SPDqueer-Mitglieder im letzten Sommer vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin (Bild: SPDqueer)
Rund zwei Wochen nach Vorstellung der Ergebnisse der Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD haben die früheren Schwusos ihre Zusammenfassung des Koalitionsvertrags veröffentlicht. SPDqueer, die Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung, bezeichnete die Ergebnisse in Bezug auf LGBTI als "mager" und "enttäuschend".
"Angesichts der erzielten Ergebnisse in Sachen Queerpolitik" stehe man dem Koalitionsvertrag "mit gemischten Gefühlen gegenüber", betonten Petra Nowacki, die Bundesvorsitzende, und Sascha Roncevic, der Pressesprecher von SPDqueer. "Wir erkennen an, dass die Verhandler*innen auf Seiten der SPD vieles versucht haben, um mit CDU und CSU Kompromisse zu finden und diesen die queere Lebenswirklichkeit nahezubringen." Dennoch sei "das Ergebnis aufgrund des mangelnden Entgegenkommens der Union enttäuschend."
Letztlich sei im Koalitionsvertrag "wenig progressive Queerpolitik vereinbart" worden, so SPDqueer. "Vielmehr scheinen hier Minimalforderungen den Status Quo abzusichern."
Wie bereits vor vier Jahren will die AG aber den Genossen keine Empfehlung zum anstehenden Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag mit auf den Weg geben: "Das Votum für oder gegen den Eintritt der SPD in die Regierung müssen alle Genoss*innen aber unter Abwägung sämtlicher Inhalte des Verhandlungsergebnisses und nach intensiver Diskussion nach bestem Gewissen selbst treffen."
Ganze Reihe unerfüllter Forderungen
Noch im Januar hatten die Ex-Schwusos selbst etliche Forderungen für die Koalitionsverhandlungen aufgestellt, die sich nun größtenteils im Koalitionsvertrag nicht wiederfinden. Der LSVD, der ähnliche Forderungen aufgestellt hatte, kommentierte nach Vorstellung des Vertrags: "Offensichtlich bleibt sich die Union in ihrer Blockadepolitik der letzten Jahre treu und lässt die SPD wieder auflaufen."
SPD-Wahlkampf-Flyer zum Berliner CSD 2017
"Viele Ziele sozialdemokratischer LSBTTIQ*-Politik wurden im Koalitionsvertrag nicht aufgegriffen", beklagt jetzt SPDqueer. "Zu diesen Themen gehören unter anderem eine aktive Politik und Gleichstellung für Regenbogenfamilien, die Ergänzung des Art. 3 Abs. 3 GG um das Merkmal 'sexuelle Identität' sowie die Unterstützung für queere Geflüchtete." Hier müsse die SPD "Antreiber für queerpolitische Themen sein" und Spielräume der sozialdemokratischen Ministerien Familie, Justiz, Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Außen nutzen. So gelte es auch, "die letzten Diskriminierungen bei der Rehabilitierung der Verurteilten nach §175 StGB abzubauen sowie einen ausdifferenzierten bundesweiten Aktionsplan gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit zu schaffen". Bei einem CSU-geführten Innenministerium befürchte man "allerdings nach den Erfahrungen bei der Ehe für alle (…) einen Stillstand in der laufenden Legislatur."
Nach den "Erfolgen aus der letzten Legislaturperiode", "insbesondere der Rehabilitierung der nach § 175 StGB verurteilten Homosexuellen sowie der Ehe für alle", habe sich die SPD aber immerhin in einigen Punkten durchsetzen können: "So wurde sich darauf verständigt, die Folgeregelungen, die mit der Eheöffnung einhergehen, zu novellieren." Die queeren Sozen leiten aus der Passage des Vertrags eine Änderung der BGB-Regelung zur Vaterschaft ab. Auch sehe der Koalitionsvertrag die Umsetzung der Forderung aus Karlsruhe nach einem "Dritten Geschlecht" vor. Die SPDqueer bemängelt aber, dass die Union umfassenderen Reformen der Gesetzgebung zu Trans- und Intersexuellen nicht zugestimmt habe "und man sich hier auf das Bundesverfassungsgericht zurückzieht".
SPDqueer: Partei muss in jedem Fall Zeichen setzen
Letztlich müsse nun das Referat zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen im Bundesfamilienministerium zum "Motor einer progressiven queeren Politik werden und Unterstützung aus der Partei, der Fraktion und allen anderen SPD-geführten Bundesministerien erfahren", so SPDqueer.
SPDqueer-Mitglieder beim Düsseldorfer CSD im letzten Jahr. Bild: nb
Nach der Ansicht der queeren Genossen sei "nicht außer Acht zu lassen, dass bei einem Regierungseintritt der SPD die AfD Oppositionsführerin werden würde. Denn damit spielt eine homo-, bi- und transfeindliche Partei eine wesentliche Rolle im Deutschen Bundestag." Das dürfe die SPD "nur zulassen, wenn sie innerhalb einer Großen Koalition eine soziale und gerechte Politik umsetzt und die AfD konsequent in ihre Schranken weist."
Egal wie der Mitgliederentscheid ausgehe: "LSBTTIQ*-Themen müssen auch in der laufenden Legislaturperiode aufgegriffen werden", so SPDqueer. "Dabei dürfen queerpolitische Themen nicht gegen andere Themen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (z. B. wirtschaftlich Schwache oder geflüchtete Menschen) ausgespielt werden. Sozialdemokratisch zu sein bedeutet auch solidarisch zu sein!" (nb/pm)
Selbst Gewerkschaften geben eine Empfehlung ab, also warum nicht die SPDQueeren? Verstehe ich nicht.