
https://queer.de/?30780
Antwort auf Kleine Anfrage
Paragraf 175: Erst 81 Anträge auf Entschädigung eingegangen
Das Gesetz zur Rehabilitierung in der Bundesrepublik und der DDR von verfolgten Schwulen findet bislang nur wenig Resonanz. Die Linksfraktion appelliert daher an die Bundesregierung, mehr zu tun.

Bis 1994 ließ der Staat Schwule in Deutschland verfolgen (Bild: Moscas de Colores)
- 7. März 2018, 13:30h 2 Min.
Allein in der Bundesrepublik wurden in den Fünfzigern und Sechzigerjahren geschätzt 50.000 Männer wegen des homophoben Paragrafen 175 verurteilt. Im letzten Sommer beschloss der Bundestag daher ein Gesetz zur "strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (queer.de berichtete). Bislang haben sich aber nur sehr wenige staatlich verfolgte Männer bei den Behörden gemeldet. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor (PDF).
Bis zum 20. Februar diesen Jahres seien nur insgesamt 81 Anträge auf Entschädigung eingegangen. Davon wurden bislang nur 54 bewilligt. 52 Fälle rührten von der Verfolgung durch den westdeutschen Paragrafen 175 her, zwei Fälle wegen Verfolgung durch den DDR-Paragrafen 151. Drei Anträge seien abgelehnt worden, darunter auch der des kurz vor Weihnachten verstorbenen Wolfgang Lauinger. Sein "Fehler" war, dass er "nur" in Untersuchungshaft saß (queer.de berichtete).
Bisherige Entschädigung: 254.000 Euro
Bislang seien Entschädigungen in Höhe von 254.500 Euro ausgezahlt worden (laut Gesetz werden je Urteil 3.000 Euro und für jedes angefangene Jahr Freiheitsentzug 1.500 Euro Wiedergutmachung geleistet). Jeder in Deutschland lebende Bürger hat damit im Schnitt 0,3 Cent für die Entschädigung von zu Unrecht verurteilten Homosexuellen aufbringen müssen.
Die Linksfraktion sieht die Zahlen als Beweis dafür an, dass die Bundesregierung bei der Entschädigung mehr tun muss. Die "erschreckend geringe" Zahl an Anträgen liege daran, "dass die Möglichkeit auf Rehabilitierung und Entschädigung nicht ausreichend bekannt ist", erklärte die Linken-Abgeordnete Doris Achelwilm am Mittwoch. "Die Bundesregierung muss hier nachjustieren, den Berechtigtenkreis erweitern und die Entschädigungsmöglichkeit umfassender bewerben. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um den Betroffenen dieser unsäglichen Verfolgung staatliche Entschädigung und Rehabilitation zukommen zu lassen."
Achelwilm forderte, dass auch die Zeit der Untersuchungshaft angerechnet werde. Immerhin hätten viele Verdächtige durch ein "Strafverfahren gravierende Nachteile, wie zum Beispiel den Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz", erlitten. Eine weitere Folge sei auch ein niedrigerer Rentenanspruch gewesen. Wegen des hohen Alters vieler Betroffener müsse die neue Bundesregierung in dieser Frage schnell reagieren. (dk)
Auch wer über die vielen Jahrzehnte seine Prozessunterlagen nicht aufbewahrt hat, kann eine Entschädigung erhalten. Dann muss zunächst bei einer Dienststelle der Staatsanwaltschaft eine Rehabilitierungsbescheinigung beantragt und die Verurteilung mittels eidesstattlicher Erklärung glaubhaft gemacht werden. Das Bundesamt für Justiz hat auf seiner Webseite alle Informationen eingestellt, die Betroffene benötigen. Dort findet sich auch im Downloadbereich ein Antragsformular für die Entschädigung.

Ich fordere Voßkuhle hier öffentlich auf, sich zu entschuldigen. Zeitnah.