So endete am Sonntag der Kinderkarneval in Kaštela, einer Stadt mit rund 40.000 Einwohnern, 13 erhaltenen historischen Kastellen und dem Flughafen von Split
In der kroatischen Kleinstadt Kaštela ist es am Sonntag zu einem außergewöhnlichen Vorfall gekommen: Beim Kinderkarneval verbrannten kostümierte Erwachsene vor den Augen der Kinder eine Plakatwand, die ein Bilderbuch zu Regenbogenfamilien darstellen sollte: Auf beiden Seiten der als Regenbogenflagge bemalten Wand waren jeweils zwei Herzen mit den Aufrucken "Mutter" auf der einen und "Vater" auf der anderen Seite angebracht, darüber prangerte der Begriff "Kinderbuch".
Die Wand war zuvor in einem Umzug durch die Straßen getragen worden, wie traditionell jedes Jahr eine Art Übel des Jahres – oft ein unbeliebte Person aus der Politik. Dieses Mal stürzte sich die Empörung der Gemeinde allerdings auf das vor wenigen Wochen veröffentlichte erste kroatische Kinderbuch, das Regenbogenfamilien zum Inhalt hat. "Meine Regenbogenfamilie" stellt zwei Kinder samt ihren lesbischen bzw. schwulen Eltern vor (queer.de berichtete).
Unter großem Medienwirbel hatte der Verband der Regenbogenfamilien das rund 20-seitige Büchlein Mitte Januar aufgelegt und vorgestellt; es soll an interessierte Kindergärten und Schulen kostenlos vergeben werden (und wird in Zusammenarbeit mit europäischen Partnern noch in mehrere Sprachen übersetzt, darunter Deutsch). Eine erste Auflage mit 500 Exemplaren war schnell vergriffen.
Das Buch solle schlicht den Lebensalltag von Kindern aus Regenbogenfamilien widerspiegeln und es Kindern und Erwachsenen ermöglichen, ungezwungen über diese Konstellationen zu sprechen, meinte Daniel Martinovic, Koordinator des Vereins, vor der Veröffentlichung. Das Buch soll zugleich als Beispiel für die Vielfalt der Gesellschaft dienen. "Wir wollen damit sagen, dass es in Kroatien verschiedene Familienformen gibt, wie Alleinerziehende, Adoptiv- und Langzeitfamilien. Sie existieren, sind präsent und man muss darüber reden", so Martinovic.
Kampf gegen "Homo-Propaganda" eskaliert
Das Buch sorgte für viele positive Medienberichte, einige negative Kommentare aus Zeitungen, Politik und Gesellschaft und vor allem für viel Kritik von der katholischen Kirche und angeschlossenen Gruppen. Die weltweite christliche Fundi-Organisation CitizenGo, in Deutschland kürzlich Mitorganisator der Bustour der "Demo für alle" (queer.de berichtete), startete etwa eine Online-Petition zum Verbot der "Bewerbung des homosexuellen Lebensstils an Schulen" mit bislang über 17.000 Überschriften.
Über die symbolische Verbrennung des Kinderbuchs zeigte sich die queere Community entsetzt. Es sei doch wohl wahrscheinlich, dass auch in dieser Kleinstadt Kinder groß würden, die später schwul oder lesbisch werden oder die bei Homo-Eltern aufwachsen, kommentierte entsetzt das Portal crol.hr. "Mutter und Mutter" seinen kein unvorstellbares theoretisches Konzept, sondern eine Realität; das Verbrennen der Bücher erinnere an Faschismus und die Bücherverbrennung der Nazis – und setze das um, was von Altaren und rechten Portalen angefeuert worden sei.
Kroatien gehört laut Bevölkerungsumfragen zu den homophobsten Ländern der Europäischen Union. Insbesondere die katholische Kirche macht seit Jahren erfolgreich Stimmung gegen die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben. 2013 stimmten die Kroaten in einem Volksentscheid dafür, dass ein Ehe-Verbot für Schwule und Lesben in der Verfassung verankert wird (queer.de berichtete). Immerhin schaffte es die damalige Mitte-Links-Regierung 2014, eingetragene Lebenspartnerschaften mit leicht eingeschränkten Rechten einzuführen (queer.de berichtete). Im letzten Jahr nahm eine Mitte-Rechts-Regierung hingegen erst unter Protesten von Plänen Abstand, Familien in Gesetzen ausschließlich heterosexuell zu definieren (queer.de berichtete).
Filmvorführung in Bukarest gestört
Für Chaos und Hass sorgten am Sonntag auch christlich-fundamentalistische Aktivisten in Rumänien: In einem Museum in der Haupstadt Bukarest stürmten sie eine Vorführung des Films "120 BPM", sangen Nationalhymne und Gebete und forderten einen Stopp der "Homo-Propaganda". Mehrere Personen stellten sich mit Plakaten wie "Rumänien ist nicht Sodom und Gomorrha" vor die Leinwand. Nach gut 30 Minuten entfernte die herbeigerufene Polizei die Störer.
Facebook / VICE Romania | Mitarbeiter der rumänischen Ausgabe von "Vice" waren zufällig anwesend und streamten den Protest live ins Internet
Der Film erzählt vom Aktivismus der Pariser Gruppe "Act-up" zum Beginn der Aids-Krise (queer.de berichtete). In Deutschland ist das 2016 in Cannes mit dem Grand Prix, der Queer Palm und dem FIPRESCI-Preis ausgezeichnete Drama gerade auf DVD erschienen (queer.de berichtete).
Vor zwei Jahren hatte in Rumänien eine "Koalition für die Familie", über das Volksbegehren "Vater, Mutter, Kind" ebenfalls mit der "Demo für alle" verbunden und in Bukarest unterstützt vor allem von der orthodoxen Kirche, über drei Millionen Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt, mit dem die Ehe in der Verfassung heterosexuell definiert werden soll (queer.de berichtete). (nb)
Solche Verbrennungen, Stürmen von Filmvorführungen, etc. zeigen wieder mal, wie die Homohasser und religiösen Fanatiker ticken.