Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) setzte sich auf vielen CSD-Demos im vergangenen Jahr für die Rehabilitierung ein (Bild: Norbert Blech)
Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Rehabilitierungsgesetzes sind beim Bundesamt für Justiz bislang nur 79 Anträge auf Entschädigung eingegangen. Dies erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange (SPD) auf eine Kleine Anfrage (PDF) des Grünen-Abgeordneten Kai Gehring. 53 Anträge wurden demnach positiv entschieden.
Eine Erklärung für die geringe Nachfrage hat die Bundesregierung nicht. Das Justizministerium hatte ursprünglich mit rund 5.000 Antragstellern bis 2022 gerechnet. Insgesamt wurden zwischen 1945 und 1994 rund 68.300 Menschen in Deutschland nach den verschiedenen Fassungen der Paragrafen 175, 175a StGB und 151 StGB-DDR wegen ihrer Homosexualität verurteilt.
Verstorben nach der Antragstellung
"Zahlreiche Betroffene dürften aufgrund des teilweise langen zurückliegenden Zeitraums bereits verstorben sein", heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage. "Zahlen liegen hierzu jedoch nicht vor." In einem Fall sei ein Betroffener kurz nach Antragstellung und damit noch vor der zu erwartenden Bewilligung gestorben. Das Justizministerium prüfe aufgrund der "bislang noch verhaltenen Anzahl" von Entschädigungsanträgen Maßnahmen, wie die Möglichkeit einer Entschädigung "unter den Betroffenen noch stärker bekannt gemacht" werden könne, so Staatssekretär Lange.
Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring forderte als Reaktion eine Anhebung der Entschädigungsbetrags, eine Unterstützungskampagne für die Antragsstellung, die Ernennung eines Ombudsmannes, der den Geschädigten Hilfestellung leistet, sowie die Einrichtung eines Härtefallfonds. Ähnliche Maßnahmen hatte auch der FDP-Bundesvorstand Ende Januar verlangt (queer.de berichtete).
Die Verurteilungen wurden am 22. Juli 2017 aufgehoben
Das "Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (StrRehaHomG) war am 22. Juli in Kraft getreten. An diesem Tag wurden alle Urteile, die nach dem Krieg nach den Paragrafen 175 StGB und 151 StGB-DDR wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen mit über 16-Jährigen gefällt wurden, automatisch aufgehoben (queer.de berichtete). Daneben sieht das Gesetz für die Betroffenen eine individuelle Entschädigung vor. Je Urteil werden 3.000 Euro und für jedes angefangene Jahr Freiheitsentzug 1.500 Euro Wiedergutmachung geleistet. Die Beträge werden nicht auf Sozialleistungen angerechnet und können auch nicht gepfändet werden.
Auch wer über die vielen Jahrzehnte seine Prozessunterlagen nicht aufbewahrt hat, kann eine Entschädigung erhalten. Dann muss zunächst bei einer Dienststelle der Staatsanwaltschaft eine Rehabilitierungsbescheinigung beantragt und die Verurteilung mittels eidesstattlicher Erklärung glaubhaft gemacht werden. Das Bundesamt für Justiz hat auf seiner Webseite alle Informationen eingestellt, die Betroffene benötigen. Dort findet sich auch im Downloadbereich ein Antragsformular für die Entschädigung. (cw)