https://queer.de/?30638
Facebook-Hetze
AfD empört sich über das Asylrecht für Homosexuelle
Der Dresdner Landtagsabgeordnete André Wendt beklagt, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs bringe "Schlupflöcher für sogenannte 'Flüchtlinge'" und führe zu "Asylmissbrauch".

Mit dem Eintrag bei Facebook griff Wendt gleich zwei bei seiner Anhängerschaft verhasste Gruppen an: Flüchtlinge und Homosexuelle
- Von Norbert Blech
12. Februar 2018, 16:31h 4 Min.
André Wendt, Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen, hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu queeren Asylbewerbern dazu genutzt, Mutmaßungen über vermeintliche Ausnutzungen durch "Wirtschaftsmigranten" anzustellen und letztlich indirekt das Asylrecht für Homosexuelle als solches anzugreifen: "'Homosexuelle' aus aller Welt dürfen an unsere Sozialtöpfe" fasste er das Urteil zusammen.
Der mit Empörung spielende Facebook-Post der Landespartei vom 27. Januar, auf den diese Redaktion erst jetzt aufmerksam wurde, zeigt diese Aussage über einem Bild, das – wie so einige Darstellungen in den Accounts der Landespartei – wohl junge Männer auf der Flucht als eine Art Massenzustrom darstellen soll.
"Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfen Asylbewerber, die angeblich aufgrund ihrer Homosexualität verfolgt werden, nicht mehr auf ihre wirkliche sexuelle Orientierung psychologisch untersucht werden", fasste der Politiker das Urteil zusammen, ohne weitere Hintergründe der Entscheidung mitzuteilen.
"Dem Asylmissbrauch" sei so "ein weiteres legales Tor geöffnet worden", beklagte der Politiker: "Es wird immer absurder: Jeder Wirtschaftsmigrant, der durch die sperrangelweit offenen Grenzen nach Deutschland spaziert und nun behauptet als Homosexueller verfolgt zu werden, darf in Zukunft ohne Prüfung nach Deutschland und sich auf Kosten der Steuerzahler an unseren Sozialtöpfen laben." Er vermute, "dass deutsche Regierung und EU-Bürokratie überhaupt kein Interesse an einer Zuwanderungsbegrenzung haben und immer neue Schlupflöcher für sogenannte 'Flüchtlinge' generieren".
Erfolgreich Hass geschürt
Was Wendt "absurd" nennt, war ein deutliches Urteil des Luxemburger Gerichts, nicht gegen Deutschland, sondern gegen Behörden aus Ungarn: Dass diese von einem Asylbewerber aus Nigeria einen psychologischen Test seiner sexuellen Orientierung gefordert hatten, sei ein "unverhältnismäßiger Eingriff in das Privatleben" gewesen (queer.de berichtete). Entsprechende Gutachten seien zudem "begrenzt zuverlässig" und "nicht unverzichtbar".
Der Eintrag des AfD-Politikers schürt mit Desinformationen Hass: Er verschweigt, dass Homo- und Transsexuelle – nicht "aus aller Welt", sondern bei konkreten Verfolgungen in entsprechenden Ländern – bereits durch frühere Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein Recht auf Asyl in EU-Ländern haben – ein sprichwörtlich notwendiges Recht, das hier von der AfD letztlich abgelehnt, bekämpft und lächerlich gemacht wird.
Wendt ignoriert auch, dass der Gerichtshof in seinem Urteil durchaus Überprüfungen des Anspruchs durch geschultes Personal für zulässig hält und diese natürlich erfolgen – in Deutschland auch deswegen, weil die bemängelten pychologischen Gutachten hier gar nicht zum Einsatz kamen.

Zwei weitere Einträge des Politikers bei Facebook
Der Eintrag wirkt vor allem wie purer Hohn, weil sich viele queere Asylbewerber oft nicht trauen, über ihre sexuelle Orientierung zu berichten, oder oft Schwierigkeiten haben, diese zu beweisen. Er wirkt auch wie purer Hohn, weil deutsche Behörden queere Flüchtlinge auch bei korrekten Angaben gerne mal abschieben wollen (queer.de berichtete) oder weil diese Flüchtlinge eben kein von der AfD unterstelltes Luxusleben erhalten, sondern während des langwierigen Verfahrens oft in Massenunterkünften mit Homofeindlichkeit konfrontiert sind und sich gezwungen sehen, dort ihre sexuelle Orientierung geheim zu halten (queer.de berichtete).
Die Hetze der AfD wirkt: "Homosexualität als Asylgrund ist medizinisch nicht nachweisbar, eröffnet Massenbetrug und bringt weitere Masseneinwanderung nach Deutschland", kommentierte ein Nutzer der AfD-Facebookseite. "Dann sollte man die ganz schnell rauswerfen. Der Europäische Gerichtshof hat gar nichts zu sagen, wer wann und wo aufgenommen wird", meinte ein weiterer Nutzer, und ein anderer: "Zum Schluss kommt jedenfalls der Besen – dann wird wieder ausgeräumt!"
Rechte Stimmungsmache ohne Ende
Wie sein gesamter immer weiter nach rechts rückender Landesverband hetzt Wendt gerne gegen Flüchtlinge, etwa mit verfälschenden Schlagzeilen über tausende Euro, die Flüchtlingsfamilien angeblich erhielten, oder mit einer Landtagsanfrage zur "Sterilisation" von "unbegleiteten minderjährigen Ausländern".
Im Landtag erkundigte Wendt sich 2016 mit einer Anfrage auch ausführlich, ob der CSD in Dresden eine staatliche Finanzierung erhalte oder ob die Regierung zur Teilnahme auffordere (queer.de berichtete).
Die AfD ätzt seit Jahren (auch) in sozialen Netzwerken gegen Flüchtlinge und gegen LGBTI-Rechte, und das immer aggressiver. Erst am Samstag empörte sich die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch bei Twitter über eine neue Berliner Handreichung zur Aufklärung über LGBTI in Kitas: Diese sei staatlich geförderter "Kindesmissbrauch", so die Mitgründerin der "Demo für alle", die sich in dem Tweet zugleich abwertend über Muslime äußerte.















