Das rot-rot-grüne "Landesprogramm Akzeptanz und Vielfalt" könnte noch an einigen Stellen verbessert werden, so die Aktivisten
Organisationen der Thüringer Zivilgesellschaft haben am Dienstag in einer gemeinsamen Pressemitteilung Stellung genommen zum vor zwei Wochen von der Thüringischen Landesregierung vorgestellten "Landesprogramm Akzeptanz und Vielfalt". Dabei zeigten sie sich erfreut über das Programm als wichtigen Schritt für mehr Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Freistaat, äußerten aber auch Kritik und Skepsis.
Kathrin Vitzthum, die Chefin der GEW Thüringen, lobte das Programm, da dieses die Vielfalt der Kinder und Jugendlichen wertschätzend ernst nehme. "Dass Fort- und Weiterbildungen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als Maßnahmen genannt sind, freut uns sehr – die GEW fordert diese seit Jahren." Allerdings würde die Lehramtsausbildung "wieder einmal ausgespart", kritisierte Vitzthum. "Auch vermissen wir eine Verbindlichkeit in den Lehrplänen – denn der kompetente Umgang mit Vielfalt und Diskriminierung ist eine Schlüsselqualifikation in einer demokratischen Bildungslandschaft."
Dass die Forderung von psychosozialen Beratungsstellen für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten sowie ihre Angehörigen in einen unverbindlichen Prüfauftrag für den Bedarf solcher Stellen umgewandelt wurde, bemängelt das Erfurter Frauenzentrum Brennessel. Sabine Stelzl erklärte hierzu: "In Thüringen basieren zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote derzeit ausschließlich auf ehrenamtlichen Strukturen. Wir hoffen sehr, dass die vielen Bedarfsprüfungen im Landesprogramm auch eine personelle und finanzielle Förderung zur Folge haben, um beständige hauptamtliche Strukturen zu schaffen bzw. auszubauen."
Fehlende Forschungsfinanzierung
Das Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft und das Forschungsinstitut tifs bemängelten außerdem die fehlende Forschungsfinanzierung: "Die Vielzahl an Prüfaufträgen des Landesprogramms macht deutlich, dass die Datenlage in vielen Bereichen, was Ist-Zustand und Bedarfe angeht, unzulänglich ist. Eine fundierte wissenschaftliche Erhebung zur Situation von LSBTIQ in Thüringen, wie dies in anderen Bundesländern gemacht wurde, wäre nötig gewesen", so Bettina Staudenmeyer vom tifs. Die beiden Institute hoffen darauf, dass hier nachjustiert wird.
Andrea Wagner, Vorsitzende des Landesfrauenrats Thüringen begrüßte die Einrichtung einer zivilgesellschaftlichen Koordinierungsstelle, die die Maßnahmen begleiten soll. Es sei allerdings "schwer vorstellbar, wie diese all die ihr zugewiesenen Aufgaben bewältigen kann". Wagner kündigt an: "Wir werden die Umsetzung kritisch beobachten und uns auf Maßnahmen berufen. Insbesondere die Regelung der anonymen Spurensicherung für Opfer von sexueller Gewalt ist für uns von großem Interesse."
Matthias Gothe vom Jenaer Verein Vielfalt Leben – QueerWeg erklärte, er freue sich über den Aktionsplan der Landesregierung als "wichtigen Baustein für die Akzeptanz von Vielfalt". "Da die Mehrzahl der Beratungs-, Unterstützungs- und Kulturstrukturen in Thüringen ehrenamtlich aus den Betroffenengruppen heraus erfolgen, begrüßen wir die vorgesehene Unterstützung und Förderung in diesem Bereich." Besonders unterstrich Gothe die Wichtigkeit, diese Angebote auch in den ländlichen Raum zu bringen. Hierzu bedürfe es aber einer "ausreichenden Finanzierung".
Zu wenig Engagement für Vorbeugung vor Geschlechtskrankheiten
Weniger positiv fällt das Urteil von Edgar Kitter von der Aids-Hilfe Weimar und Ostthüringen aus: "Ich bin sehr enttäuscht darüber, wie wenig die Vorbeugung sexuell übertragbarer Infektionen im Programm eine Rolle spielt", so Kitter. "Projekte, die sich an die von HIV am stärksten betroffene Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben, wenden, sind in anderen Bundesländern längst erfolgreich tätig. In Thüringen will man die Initiative solcher Kampagnen lediglich prüfen – ebenso wie dringend nötige niedrigschwellige Testprojekte." Besonders schmerzlich sei, dass sich die Landesregierung nicht habe durchringen können, die Kennzeichnung ANST für 'ansteckend' in den Datenbanken der Polizei und Kriminalstatistik abzuschaffen. Diese stigmatisiere Menschen. Die polizeiliche Kennzeichnung von HIV-Positiven wird auch in anderen Ländern kritisiert, etwa in Hamburg und Nordrhein-Westfalen.
Der Familienplanungs- und Sexualkundeverein pro familia Thüringen begrüßte, dass mit dem neuen Landesprogramm unsere sexualpädagogische Arbeit explizit unterstützt wird", wie Geschäftsführerin Elke Lieback erklärte. Sie gab aber zu verstehen, dass ebenso geboten gewesen wäre, die Sexualkunderichtlinien zu überarbeiten: "Gerade in einem politischen Klima, das Sexualität populistisch instrumentalisiert, hätte eine Überarbeitung, die die Ansprüche der Kinder und Jugendlichen an sexuelle Bildung offenlegen, die Handlungssicherheit der Schulen in diesem Feld gestärkt. Wir können noch lange nicht von einer flächendeckenden Sexualerziehung sprechen, die sich aufgeschlossen gegenüber der real gelebten Vielfalt gibt und Fragen der Lernenden vorbehaltlos beantwortet. Deshalb kann das Landesprogramm nur ein Anfang sein."
Der Lesben- und Schwulenverband Thüringen hatte bereits kurz nach der Veröffentlichung des Planes beklagt, dass die Landesregierung Organisationen der Zivilgesellschaft nicht genug eingebunden habe. "Nach der ministeriellen Abstimmung wurden die Vereine und Verbände, die den Entwurf entscheidend geprägt hatten, weder gehört noch beteiligt", erklärte der LSVD-Landesvorstand. (dk)
"Die Bereitstellung besonderer Schutzräume für von Gewalt betroffene Geflüchtete
innerhalb derselben Einrichtung wird dem Opferschutz nicht ausreichend gerecht.
Stattdessen sollte eine sofortige räumliche Trennung von Täter_innen und Opfern
stattfinden und eine anderweitige für die Täter_innen und ihr Umfeld nicht bekannte
Unterkunft gefunden werden."
Es sollen also die Betroffenen der Übergriffe aus der Unterkunft entfernt werden - und nicht etwa die Täter.
Ich halte das für ein falsches Signal. Denn dieses Vorgehen impliziert, dass Gewalt gegen LSBTIQ*-Personen für die Täter folgenlos bleibt.