken.
Die Filmvorführung in Czernowitz war von Aktivisten des "Rechten Sektors" und des paramilitärischen "Regiment Asow" unterbunden worden. Vor wenigen Tagen gingen Bilder um die ganze Welt, wie eine aus dem Regiment entstandene freiwillige "Nationale Bürgerwehr" einen Aufmarsch in Kiew inszenierte – rund 600 Freiwillige wollen demnächst in der Stadt patrouillieren. (nb)