Noch nie zuvor haben sich so viele Abgeordnete in den Plenarsaal quetschen müssen: 709 Mitglieder zählt der neue Deutsche Bundestag. Geht man nach der Zehn-Prozent-Formel, dürften also mindestens 70 Parlamentarier zur inoffiziellen Queerfraktion gehören. Zum Vergleich: Die Grünen stellen gerade mal 67 MdBs.
Nun hat die "Süddeutsche Zeitung" ganz eigene Berechnungen angestellt. In einer durchaus lesenswerten Analyse, inwieweit der 19. Bundestag das Volk repräsentiert, kommen die Kollegen zum Schluss, dass 52 Nicht-Heterosexuelle dem Parlament angehören müssten, um ihren Bevölkerungsanteil widerzuspiegeln. Dies entspricht 7,3 Prozent.
Nicht-Heterosexuelle "nominell gut repräsentiert"
Die zweite Zahl der "Süddeutschen" überrascht noch viel mehr: "43 Abgeordnete sind nicht heterosexuell, damit fehlen im Verhältnis zur gesamten Bevölkerung nur neun Personen", schreibt das Blatt. Homosexuelle und Bisexuelle würden damit "nominell gut repräsentiert". Dies sei bei Frauen, Alten, Jungen, Migranten, Muslimen, Menschen mit Behinderung oder mit Hauptschulabschluss, Alleinstehenden sowie Dorfbewohnern ganz anders.
Haben wir aber wirklich den queersten Bundestag der deutschen Geschichte? Wie die "SZ" auf 43 nicht-heterosexuelle MdBs kam, bleibt ihr Geheimnis, Namen werden natürlich nicht genannt. Auch den detaillierten Fragebogen, den das Blatt für ihre Studie an alle 709 Abgeordneten verteilt hat, haben nur 280 zurückgeschickt. Uns selbst sind nur etwa zwei Dutzend MdBs bekannt, die offen schwul oder lesbisch sind, und selbst von denen outen sich nicht alle auf ihrer Homepage.
Wirklich entscheidend ist allerdings eh nicht, wie groß oder klein nun die Queerfraktion im Parlament ist. Wir sollten besser darauf schauen, wie viele Abgeordnete aus welcher Partei sich für LGBTI-Rechte einsetzen, und da spielt die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keine Rolle. Während etwa die lesbische AfD-Fraktionschefin Alice Weidel die Ehe für alle aktiv bekämpft, wählte die Linke mit Doris Achelwilm eine engagierte Frau, die in einer gemischtgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, zu ihrer queerpolitischen Sprecherin.
Ja, es stimmt: so eine vermeintliche Analyse ist sinnloser Quatsch - und wem dient sie? siehe oben.
Dass man sich in München nicht viel mehr mit bayerischer Homo- und Transfeindlichkeit beschäftigen mag, ist Staatsräson. Bis zum Herbst. Dann sind Landtagswahlen und wahrscheinlich wird diese Ignoranz der CSU dann gebrochen, leider mit Hilfe der AfD.
Zum Glück werden sie mit denen nicht koalieren. Noch nicht.